Den folgenden Artikel haben wir bereits 2020 veröffentlicht. Wir möchten ihn aber wegen eines aktuellen Anlasses nochmal hervorholen: Panorama 3 berichtete kürzlich aus Greifswald über das Thema, "Verfassungswidrig? Weniger Geld für alleinstehende Geflüchtete" (27.4.2021).
Ein Kommentar: Die Anwältin im Beitrag sagt, dass sie routinemäßig die Leistungssätze ihrer Mandant*innen überprüft und deren Recht einklagt, wenn sie falsch sind. Mit diesem sehr solidarischen Vorgehen ist sie in Mecklenburg-Vorpommern wahrscheinlich eine traurige Seltenheit. Gängig ist, dass Anwält*innen, die Asylverfahren vertreten, in Sachen Leistungen an Sozialrechtler:innen verweisen. Sozialrechtler:innen verweisen wiederum gerne zurück, denn das rassistische Asylbewerberleistungsgesetz ist ein extra Gesetz, mit dem sie sich meistens gar nicht auskennen.
Dafür sprechen auch die Zahlen: Im Beitrag werdet ihr erfahren, dass weniger als 1% der Betroffenen ihr Recht auf höhere Leistungen einklagen. Bei 2000 Betroffen in MV sind das etwa 20 Leute. Das zeigt sehr gut, wie die im Beitrag beschriebenen Ausschlussmechanismen funktionieren.
Das ist kein Versehen, sondern politisch kalkuliert. Asylsuchende werden in Samellagern systematisch isolatiert und von der Gesellschaft ferngehalten. Sie haben in den allermeisten Fällen kein Recht auf einen Deutschkurs. Die im Beitrag benannte Gesetzesverschärfung wurde 2019 von Horst Seehofer durchgedrückt. Durhcgedrückt? Ja: "Bewusst kompliziert gemacht". Damit keine*r mehr dazu Stellung nehmen kann, damit demokratische Kontrolle nicht funktioniert. Das ist Rassismus. Und den haben CDU/CSU und die SPD dann in Gesetzesform gegossen.
Wer sich für die Hintergründe des Asylbewerberleistungsgesetzes interessiert, dem*der sei wärmstens dieser Podcast der Refugee Law Clinics mit dem Anwalt Volker Gerloff empfohlen: "Wieso das AsylbLG ein Gesetz für Menschen zweiter Klasse ist". Gerloff findet deutliche Worte:
"Irgendwann werden wir diesen Unsinn überwinden. Das Problem heißt Rassismus. Wir haben jetzt eine stärker werdende Rassismusdebatte, die muss auch zum AsylbLG geführt werden. Und auch zu der Frage: Rassismus in Sozialbehörden und Sozialgerichten".
Wehrt euch gegen Lesitungskürzungen!
Widerspruch einlegen
- Legt Widerspruch beim Sozialamt ein. Das geht recht einfach. In etwa so: "Ich widerspreche dem Leistungsbescheid vom X.X.2020. In der Begründung berufe ich mich auf die Ausführungen des Landessozialgericht Mecklenburg-Vorpommern vom 11.5.2020 (L 9 AY 22119 B ER)."
- Geht zum nächstgelegenen Amtsgericht und holt euch einen "Beratungsschein". Dort füllt ihr einen Antrag aus, in dem ihr nachweist, dass ihr nur 316€ vom Sozialamt bekommt und nicht arbeitet. Den Antrag könnt ihr auch hier runterladen und gleich mit zum Amtsgericht bringen. Dann bekommt ihr einen "Beratungsschein".
- Mit dem Beratungsschein könnt ihr eine Beratung durch einen Anwalt/Anwältin aufsuchen, die auf Sozialrecht spezialisiert sind. Diese Beratung kostet nur 15€. Der*die Anwält*in kann euch mit dem Widerspruch und allem Weiterenhelfen. Zeigt den Anwält*innen das Urteil vom Landessozialgericht
Wenn ihr nicht wisst, wo das Amtsgericht ist und welche Anwält*innen auf Sozialrecht spezialisiert sind, fragt in der Migrationsberatung oder beim Jugendmigrationsdienst nach.