Vom 28. Januar 4. Februar 2018 fand vor dem Haupttor der Erstaufnahmeeinrichtung (EAS) für Mecklenburg –Vorpommern (MV) in Nostorf–Horst bei Boizenburg eine Dauermahnwache statt. Zur Etablierung der erforderlichen Infrastruktur haben wir von COMM, einem Verein in Hamburg, die entsprechende Unterstützung erhalten.
Die EAS wird von den Bundesländern Mecklenburg-Vorpommern und Hamburg gemeinsam betrieben und ist schon seit ihrer Einrichtung immer wieder Anlass für heftige öffentliche Kritik an den Zuständen und auch für Proteste der dort untergebrachten Asylsuchenden gewesen. Besonders aktiv war bisher der Hamburger Flüchtlingsrat, der dort eine regelmäßige individuelle unabhängige Beratung in rechtlicher und gesundheitlicher Hinsicht für Einzelne anbietet. Allerdings ist ihm verwehrt, diese innerhalb der Einrichtung durchzuführen, sondern nur in einem Containerraum außerhalb des Zaunes. Eine Klage vor den Verwaltungsgerichten Hamburg und Schwerin ist deshalb anhängig. Auch der Flüchtlingsrat Mecklenburg-Vorpommern bietet Beratungen an. Beide Angebote sind eher ein „Tropfen auf den heißen Stein“ und erfüllen in keinster Weise die Notwendigkeiten und Bedürfnisse der dort untergebrachten Geflüchteten.
Für diese Erstaufnahmeeinrichtung wird eine ehemalige Kaserne des Grenzschutzes der DDR-Militärs genutzt. Dementsprechend liegt diese Einrichtung isoliert und einsam am äußersten westlichen Zipfel des Bundeslandes an der Grenze zu Schleswig Holstein, die formal die dort zugewiesenen Geflüchteten nicht überschreiten dürfen. Die Kleinstädte Boizenburg (MV) und Lauenburg (Schleswig-Holstein) sind nur mit Bussen erreichbar, die allerdings in dieser strukturarmen Grenzregion nur sehr spärlich fahren. Diese Ersteinrichtung ist allerdings für die Umgebung ein wichtiger Arbeitgeber und Wirtschaftsfaktor geworden.
Offiziell werden 400 Plätze zur Unterbringung von Geflüchteten aus MV und Hamburg vorgehalten. Derzeit leben dort laut taz-Recherche mehr als 300 Asylsuchende. Die meisten, die dorthin verwiesen werden, haben kaum Aussichten, in Deutschland zu bleiben. Zu einem großen Teil sind es Asylsuchende im Dublin-Verfahren und Geflüchtete aus sogenannten „sicheren Herkunftsländern“. Fast alle haben eine schlechte „Bleibeperspektive“. Dementsprechend leben alle zwangsweise dort Untergebrachten mit einer inneren Spannung, die sich oftmals auch nach außen hin äußert.
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) unterhält eine Außenstelle dort. Hier wird von Amts wegen ihr Asylbegehren geprüft, fast ganz außerhalb der Kontrolle der Zivilgesellschaft. Nur in Einzelfällen schaffen die Betroffenen, ihre Rechte von Gerichten überprüfen zu lassen.
Die Organisation des Lagers ist den Maltesern übertragen worden, ein privater Sicherheitsdienst ist für die Aufrechterhaltung von "Sicherheit und Ordnung" beauftragt worden. Die örtliche Polizei wird bei hoheitlichen Aufgaben zugezogen und ist ebenfalls häufig dort.
Für unsere Gesellschaft sind Asylsuchenden in Nostorf-Horst unsichtbar. Nur wenige haben Kontakte nach außen oder wissen, an wen sie sich wenden können. Geräuschlos können sie somit wieder abgeschoben werden, niemand außer die unmittelbar dort Beschäftigten bekommet es mit.
Dementsprechend ist die Unterstützung von außen auch rar. Es gibt deshalb auch nur wenige zivilgesellschaftliche Akteure, die sich in diese einsame Gegend „verirren“. Ihnen wird zudem häufig das Betreten der Einrichtung verwehrt. Theoretisch können einzelne Bewohner zwar besucht werden, die Besuche werden aber streng kontrolliert, die Besuchten häufig nachher befragt, was meist Einschüchterung und Ängste auslöst. Somit handelt es sich hier um eine sehr abgeschottete Institution, was bei den Bewohnern häufig die Empfindung als ein „Freiluftgefängnis“ auslöst.
Die Mahnwache trug den Titel Schluss mit Ausgrenzung und Isolation – Solidarität mit den Geflüchteten! Den Menschen dort eine Woche lang zu zeigen, dass sie nicht ganz allein mit ihren Problemen dastehen, mehr Kontakte nach „drinnen“ zu knüpfen und mehr Informationen über die reale Situation in diesem Lager zu bekommen, waren die primären Ziele dieser Dauermahnwache. Gleichzeitig wollten wir auf diese „offene Wunde für uns als Zivilgesellschaft“ aufmerksam machen, um die Aufmerksamkeit und Sensibilität für die Zustände in dieser abgeschotteten Einrichtung zu erhöhen. Nicht zuletzt wollten wir auch Kontakte zu den wenigen Flüchtlingsunterstützern in der Umgebung knüpfen und ihre Anstrengungen stärken.
Obwohl wir rechtzeitig die Mahnwache für einen gepflasterten Platz neben dem Haupteingang angemeldet hatten, gab es lange von Seiten der Versammlungsbehörde Ludwigslust-Parchim Schweigen und „Funkstille“. Erst 10 Tage vor dem Beginn der Mahnwache wurde uns mitgeteilt, dass der von uns beantragte Ort der Mahnwache am Einspruch des Betreibers nicht für unsere Mahnwache genehmigt würde und sie auf der Suche nach einem Alternativort seien. Fünf Tage vorher wurde uns weit weg vom Eingang der Einrichtung an einer lauten Bundesstrasse ein Platz für unsere beantragte Mahnwache zugewiesen, der aber keinerlei Verbindung zum bestehenden Lager aufwies und auch für die geflüchteten Lagerinsassen kaum zu finden war. So wie man diese Menschen von der Gesellschaft fernhalten möchte, so sollten wir offensichtlich von den Geflüchteten ferngehalten werden. Erst im Widerspruchsverfahren einige Tage vor Beginn, konnten wir uns auf einen Alternativplatz am unbesteigten Rande der Ausfahrtsstrasse in Sichtlage vom Haupteingang einigen.
Hier die Begründung des Betreibers für die Ablehnung des gepflasterten Platzes. Wer die Flächen vor der EAS kennt, weiß, dass der Umfang der Mahnwache dem angegebenen Interesse in keiner Weise entgegen gestanden hätte.
Es wird weiterhin von einer zu starken Beeinträchtigung unserer Interessen und Bedarfe ausgegangen, wenn sich die Mahnwache an dieser Stelle befinden sollte. Insoweit werden insbesondere die Varianten 1 und 2 des Widerspruchsführers abgelehnt, vor allem, weil es sich hier um den Sammelraum für Evakuierungen der Behörden handelt, in dem im Falle von Evakuierungen die Vollzähligkeit der Mitarbeiter geprüft wird. Dieser Raum mit den umliegenden Freiflächen sollte also möglichst nicht durch Dritte dauerhaft und mir entsprechenden Aufbauten belegt oder verstellt sein. Außerhalb der Behördenzeiten dient diese Parkplatzfläche bei Großlagen innerhalb der Einrichtung (größere Brände, gewalttätige Auseinandersetzungen u.ä.) als Stellplatz für Einsatz- und Rettungskräften zur Entfaltung der Technik und Führungsmittel.
Der Start der Mahnwache war gelungen: Wir hatten interessante Gespräche mit Asylsuchenden, die in der Erstaufnahmestelle wohnen. Wir sind gespannt auf die kommenden Tage.
Pünktlich um 12.00 Uhr trudelten von allen Seiten Aktivist*inne ein: Aus dem Wendland die Wohnwagen mit der gesamten Infrastruktur, die uns völlig autonom vot Ort macht; aus Rostock zwei Busse mit Kleidung und anderen Dingen; aus Schwerin ein Auto mit Kleidung.
Empfangen wurden wir von 5 Polizisten, u.a. dem Leiter der Polizei in Boizenburg sowie dem Leiter der Erstaufnahmeeinrichtung und seiner Stellvertreterin. Unsicher, wie sie uns einschätzen sollten, traten sie zunächst "amtlich-streng" auf, und machten deutlich, dass das Betreten des Lagers für uns verboten sei und unser Aktionsradius auf den uns zugewiesenen Platz beschränkt sei. Die steife amtliche Haltung verlor sich aber sehr schnell, als sie bemerkten, dass man mit uns reden kann.
Wir bauten zunächst das große Versammlungszelt 5x8 Meter an Rand der Strasse auf, vis-a-vis zum Haupttor, und befestigten unsere Transparente:
„Schluss mit Isolation und Ausgrenzung - Solidarität mit den Geflüchteten!“
Wir hatten kaum die Kleidung auf den aufgestellten Tischen im Versammlungszelt ausgebreitet, schon schauten neugierig die ersten Bewohner*innen dieses Erstaufnahmelagers vorbei, darunter auch eine Reihe von Familien mit Kindern. Viele waren dankbar für die Kleidung, die sie sich hier aussuchen konnten. Gelassen suchten sie sich das für sie Passende heraus. Die Besucher*innen-Anzahl im Zelt nahm im Laufe der nächsten zwei Stunden deutlich zu. Offensichtlich gibt es einen Bedarf, der über das ihnen zugeteilte Kontingent an Kleidung hinausgeht.
Offensichtlich sind in den letzten Tagen neue Geflüchtete nach Horst zugewiesen worden. Wir trafen eine Mutter mit mehreren Kindern, die bereits längere Zeit in Europa waren. Auf die Frage, ob sie denn zur Schule gehen würden, kam ein klares Nein der Kinder. Ihnen sei furchtbar langweilig, sie hätten weder etwas zu spielen noch etwas, womit sie sich beschäftigen oder gar weiterbilden könnten.
Wir luden die beiden Jüngsten ein, am nächsten Morgen vorbei zu kommen, um die deutsche Sprache zu üben. Auch andere Kinder verneinten, dass sie in eine Schule gehen würden, obwohl sie schon mehrere Wochen und Monate in dieser Aufnahmeeinrichtung leben würden.
Nach kurzer Zeit kamen die ersten Fragen zur rechtlichen Situation, vor allem zu den Regularien rund um Dublin-Verfahren.
Viele Menschen kamen mit großen Hoffnungen auf Sicherheit in Deutschland an. Insbesondere die Menschen aus Afghanistan. Sie mußten hier ernüchtert feststellen, dass sie auch in Deutschland wahrscheinlich nicht bleiben können, es sei denn, sie finden eine Kirchengemeinde, die ihnen vorübergehendes Kirchenasyl gewähren würde.
Das Bedürfnis nach unabhängiger Beratung außerhalb des Lagerzaunes war groß.
Später fanden sich noch einige Asylsuchende, vornehmlich aus West- und Nordafrika am Lagerfeuer ein. Sie wohnten schon länger in dieser Erstaufnahmeeinrichtung, sahen für sich aber wenig Perspektiven und leiden darunter, nicht arbeiten zu dürfen. Einige fragten direkt danach, ob wir ihnen nicht Arbeit geben könnten, bis sie dann verstanden, warum und in welcher Funktion wir vor Ort sind.
Viele äußerten ihre Erleichterung und Dankbarkeit, wenn es auch nur 8 Tage sind, die wir vor Horst präsent sein werden. Wir schienen eine exotische Abwechselung im öden und isolierten Alltag in diesem Erstaufnahmelager.
Schließlich setzte gegen Abend der Regen ein, so dass sich die Bewohner*innen in ihre Zimmer zurückzogen. Es war schon dunkel, als ein bunter Kleinbus aus Hamburg hielt und eine Gruppe Bewohner ausstiegen. Mit dem Fahrer und der Beifahrerin unterhielten wir uns eine Weile. Sie erzählten uns, dass sie schon seit vielen Jahren zu den Heimspielen vom Fußballverein St. Pauli Bewohner*innen aus Horst abholen und zurückbringen.
Leider können sie nur die, die der Hansestadt Hamburg zugewiesen sind, mitnehmen. Diejenigen, die MV zugewiesenen sind, haben Residenzpflicht für den Landkreis Ludwigslust-Parchim und dürfen rechtlich gesehen noch nicht einmal ins 6 km nahe Lauenburg in Schleswig Holstein, sondern nur ins weiter entfernte Boizenburg.
Welche Gefühle werden durch diese Ungleichbehandlung innerhalb der Bewohner*innenschaft ausgelöst? Schikanöse Begrenzung der Mobilität am Rande des Niergendwo! In einem Land, das von sich behauptet, eines der freiheitlichsten Länder der Erde zu sein.
28. Januar 2018, Ernst-Ludwig Iskenius
Nach einer regnerischen und stürmischen Nacht mußten die Schäden zunächst beseitigt und aufgeräumt werden. Unser Versammlungszelt, das sich zum Wald hin "selbstständig" gemacht hatte, mußte neu gesichert werden, um besser den "kommenden Stürmen" standzuhalten.
Kaum waren wir fertig, kamen auch schon die ersten Bewohner*innen des Lagers mit ihren größeren und kleineren Anliegen:
Jemand wollte noch Kleidung, weil er am Tag vorher bei der Kleiderausgabe nicht dabei war; jemand brachte seine Tasse, um sich etwas heißes Wasser zu holen, denn auf seinem Zimmer hat er keine Möglichkeit zu kochen; eine Frau fragte nach Klebstoff, weil ihr ausgelatschter Schuh an der Sohle
auseinanderging und sie keine Möglichkeit hatte, sie reparieren zu lassen.
Im Laufe des Tages kamen immer mehr Bewohner*innen, die gerne eine unabhängige Beratung zu ihren Asylverfahren haben wollten. Offensichtlich ist das der größte Mangel dort.
Obwohl in der EU-Aufnahmerichtlinie vorgeschrieben, werden die Geflüchteten über ihre Rechte minimal oder gar nicht aufgeklärt. Die meisten, die vorsprachen, sind im Dublin-Verfahren, meist schon abgelehnt und suchen in ihrer Verzweifelung (die bis zu einem Suizidversuch gehen kann) einen
Ausweg, um einen langersehnten Schutz zu bekommen.
Gerade nach Afghanistan schieben Länder wie Finnland, Norwegen und Schweden noch schneller ab,
obwohl die Betroffenen in den meisten Fällen schutzbedürftig sind, weil sie um die Gefahr für Leib und Leben fürchten müssen.
Andere fürchten, nach Bulgarien, Rumänien oder Polen abgeschoben zu werden, wo sie z.T auf ihrem
Fluchtweg selbst erneut Gewalt und Gefängnis erlebt haben. Dies spielt im Dublin-Verfahren in Deutschland aber keine Rolle. Dass sie in die dortigen Behörden und Sicherheitskräfte kein Vertrauen haben, ist wohl klar.
Menschen, die traumatische Vorerfahrungen haben, werden in ihren Ängsten und Befürchtungen verstärkt und leben in ständiger Anspannung, Furcht und Stress, für den sie anscheinend in der Erstaufnahmeeinrichtung keine*n Gesprächspartner*in haben. Meheren solchen traumatisierten Personen sind wir am zwieten Tag der Mahnwache begegnet.
Es gibt zwar einen Arzt, der arabisch, deutsch und englisch spricht. Allerdings keine weiteren Dolmetscher*innen, die die Verständigungsbrücke zu ihm bilden könnten, wenn seine Patient*innen eine dieser Sprachen spricht. Er scheint mit den vielen Poblemen, mit denen er konfrontiert ist, überfordert zu sein. Jedenfalls klagen viele Besucher*innen der mahnwache, dass er auf ihre körperlichen und seelischen Beschwerden nicht eingeht und nicht zu entsprechenden Fachuntersuchungen weiter schicken würde.
Auf der Mahnwache bleibt uns in vielen Fällen nur die Möglichkeit, einfach zuzuhören. In einigen Fällen war eine deutliche Erleichterung zu spüren. Eine Frau bekannte, dass sie zum ersten Mal Gelegenheit hatte, über ihre traumatischemn Erlebnisse mit jemandem in Ruhe reden zu können, obwohl sie
schon mehr als 5 Monate hier im Lager lebt und dafür keinen Ansprechpartner gefunden hat.
Die Erstaufnahmeeinrichtung Nostrof-Horst ist nach außen viel zu isoliert, als dass sich genügend Menschen von außen in diese Einsamkeit verirren könnten. Aber auch die Einrichtung selbst schottet
sich ab, indem sie Außenstehende nicht ohne Kontrolle hinein läßt. Auch uns ist es verboten, die Einrichtung zu betreten. Die Menschen müssen draußen auf uns zugehen. Dazu müssen sie ihre Ausweise beim Sicherheitsdienst abgeben und verlassen den Rahmen der Anonymität.
Wir können nicht auf die Bewohner*innen zugehen. Entsprechend der EU-Aufnahmerichtlinie müssen alle, und besonders schutzbedürftige Flüchtlinge erst recht, das bekommen, was sie brauchen. Unter „besonders schutzbedürftig“ fallen auch traumatisierte Menschen, die Gewalt erlebt haben. Zumindest dieser Part ist in keinster Weise in dieser Erstaufnahmeeinrichtung umgesetzt: Es gibt nach unseren bisherigen Beobachtungen kein System, das Traumata erfasst.
Meist werden sie erst dann vereinzelt erfasst, wenn die Menschen in ihrer Verzweifelung auffällig werden. Wenn sie zum Beispiel akut Suizid(-versuch) begehen oder ausflippen.
Wie häufig das vorkommt, wissen wir nicht. Eine entsprechende Landtagsanfrage werden wir versuchen auf den Weg zu bringen.
Viel gravierender ist das versteckte Leid, das nicht zum Ausdruck kommt, weil es keine entsprechenden vertrauensvollen Ansprechpartner*innen gibt.
Hier sind niedrigschwellige Angebote dringend notwendig. Diese scheinen auf Grund der Bedingungen nicht umsetzbar.
Unsere Mahnwache kann lediglich aufzeigen, was nötig wäre. Dies umzusetzen ist nur möglich, wenn Isolation und Ausgrenzung aufgehoben werden und die Asylsuchenden die Möglichkeit bekommen, Teil des gesellschaftlichen Lebens zu werden.
Was über die Mahnwache hinaus geschehen muss, war am gestrigen Abend auch Thema bei einer Veranstaltung des Flüchtlingsrat Hamburg im Centro Sociale. Dort berichtete PRO BLEIBERECHT von dem, was wir die Tage zuvor über die schlechten Bedingungen gehört hatten.
Zudem diskutierten wir auf der Veranstaltung Strategien, wie die Situation verbessert werden könnte.
Die Schließung dieser Erstaufnahmeeinrichtung war eine der diskutierten Forderungen. Horst muss als eine offene Wunde für uns als Zivilgesellschaft gelten.
Gnaz praktisch wird uns am Freitag eine Frauengruppe in Horst besuchen und explizit die Lagerbewohnerinnen ansprechen.
Eindrücklich bleibt vom zweiten Tag: Einige Bewohner*innen berichteten uns, dass viele Menschen im Lager bereits resigniert haben und nicht mehr an Unterstützung und Hilfe von außen glauben. Unsere Mahnwache kann hier eine niederschwellige Bahnung sein, sich doch nicht aufzugeben, sondern neue Hoffnung zu schöpfen. Nur so kann der politischen Aganeda der Zermürbung entgegengearbeitet werden und das Vertrauen der Asylsuchenden in ihre eigene und gemeinsame Kraft gestärkt werden. Dazu bedarf es Zeit, nützliche und konkrete Informationen, Vertrauensaufbau und Begegnung. Das müssen wir als Recht einfordern anstatt uns dahin bringen zu lassen, es als zusätzliches Almosen zu betrachten.
Um 8.00 Uhr klopfte es an unsere Wohnwagentür. Ein Geflüchteter schaute vor seinem Interview beim Bundesamt vorbei. Wir wünschten ihm viel Glück.
Im Laufe des Vormittags kamen einige Menschen mit ihren Fragen vorbei: Ein Ehepaar, das sich über die Anforderungen im Asylverfahren kundig machen möchte; ein anderes Ehepaar, erst seit Kurzem in Horst, das nicht per Dublin-System abgeschoben werden will; Afghanen, die nicht in die skandinavischen Länder zurückgeschoben werden wollen, weil es von dort es direkt nach Afghanistan ginge.
Kettenabschiebungen sollten entsprechend des Völkerrechts nicht erlaubt sein. Aber da, wo es keinen Widerstand gibt, versucht man alles, um hinter der Fassade des Rechtsstaates Unrecht zu verschleiern. Jede*r der Menschen, die wir bisher getroffen haben, hat einen Grund Schutz zu ersuchen. Hilflosigkeit ist es, was sich dann bei Vielen breit macht, wenn sie die Antworten auf diese Schutzersuchen bekommen.
Später bringt eine Frau ihre Kinder vorbei, die es kaum vor Langeweile in den vier Wänden, die ihnen zugewiesen wurden, aushalten können. Wie froh und stolz waren diese Kinder, endlich ein Stück Papier mit Stift zum Malen zu haben. Ihr Bild trugen sie stolz zurück. Sie wollten es in ihrem Zimmer aufhängen.
Gegen kam ein Vater mit einem Freund, der von der Muttersprache ins Englische übersetzen soll. Er sei seit über zwei Monaten mit seiner Frau und seinem siebenjährigen Sohn in diesem Camp, noch immer im Dublin-Verfahren, ohne dass eine Entscheidung abzusehen ist. Darüber hinaus ist er beunruhigt, weil er in seiner Umgebung viel früher Entscheidungen erlebt. Für viele Bewohner*innen ist das System, der Weg zur Entscheidung völlig undurchsichtig. Aufklärung dazu fehlt.
Während des Gesprächs wurden weitere Alltagsbeschwernisse angesprochen: Die fehlende Beschulung des Sohns im Grundschulalter, der fehlende Deutschkurse, die stark reglementierten Essenszeiten, die Untätigkeit, das zu schlechte W-Lan. Dieses können die Bewohner*innen meist nur draußen nutzen, weil der Raum nur 8 Stunden am Tag geöffnet und dann überfüllt.
Dabei leiden die Menschen an der abseitigen, isolierten Lage. Das W-lan ist häufig die einzige Verbindung zur übrigen Welt, zur Familie, zu Freund*innen, zu Bekannten oder einfach um sich die notwendigen Informationen herunter zu laden..
Diese "kleinen" Beschneidungen und Einschränkungen im Alltag und dessen freie Gestaltung, das ist das, was an der Würde dieser Menschen rüttelt und sie häufig an ein Leben im Gerfängnis erinnert. Dieses Empfinden haben wir oft in den letzten Tagen gehört.
Am dritten Tag wurden wir zudem von zwei Journalisten besucht. Ein Lokalreporter, der ein Bild von der Mahnwache machte und sich über die wichtigsten Probleme aus unserer Sicht unterrichten ließ. Und ein Journalist einer überregionalen Tageszeitung, der sich lange mit einer englisch-sprachigen Bewohnerin unterhielt und anschließend ein Interview mit einem der PRO BELIBERECHT-Aktivisten führte.
Immer wieder schauen einzelne Leute neugierig ins unser Zelt oder kommen auf einen Schnack bei einer Tasse Kaffee oder Tee zum Gespräch vorbei. Alle scheinen froh zu sein, jemanden zum Zuhören zu haben, auch wenn die Verständigung rudimentär ist. Drinnen können sich viele wegen Mangel an Dolmetscher*innen überhaupt nicht verständigen. Sie haben offensichtlich nur mit "Amtspersonen" zu tun.
Gegen Abend bekamen wir Besuch aus Rostock. Die persisch-sprachigen unter ihnen nahmen Konatk zu Afghan*innen auf. Bald füllte sich das Zelt mit jungen Männern, einigen Frauen und mehreren Kindern. Zu trinken gab es Kaffee und Tee, ein Hefeteig wird kurzer Hand fertiggemacht, mit dem wir über dem Feuer später Stockbrot fertigten. Vertraute Musik wurde über die Box aufgedreht und schon wurde getanzt. Dioe Stimmung war für einige Stunden recht ausgelassen, offensichtlich genossen die Leute die Abwechselung.
Noch in dieser lockeren Atmosphäre kommen Gespräche mit zwei Müttern auf. Eine sorgt sich um ihren Mann, der im Krankenhaus liegt. Eine andere berichtet, dass ihr Kind mutmaßlich auf dem Fluchtweg missbraucht wurde. In beiden Fällen erfahren sie wenig Unterstützeng innerhalb des Erstaufnahmelagers, geschweige denn Entlastung, Diagnostik und Therapie.
Gehören diese Familien in ein solches Lager? Wie ist es um die Entwicklung, Sicherheit und ein normales Wachstum dieser Kinder bestellt?
Wir, die Zivilgesellschaft, sind gefordert, die Rechte dieser Kinder einzufordern. Um wieviel Kinder handelt es sich? Auf Nachfrage hören wir: "Bestimmt über 50 Kinder leben dort hinter dem Zaun", mit unsicheren, belasteten und teils überforderten Eltern, ohne Schule, ohne zusätzliche Betreuung, ohne kindliche Möglichkeiten zur Entfaltung.
Krieg und Flucht ist das eine, das Flüchtlingsdasein ein anderes. Entscheidend für die Prognose einer langfristigen gesunden oder kranken Entwicklung von Kindern ist nicht die Schwere der Traumata, sondern die Lebensbedingungen nach den eigentlich traumatischen Sequenzen. Entscheidend ist also die Phase, die der Kinderpsychiater Dr. Keilson bereits vor mehr als 50 Jahren als dritte traumatische Sequenz beschrieb.
Wird hier unbemerkt einer größeren Öffentlichkeit an einer Zukunft dieser Kinder gerüttelt?
30. Januar, Ernst-Ludwig Iskenius
Pünktlich zu Beginn des Tages fing der Regen an und es kam wie am 2. Tag zu stürmischen Böen. Die Infrastruktur hielt dem erheblich besser stand.
So scheint auch die Position der Bewohner*innen in dem für uns verschlossenen Camp zu sein: "Seit Ihr hier seid, ist die Security und auch das andere Personal viel freundlicher zu uns", bemerkte ein Bewohner bei einer Tasse Kaffee.
Die Infrastruktur wird mittlerweile mehr genutzt: Mangels Kochgelegenheit innerhalb des Camps brachte ein Bewohner einen Fisch vorbei, den er sich nach der Art seiner Heimat zubereitete und ins Camp zurückbrachte. Wenigstens einmal ein vertrautes leckeres Essen! Andere kamen, schauten neugierig vorbei und genossen einen trockenen Platz draußen unter dem Zelt, um ein lockeres Gespräch mit uns zu führen.
Jemand aus den kurdischen Bergen sagte, das erinnere ihn an die Zeit, als er in seiner Heimat noch mit seinen Freunden Ausflüge in die Wildnis gemacht hätte, und zeigte kurz darauf einige Bilder, die er wie einen wertvollen Schatz in seinem Handy gespeichert hatte.
Aktivierung von alten Erinnerungen und Anknüpfen an die schon "verschütteten" positiven Bilder sind der notwendige Balsam für die geschundene Seele. Davon ist wohl im isolierten und vom Größteil der Gesellschaft abgespaltenen Innenleben dieser Erstaufnahmeeinrichtung nur wenig zu spüren.
Auch in den gehäuften Beratungen trauen sich mehr Menschen von ihren schwierigen Flucht- und Kriegserfahrungen zu berichten. Die Rate der bisher unerkannt gebliebenen traumatischen Folgeerscheinungen, die sie sich auf ihrem Weg nach Deutschland zugezogen haben, scheint doch recht hoch zu sein. Gewalterfahrungen, denen die Menschen bisweilen unter Tränen endlich einmal freien Lauf konnten, könnten Bücher füllen. In dieser absurden Umgebung läßt sich das kaum aufarbeiten, höchstens eben andeuten.
Ein ganzes psycho-soziales Zentrum würde hier jeden Tag genug Arbeit finden. Aber das ist offensichtlich nicht gewollt: die Lebensbedingungen so schwierig und ausweglos zu machen, damit die Menschen zermürbt und resigniert ihren Traum von Sicherheit und einem neuen Leben nach all dem Grauen, was sie erlebt haben, aufgeben, das ist die erklärte Abschottungspolitik, die hier vor Ort brennglasartig ihren Ausdruck findet.
Was in den Köpfen der dort Beschäftigten vorgeht, wenn sie jeden Tag an unserer kleinen mahnenden Infrastruktur vorbei müssen, wissen wir nicht. Angesprochen werden wir nie. Kontakt mit ihnen aufzunehmen ist nicht möglich. Mit häufig versteinertem Blick läuft man möglichst eilig zum Auto oder zum Arbeitsplatz. Es ist offensichtlich auch von der Leitung der Einrichtung nicht gewünscht: Wir wurden mehrmals sofort verwiesen, wenn wir uns in die Nähe des Eingangs begaben.
Wie es scheint, sprechen die Mitarbeiter*innen kaum darüber, was sie täglich bei ihrer Arbeit erleben und verarbeiten müssen. "Manche von den Beschäftigten engagieren sich ehrenamtlich in unserer kleinen Begegnungsstätte, die für alle offen steht und auch von Geflüchteten genutzt wird. Aber über das Lager hier im Wald wird nicht gesprochen. Hier wird geschwiegen" berichtete uns eine Unterstützerin der Asylsuchenden aus der Umgebung.
Dieses Phänomen ist kein Unbekanntes: Auch in Militäreinrichtungen, in Waffenstädten wie Oberndorf, Flüchtlingsunterkünften oder sonstigen verschlossenen und isolierten Plätzen herrschat Schweigen.
Eine Polistin bemerkte heute, es gebe für die Asylsuchenden in Nostorf-Horst so viele Angebote, die es für die Menschen in den Ortschaften außenrum nicht gebe. Welche das seien, führte sie nicht aus.
Es bleibt festzustellen: Wenn es sie gibt, kommen diese "Angebote" nicht bei den betroffenen Geflüchteten an. Die, die zu uns kommen, zeichnen ein total anderes Bild.
Da für uns das Betreten des Lagers verboten ist, wir uns noch nicht einmal in der Nähe aufhalten dürfen, können wir uns kein eigenes Bild machen, wo die Realität wirklich angesiedelt ist. Einen freien Zugang für unabhängige NGO's und Gruppen wäre der einzige Weg, der unserer so oft beschworenen "offenen Gesellschaft" würdig wäre.
31. Januar, Ernst-Ludwig Iskenius
Zwar kalt, aber die Sonne scheint. Der Tag fängt schleppend an.
Dann geht es Schlag auf Schlag. Eine Gruppe junger Frauen meldet sich und möchte aus dem Lager berichten: Es sei dort nicht alles schlecht, aber es gibt manche Defizite, die den Alltag sehr belastend machen: Fehlende Seife auf den Gemeinschaftstoiletten; der Sicherheitsdienst, der ständig an die Tür klopft und kontrolliert, wodurch sie sich in ihrer Privatspäre gestört fühlen; die medizinische Versorgung, die sie als sehr eingeschränkt empfinden. Dem einzigen Arzt stehen keine Sprachmittler*innen oder Dolmetscher*innen zur Verfügung, sodass man seine Leiden kaum vorbringen könne.
Eine weitere Katastrophe sei die Versorgung mit Nahrungsmitteln. Sie sei von niedriger Qualität und ständig dasselbe, kaum Abwechselung. Die Frauen, die mit uns sprachen, befürchten, dass sie zu wenig Protein enthält und auch Zusatzstoffe wie Vitamine und Calcium. Als großen Mangel empfinden sie, dass sie nicht selbst kochen können und auch nicht flexibel essen können. Besonders für Kranke, Kinder und Menschen, die eine besondere Diät einhalten, ist das ein großes Problem.
Es wurde weiterhin bemängelt, dass es keinen regelmäßigen Sprachunterricht gibt; die Kinder nicht zur Schule gehen können und keinen eigenen Spieleraum hätten, sondern auf dem Flur herumtoben müßten. Besonders bei schlechten und kalten Wetter sei das eine schwierige Situation für alle.
Das Personal verhalte sich bis auf einige Ausnahmen korrekt und gut. Trotzdem sei es bedrückend. Insbesondere weil man nicht genügend Informationen habe und auch keine Ansprechpartner*innen, weil die dort Beschäftigten zuviel zu tun hätten.
So in etwa hatten andere Besucher*innen der Mahnwache die Dinge unabhängig von ihnenbereits geschildert. Allerdings empfinden manche die Isolation und Abgeschiedenheit noch wesentlich belastender ("like a prison…"). Das Nichtstun und die fehlende Tagesstrukturierung, die großen Stress bereitet; fehlende Ansprechpartner*innen, aber auch soviele Menschen auf einem so engen Raum, dass es immer wieder zu Konflikten untereinander führt.
Begeistert waren die drei Frauen, als wir vorschlugen am nächsten Tag mit anderen Frauen aus Hamburg zu kochen und dafür auch einzukaufen. Wie gerne würden sie wieder einmal ihr eigenes Essen zubereiten.
Später berichtete eine andere Frau über verdreckte Toiletten und fehlende Hygienemittel. Ein großes Problem sei es auch, dass sie nur alle 14 Tage ihre Bettwäsche wechseln können, insbesondere wenn die Kinder einmal ins Bett machen würden, dann hätten sie nichts zum Wechseln da. Die fehlende Betreuung durch Hebammen rund um die Geburt ist ebenfalls ein Thema, gerade, wenn es das erste Kind ist, das in einem fremden Land geboren wird. Eine Frau mit einem frischen Neugeborenen klagte über fehlende saubere Wannen, wo sie ihr Kind baden könnte, nicht an entsprechende Größe des Kindes angepasste Pampers und einen immer noch ausstehenden Schrank für die Sachen ihres Neugeborenen. Den Kinderwagen habe ihnen ein Freund besorgt, vom Sozialdienst des Camps habe sie keinen bekommen. Sie wünschte für sich und ihr Baby weitere Kleidung, weil sie da doch recht "kurz" gehalten würden.
Eine Frau berichtete, dass der Sicherheitsdienst in ihrer Abwesenheit in ihr Zimmer gekommen sei. Die Türen zu den einzelnen Zimmern könnten nicht abgeschlossen werden, was als großes Sicherheitsproblem angesehen wird.
Im Laufe des Nachmittags füllte sich das Zelt mit weiteren Besuchern. Langsam trauen sich die Bewohner*innen den Platz zum Kaffee und Tee trinken, zur Unterhaltung und zu anderen Aktivitäten zu nutzen. Es gibt offensichtlich auch Reaktionen auf die Mahnwache im Lager: Nicht nur dass das Personal freundlicher geworden sei, seitdem wir hier stehen würden, sie seien auch zum ersten Mal eingeladen worden, bei Gebäck, Tee und Kaffee zusammenzukommen. Wir schmunzeln und fragen uns: Wird hier unsere Idee kopiert?
Als die ehrenamtlich tätigen Sprachmittler*innen aus Rostock ankamen, gingen Beratungen bis in die späten Abendstunden weiter. Nicht nur Dublin-"Fälle", sondern auch einige bevorstehende Interviews zum Asylverfahren, für die dringend eine fachgerechte Vorbereitung gebraucht wird. Um die schrecklichen Erlebnisse im Heimatland und auf der Flucht adäquat erzählen zu können, bedarf es allerdings eines anderen Settings als das unserer Mahnwache. Trotzdem waren alle froh, endlich jemanden gefunden zu haben, der ihnen zuhören konnte. Weiterhin scheint genau das zu fehlen, obwohl es das wichtigste nach Gewalterfahrungen ist. Sich jemandem anvertrauen zu können und damit Sicherheit zu erfahren. Es ist ein wichtiges Betätigungsfeld, dass das Leben in dieser isolierten Lage erleichtern könnte und vielen die Schlaflosigkeit nehmen würde. Wie sagte heute abend jemand: "Solange ich hier bei Euch am Feuer sitze, fühle ich mich ruhig. Wenn ich in mein Zimmer zurückkehre, kehrt auch die innere Unruhe zurück, die mich nicht richtig schlafen läßt."
1. Februar, Ernst-Ludwig Iskenius
Das Wetter ist zumindest trocken, auch wenn es feucht-kalt ist. Der Stimmung tut das keinen Abbruch.
Es ist ein Gewusel von Menschen, das Weitere noch neugierig anzieht. Der Hamburger Flüchtlingsrat besuchte uns im Rahmen seiner 14-täglichen Beratungsstunde. Eine Gruppe von Women in Exile baute einen kleinen Tisch mit verschiedensten Sachen für Kinder auf. Eine Gruppe iranischer Frauen kaufte mit ihnen ein und kochte im Zelt iranisches Essen.
Musik hob zusätzlich die Stimmung. Das Feuer in der Feuerschale spendete den umstehenden Wärme, Kinder spielen, es kam zu einer Menge Gesprächen und Begegnungen.
Die gemeinsamen Beratungen und die enge Abstimmung zwischen Rechtsanwalt, Allgemeinarzt, Psychiater und psychotraumatologisch versiertem Arzt für Kinder und Jugendliche konnte zumindest in einigen Fällen helfen und Behandlungen in die Wege leiten, die sicher sonst auf die lange Bank geschoben oder erst gar nicht aufgenommen worden wären.
Einem Kind sehr kranken Kind kann vielleicht geholfen werden, ehe es im Dublin-Verfahren noch einmal innerhalb von Europa abgeschoben wird und dann der Kampf um eine fachgerechte Behandlung von neuem beginnen müsste.
Menschenrechtsaktivisten aus Afghanistan ermutigten die Menschen, ihre Rechte wahrzunehmen und Informationen untereinander zu verbreiten. Das große Versammlungszelt war heute am sechsten Tag ganz in der Hand der Geflüchteten. Sie organisieren die offene Küche, und offensichtlich sehr gerne. Kinder malten am Tisch, Frauen saßen zusammen und unterhielten sich.
Eine Frau, die gestern noch wie versteinert im Zelt sass, lächelte heute. Immer mehr Leute blieben stehen, schauten, tranken Kaffee und Tee, begannen zu tanzen, die Stimmung war ausgelassen.
In Boizenburg besuchten wir heute gemeinsam einen Raum, den wir in Zukunft als Untersuchungs- und Besprechungsraum nutzen können - für Gespräche, Erstuntersuchungen oder für Stellungnahmen. Dies könnte ein erster Ansatz für ein unabhängiges psycho-soziales Zentrum in der Nähe dieser Erstaufnahmeeinrichtung sein. Es gibt viele Ideen, wie wir in Zukunft von Hamburg und Mecklenburg kooperieren können. Es wird sicher nicht das letzte Mal sein, dass wir hier stehen müssen.
2. Februar, Ernst Ludwig Iskenius
Von vor Ort berichtet Ernst-Ludwig Iskenius. Er ist Arzt im Ruhestand und hat viele Jahre in einem Zentrum zur Behandlung für Folteropfer in Süddeutschland gearbeitet.
Warum nach Horst?
PRO BLEIBERECHT-Aktivistin Lena erzählt, warum es sich lohnt auch einen Blick für Asylsuchende in der Erstaufnahmestelle zu haben.
Was ist Dublin?
"Dublin" bedeutet, dass Asylsuchende im ersten Land, das sie in der EU betreten haben, einen Asylantrag stellen müssen.
Ein Interview zur Umsetzung und den Symptomen von Dublin-Abschiebungen, lest ihr hier.
Klage des Flüchtlingsrat Hamburg
Der FlüRa Hamburg klagt derzeit, unterstützt von PRO ASYL auf Zugang zur Erstaufnahmeeinrichtung. Die Presse-Erklärung dazu findet ihr hier.
Massenunterkünfte im Allgemeinen
Massenunterkünfte - ob nun Erstaufnahmestelle oder Sammelunterkunft - tun niemandem gut. Warum, lest ihr hier.
Weiterführende Informationen
Infos zu verschiedenen Fragestellungen rund um Erstaufnahmestellen finden Sie,
Positionspapier: Soziale Arbeit mit Geflüchteten in Gemeinschaftsunterkünften – Professionelle Standards und sozialpolitische Basis
BumF, UNICEF: Situation von Kindern und Jugendlichen in Erstaufnahmeeinrichtungen und Notunterkünften
Frauenhauskoordinierung e.V.: Gewaltschutz und Flucht
BafF: Frühfeststellung und Versorgung traumatisierter Flüchtlinge
Presse-Dokumentation zur Mahnwache
Pressemitteilung
24.1.2018: Einwöchige Mahnwache vor Horst - Schluss mit Ausgrenzung und Isolation!
Pressemitteilung
28.1.2018: Gelungener Start der Mahnwache vor Nostorf-Horst
Bericht in der lokalen SVZ-Ausgabe "Friedlicher Protest vor Flüchtlingsunterkunft"
Bericht in der TAZ "Lagerkoller im Niemandsland"
Die vorherrschende Bedeutung der Erstaufnahmeeinrichtung in Horst gewinnt die Einrichtung als “Schubraum” in der Lagersystematik nicht durch ihre örtliche Lage “bei Boizenburg”, sondern durch die Qualität als Instrument der Politik, die nicht auf Hilfe für Menschen ausgerichtet ist, sondern auf die Distraktion und die Verwaltung des eigenen Dilemmas der inhumanen, aber hochprofitablen internationalen Politik, für die auch “Berlin” eine grosse Verantwortung trägt. Ein so zu benennendes “psycho-soziales Zentrum” mit Bezug zum Lager in Horst ist mir bisher nicht bekannt; auch wäre mir neu, dass es in Boizenburg Bestrebungen gäbe, hier eine derartige Stelle zu etablieren. Es gibt ehrenamtliche Hilfe und Unterstützung für Menschen, denen es nicht gut geht. Das Eine ist aber nicht “mal eben” das Andere, und das Andere wächst auch nicht wie selbstverständlich aus dem Einen. Euren Bemühungen um die humanitäre Erneuerung der Politik für Menschen auf der Flucht vor dem Grauen wünsche ich Euch alles Gute. Söncke grüsst