Redebeitrag bei der Demo “Bis der Knast schließt!” in Glückstadt

Bei der Demo "Bis der Knast schließt!" am 21. Mai in Glückstadt haben wir den folgenden Redebeitrag gehalten.

Zur Abschiebehaft in MV

Wir sind heute aus Mecklenburg-Vorpommern angereist. Das Bundesland beteiligt sich mit 20 Haftplätzen am Knast hier in Glückstadt. Angesichts der vorgesehenen Zeit für den illegitimen Freiheitsentzug können also etwa 250 Menschen jedes Jahr aus MV über Glückstadt abgeschoben werden. Zur Orientieurng: Vor Corona wurden etwa 350 Leute/Jahr aus MV abgeschoben. Etwa 20-25 davon aus Abschiebehaft (in anderen Bundesländern) heraus. Die Abschiebehaft für MV soll also potentiell verzehnfacht werden!

Das verwundert nicht, wenn man weiß, dass das Innenministerium MV über Jahre von einem rechten Hardliner geführt wurde: Lorenz Caffier, ein Abschiebefetischist, der privat Kontakte ins Umfeld des rechten Preppernetzwerk Nordkreuz pflegte und sich dort sogar seine Hobby-Waffe besorgt hat.

Hier in Schleswig-Holstein entstand der Knast unter Federführung von CDU, Grünen und FDP. SPD SH und LINKE SH meckern bequem aus der Opposition heraus und betonen, dass sowas unter ihnen nie möglich wäre. In MV dagegen wurde der Knast unter Regierungsführung der SPD MV geplant und beschlossen. Heute wird er in Koalition mit der LINKEN fortgesetzt. Shame on you, SPD und LINKE in MV! Und an alle Genoss:innen von SPD und LINKE, sowie Jusos und Linksjugend aus Schleswig-Holstein, die heute hier sind: Macht euch ran an die Schwesterorganisationen in MV! Solange der Knast steht, muss er leer stehen!

Break Isolation!

Abschiebehaft ist Gewalt. Sie ist ein staatliches Zwangsmittel, das Menschen ihr elementares Recht auf Freiheit nimmt. Dieser Fakt wird hier in Glückstdat bunt angemalt und mit Schleife hübsch verpackt: "Wohnen minus Freiheit". Der Staat und die Verantwortlichen verschleiern damit die Gewalt, die sie Menschen mit Abschiebungen antun. Es ist die Gewalt, Menschen ihr Recht auf eine selbstbestimmte Existenz zu nehmen. Es ist die Gewalt, die Retraumatisierung oder drohende Repression im Herkunftsland bedeuten. Es ist die Gewalt, die Rassismus in den Betroffenen anrichtet, weil wir unterscheiden: Zwischen denjenigen, die ein Recht auf Freiheit und Selbstbestimmung haben und denjenigen, denen wir es absprechen.

Bisher wurden Leute aus MV aus Knästen in anderen Bundesländern abgeschoben, oft weit entfernt aus Bayern oder Baden-Württemberg. Daher hatten wir bisher wenig Kontakt mit den Betroffenen, denn von dort aus ist es schwierig sich an Unterstützer:innen in MV zu wenden - wo aber wiederum die verantwortlichen Schreibtischtäter:innen sitzen. Seit 2020 wurden dann einige Haftplätze in der JVA Neustrelitz genutzt. Ein Umstand, der an sich nicht mit der Rechtsprechung des EUGH vereinbar war, aber was solls: Erstmal machen bis sich jemand beschwert, so das Motto von CDU und SPD in MV.

Beschweren tut sich allerdings selten jemand in MV. Zumindest so, dass es auch öffentlich hörbar und sichtbar wird. Denn das Prinzip "Isolation" funktioniert gut bei uns. In den vergangenen Jahren wurde uns nur ein Fall von Abschiebehaft bekannt: Ein Mann, der direkt aus dem Aufnahmelager Nostorf-Horst abgeschoben wurde. Seine Partnerin nahm Kontakt zu uns auf. Wir konnten kaum mehr tun als einen kompetenten Anwalt zu vermitteln.

Solidarität muss praktisch werden!

Unterstützungs- und Infrastruktur sind im Flächenland MV dünn. Es gibt nur zwei große Städte im ganzen Bundesland: Rostock und Schwerin. Anfahrtswege zu Beratungsstellen sind weit. Ein Besuch dort kann schon mal 15€ kosten. Was etwa 5% der monatlichen Sozialleistungen von Asylsuchenden sind. Weraus MV im Abschiebeknast landet, ist also mit gewisser Wahrscheinlichkeit nicht schon vorher ausreichend zu aufenthaltsrechtlichen Perspektiven beraten worden.
Die Zivilgesellschaft in MV ist geprägt von staatlicher Finanzierung und entsprechend konformen Kritikstrategien. Wenige lehnen sich aus dem Fenster, denn stets steht im Raum: Wer zu laut Kritik übt, verliert die Fördergelder.

Umso wichtiger und hilfreicher ist es für uns, dass Leute hier in Glückstadt aktiv sind, zum Beispiel mit der Abschiebungshaftberatung Nord. Dass ihr unermüdlich die Bevölkerung aufklärt, dass ihr Netzwerke bildet und Bündnisse schmiedet, dass ihr mit der Besuchsgruppe Einfluss auf die Abschiebungen nehmen könnt. Wir stehen euch für Öffentlichkeitsarbeit und Aktionen in MV immer unterstützend zur Seite!

Bis der Knast geschlossen ist!
Bis jeder Abschiebeknast geschlossen ist!