Vom Reden und vom Machen – Rassismus und rechten Terror bekämpfen, aber wirklich!

In den vergangenen Wochen fanden überall in MV Gedenkveranstaltungen an die Opfer des rechten Terrors in Hanau - Gökhan Gültekin, Sedat Gürbüz, Said Nesar Hashemi, Mercedes Kierpacz, Hamza Kurtović, Vili Viorel Păun, Fatih Saraçoğlu, Ferhat Unvar und Kaloyan Velkov -  und Rostock - Mehmet Turgut - statt. Bei diesen Veranstaltungen traten pflichtbewusst auch Politiker:innen der SPD und bürgerlicher Parteien auf, um zu zeigen, wie wichtig sie es finden, sich rassistischer Gewalt entgegenzustellen.

Als Initiative, die sich vorrangig mit institutionellem Rassismus gegen Asylsuchende beschäftigt, finden wir das ziemlich heuchlerisch. Dieser Eindruck wurde bestärkt, als kurz vor dem Gedenken an Hanau öffentlich bekannt wurde, dass der beinahe-Terrorist und organisierte Nazi Franco A. erneut in Untersuchungshaft genommen wurde. Aus diesem Anlass im Folgenden ein paar Worte zu rechtem Terror, institutionellem Rassismus und Widerrufsverfahren beim BAMF.

Rassismus ist Gewalt, auf vielen Ebenen

Wir haben bereits in unserem Redebeitrag anlässlich des Hanau-Gedenkens in Rostock darauf hingewiesen, dass es nicht nur terroristische Gewalt ist, die das Leben von Menschen zerstört, sondern dass auch institutionelle rassistische Gewalt grausam ist und psychisch zermürbt. Institutionelle Gewalt schafft es selten in die Medien und sie ist den wenigsten weißen Menschen in Deutschland bewusst. Wir haben auch darauf hingewiesen, dass rassistische Gewalt auf der Straße stets mit institutioneller Gewalt verwoben ist. Das schlimmste Beispiel in Mecklenburg-Vorpommern ist die Gewalt der frühen 90er (u.a. in Rostock-Lichtenhagen), die dann 1993 zum sog. „Asylkompromiss“ (schweren Asylgesetzverschärfungen) führte und so von den bürgerlichen Parteien (CDU/CSU, SPD) legitimiert wurde. Über die Widerrufsverfahren für Syrer:innen beim BAMF haben wir bereits 2019 berichtet.

Vom Rechtsterrorist zu Widerrufsverfahren gegen Geflüchtete

CDU/CSU und SPD haben 2018 eine Gesetzesverschärfung verabschiedet, die massenhaft sog. Widerrufsverfahren möglich machte. Sie wollen damit vor jeder Verlängerung eines Schutzstatus überprüfen, ob der Grund für den Schutz noch besteht. Vor der Verschärfung geschah dies nur auf konkreten Verdacht hin, zB wenn sich die politischen Verhältnisse in einem Land geändert haben oder es Hinweise darauf gab, dass jemand beim BAMF nicht die Wahrheit erzählt hat.

Warum gab es die Gesetzesverschärfung? Ein Strang in der „Argumentation“ des Seehofer-Heimatministeriums war der „Skandal“ um das BAMF Bremen. Zur Erinnerung: 2015 hatten dort sehr viele Leute, v.a. Yezid:innen die vor dem Genozid durch den IS geflohen waren, Flüchtlingsschutz bekommen. Dem Innenministerium war die Anerkennungsquote zu hoch.

Ein zweiter Argumentatiosstrang war die Enttarnung von Franco A., einem rechtsextremen Terrorist bei der Bundeswehr, der eng an das Hannibal-Netzwerks angebunden ist. Er hatte als syrischer Flüchtling „verkleidet“ eine Anerkennung beim BAMF bekommen und wollte mit seiner syrischen „Identität“ Terroranschläge begehen und diese dann Geflüchteten in die Schuhe schieben, um Vorurteile gegen sie zu befeuern. Seine rassistische Gesinnung war in der Bundeswehr jahrelang bekannt, wurde aber kaum problematisiert.

Institutioneller Rassismus

Die Enttarnung von Franco A. führte NICHT dazu, dass sämtliche deutsche Soldat:innen in mehrstündigen Befragungen beim MAD antanzen mussten, um zu überprüfen, dass sie NICHT in rechte Schattennetzwerke bei der Bundeswehr verwickelt sind. Im Gegenteil, die Bundesregierung betonte immer wieder, dass eben nicht alle Soldat:innen Nazis sind. Die Enttarnung von Franco A. führte allerdings dazu, dass seitdem sämtliche anerkannte Geflüchtete zur Befragung beim BAMF vorgeladen werden, um zu überprüfen ob sie echte Flüchtlinge sind – oder fake, wie Franco.

Der rechte Terrorismus wird also nicht da bekämpft, wo er entdeckt wurde, sondern unter Geflüchteten? Klingt komisch, ist es auch. Diese krude „Logik“ funktioniert nur, weil antimuslimischer Rassismus und die Vorstellung vom „islamistischen Terror, der mit Geflüchteten nach Deutschland kommt“, tief in der Vorstellungswelt der deutschen Parteienlandschaft und Wähler:innenschaft verankert ist.

Seitdem werden jedes Jahr hunderttausende Menschen vom BAMF mit Widerrufsverfahren behelligt. Es trifft nicht nur anerkannte Flüchtlinge (Schutz vor politischer, religiöser, geschlechtsspezifischer und gruppenbezogener Verfolgung), sondern auch Leute mit Subsidiärem Schutzstatus (Schutz vor Folter, Todesstrafe, Bürgerkrieg) und mit Abschiebeschutz (Schutz vor Menschenrechtsverletzungen und zB wenn keine medizinische Versorgung im Herkunftsland möglich ist). Ein Schutzstatus - wie der Name sagt - verspricht Sicherheit, die Menschen brauchen um ihre emotionalen und körperlichen Wunden zu heilen. Ein sicherer Aufenthaltsstatus ist ein kleiner Baustein darin, Gewalterlebnisse zu verarbeiten und das eigene Leben wieder aufzubauen.

Ein Widerrufsverfahren zerschmettert diese vermeintliche Sicherheit. Es stellt die Betroffenen vor die Angst, dass ihnen die Aufenthaltserlaubnis genommen werden könnte. Es stellt sie vor die existentielle Angst abgeschoben zu werden an einen Ort und in eine Gefahr, die sie zurück lassen konnten. Es holt all die Erinnerungen wieder hoch, all die Menschen und Beziehungen wieder ins Bewusstsein, die man verloren hat.

Das BAMF stellt zudem alles ganz grundsätzlich in Frage: "Bist du DU – oder eine Fake-Identität? Hast du das wirklich erlebt, was du uns erzählst? Bist du sicher, dass es genauso war - übertreibst du nicht? Und könntest du es nicht vielleicht doch dort aushalten, wo du herkommst? Wie hoch ist die Tötungswahrscheinlichkeit dort - unter 1:1000? Nicht beachtlich."

Was das mit dem Gedenken an rechten Terror zu tun hat

Beim Gedenken an die Opfer rechten Terrors werden Poltiker:innen der SPD und bürgerlicher Parteien nicht müde zu betonen, wie wichtig es ist, rechte Gewalt zu bekämpfen. Die Gewalt, von der sie reden, ist dabei immer die Gewalt der „Extremen“, der Nazis, der Terroristen. Es ist nie die rassistische Gewalt, die sie selbst in Gesetzesform gegossen und so als Grundprinzip in unserer Gesellschaft verankert haben.

Wovon sie auch nicht sprechen, ist die Legitimation, die sie den rechten Terroristen aussprechen, wenn sie deren Ideologie in Gesetzesform gießen. Franco A. wollte als syrischer Flüchtling Terroranschläge begehen, damit die breite Bevölkerung Geflüchtete für Terroristen hält. Die Bundesregierung stellt jeden Geflüchteten unter Generalverdacht eine Scheinidentität und potentiell ein Terrorist zu sein (oder in abgeschwächter Version: Keine Schutzberechtigung mehr zu haben, also kein „richtiger“ Flüchtling mehr zu sein).

Die Widerrufsverfahren wurden 2018/19 zuerst bei allen diejenigen durchgeführt, die 2015/16 Anerkennungen bekommen haben. Also größtenteils Leute, die vor faschistoiden Islamisten oder Regimen geflohen sind, zB Daesh im Irak und Syrien und Assads grausamen Folterknästen. Es sind Menschen, die Anschläge, rechten Terror, Bombenangriffe und schlimmste Gewalt bis hin zum Völkermord und völkerrechtswidrigen Giftgasangriffen erlebt haben. Eine Anerkennung als Geflüchtete:r, als Verfolgte:r oder ein Abschiebeschutz sind eine Anerkennung der Gewalt, die man erlebt hat. Die Überlebenden und Angehörigen in Hanau betonen immer wieder, wie wichtig es ist, dass die Gewalt und der Schmerz, die man erlebt hat, schlichtweg anerkannt werden.

Rassistische Gewalt bekämpft man nicht, indem man bei Gedenkveranstaltungen große Reden schwingt. Rassistische Gewalt bekämpft man durch Taten. Für landes- und bundesdeutsche Politiker:innen der SPD heißt das in den kommenden paar Jahren erstmal: Den ganzen rassistischen Mist beheben, den sie mit der CDU/CSU zusammen Asylsuchenden und Geflüchteten aufgebürdet haben.