Einige iranische und kurdische Freund:innen, die hier in MV leben, haben in den vergangenen Wochen einen Offenen Brief erarbeitet. Diesen haben wir heute an die demokratischen Abgeordneten aus MV geschickt. Denn morgen steht das Thema "Unterstützung der Revolutionsbewegung im Iran" auf der Tagesordnung im Bundestag.
Sehr geehrte Dame und Herren,
wir sind Pro Bleiberecht MV, ein Netzwerk von iranischen Aktivist*innen und anderen antirassistisch aktiven Menschen in Mecklenburg-Vorpommern. In Anbetracht der aktuellen unmenschlichen Repressionen durch das iranische Regime gegen die Menschen, die für Demokratie und grundlegende Menschenrechte kämpfen, bitten wir mit diesem Brief um Ihre aktive Unterstützung für die iranische Revolution.
Seit 44 Jahren sitzt das iranische Volk im Gefängnis der Islamischen Republik. Schon vier Monate lang leisten viele Menschen in Protesten Widerstand gegen die Unterdrückung und fordern ihre Menschenrechte ein. Das iranische Regime reagiert darauf mit unmenschlicher Gewalt, Tag für Tag: Es hat angeordnet, Demonstrierende so schnell wie möglich hinzurichten. Es erschießt jeden auf der Straße, egal, ob es sich um Frauen, Männer, Kinder oder alte Menschen handelt. Es setzt Tränengas und kochendes Wasser ein, um die protestierenden Menschen zu vertreiben. Es schaltet das Internet ab, sodass nur noch interne Programme genutzt werden können, die ihrer strengen Kontrolle unterliegen. Während der letzten Abschaltung wurden über 1.500 Menschen getötet.
Das Leben jedes Einzelnen Menschen, der Widerstand leistet, ist gefährdet: Journalist*innen, Fotograf*innen, Künstler*innen, Vertreter*innen religiöser und ethnischer Minderheiten, Arbeiteraktivist*innen, zivile Aktivist*innen, Schüler*innen, die Liste findet kein Ende. Nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen wurden seit Mitte September mindestens 470 Demonstrat*innen getötet und mehr als 18.000 verhaftet. Einige Familien erhalten irgendwann die Leiche ihrer ermordeten Kinder, andere finden ihre toten Körper auf der Straße. Auch die Beisetzungs-Zeremonien fallen den Repressionen zum Opfer. Viele Menschen verschwinden in den iranischen Gefängnissen und niemand weiß etwas über sie. Auch Doppelstaatler*innen aus der EU sitzen in den iranischen Gefängnissen. Das Evin-Gefängnis – ein berüchtigtes Gefängnis für politische Gefangene – wurde von der Islamischen Republik in Brand gesetzt.
Am Donnerstag, den 8. Dezember 2022, wurde der 23-jährige Mohsen Shekari hingerichtet. Er wurde vom Islamischen Revolutionsgericht zum Tod durch den Strang verurteilt. Den zweiten Demonstranten, Majod Reza Rahnavrd, hat das Regime am Montag, den 12. Dezember 2022, im Alter von 23 Jahren in der Stadt Mashhad hingerichtet. Nika Shakrami wurde im Gefängnis vergewaltigt und brutal ermordet. Yalda Aghafazli beging nach ihrer Entlassung Suizid. Beide waren keine 20 Jahre alt.
Gleichzeitig nutzt die Regierung die Situation, um kurdische Gebiete zu attackieren. Die Kurd*innen im Iran werden schon lange von der Regierung unterdrückt und ausgebeutet. Diesen Text schrieb eine 12-Jährige Kurdin in Deutschland, die nur will, dass ihr Volk, dass ihr „Land“, endlich frei ist: „Ich hier als ein Kind, das gerade mal 12 Jahre alt ist, wünsche keinem in Iran oder auch in Kurdistan, dass sie nie wieder ihre Eltern oder auch Geliebten sehen können. Mein Vater war ein Opfer dieser schrecklichen Zeit: Er wurde verbannt von Kurdistan-Iran. Er wurde verbannt, weil er wollte, […] dass kein kleines Mädchen, was gerade mal 5 oder 6 Jahre alt ist, gezwungen wird, ein Kopftuch zu tragen. Er wollte, dass alle Menschen gleich behandelt werden […]. Er wurde für sein restliches Leben von seiner Familie getrennt. […] Wie würden sie sich fühlen das zu erleben? Ich will hier betonen, dass es sehr vielen Menschen aus Kurdistan Iran so ergangen ist. […] Ich betone, dass in Koya, eine Stadt im Kurdistan Irak, [seit dem 27.09.2022 von dem Iran] bombardiert wird. […] Ich bitte alle Städte, ganz Deutschland, diesen endlosen Krieg zwischen Kurdistan und den vier anderen Ländern zu stoppen. […]“
Wir fordern von der Bundesrepublik Deutschland eine Politik, die die vom iranischen Regime bedrohte Zivilbevölkerung schützt und unterstützt. Angesichts der grausamen und unmenschlichen Aktionen der Islamischen Republik ist es unglaublich, dass die iranischen Machthabenden und ihre Familienangehörigen Visa für Deutschland erhalten, während flüchtende iranische Bürger*innen kein Asyl in Deutschland bekommen. Wie viele Menschen müssen noch in Gefängnissen vergewaltigt werden, damit der Iran als unsicheres Herkunftsland gewertet wird? Wie viele Menschen sollen im Iran noch hingerichtet werden, damit die deutsche Regierung den Kindern dieser Politiker nicht erlaubt, nach Deutschland einzureisen und die hier lebende iranische Diaspora zu bedrohen? Wir Iraner*innen, die Gerechtigkeit und Menschenrechte verteidigen, wir fordern Sie nachdrücklich auf, die Einreise von Beamten der beschämenden Islamischen Republik und ihren Familien nach Deutschland zu verbieten. Eine Organisation wie das Mullah-Regime, die Terror betreibt, gehört auf die Terrorliste!
Politische Patenschaften für inhaftierte Demonstrant*innen und internationale Aufmerksamkeit können viele iranische Bürger*innen, einige davon Kinder, vor den drohenden Hinrichtungen retten. Doch diese alleine reichen nicht aus. Es müssen alle politischen und diplomatischen Mittel eingesetzt werden, um die Hinrichtungen zu stoppen und das iranische Volk in ihrem Kampf für Demokratie und gegen das diktatorische Regime zu unterstützen. Wir fordern daher, dass sich die Bundesregierung deutlich von der Islamischen Republik distanziert und die Beziehung verhärtet. Die bestehenden EU-Sanktionen gegen iranische Institutionen und Einzelpersonen sind ungenügend und die Bundesrepublik Deutschland ist ein wichtiger Handelspartner des Iran. Es liegt damit in Ihrer Hand, Druck auf die Islamische Republik auszuüben, um die Regierung zu schwächen. Alles andere ist ein Hohn für die Zivilbevölkerung, die für fundamentale Rechte kämpfen muss. Wie viele Menschen sollen im Iran noch durch das Regime verschwinden, damit Deutschland seine Importe und Exporte mit dem Iran einstellt?
Diese Sanktionen sind effektiv und sofort umsetzbar:
1) Die Revolutionsgarde muss auf die EU-Terrorliste
2) Targeted Sanctions gegen die gesamte Machtelite
3) Reduzierung der Handelsbeziehung auf ein Minimum
4) Schließung der Blauen Moschee in Deutschland
5) Schließung der Bankkontos der Regime-Politiker in Deutschland.
Wir alle wissen, dass der Iran Atomenergie produziert. Und wir alle wissen, dass der Iran ein gutes Verhältnis zu Russland hat. Je länger diese Regierung besteht, desto gefährlicher ist sie für die Welt. Verschließen Sie nicht aus wirtschaftlichem Kalkül die Augen vor den Menschen im Iran. Wir fordern die deutsche Bundesregierung auf, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um diese menschliche Katastrophe zu beenden.
Die Zurückhaltung der Ampel-Koalition steht demokratischen Werten grundsätzlich entgegen und ist mit einer feministischen Außenpolitik unvereinbar. Wer das Iranische Regime unterstützt, unterstützt die Verachtung der Menschenrechte, insbesondere die Rechte der Frauen.
Wir fordern: unterstützen Sie die iranische Revolution und nicht die Mullahs!
Mit freundlichen Grüßen,
Pro Bleiberecht MV &
Mitglieder der PDK-I in MV
Mitglieder der PDK-I in MV
Der Brief wurde verschickt an die demokratischen Abgeordneten
- Dietmar Bartsch & Ina Latendorf (DIE LINKE)
- Reem Alabali-Radovan, Johannes Arlt, Frank Junge, Anna Kassautzki, Erik Malottki & Katrin Zschau (SPD)
- Claudia Müller (Grüne)
- Hagen Reinhold (FDP)
- Phillip Amthor, Simone Borchart & Dietrich Monstadt (CDU)