Seit etwa einem Jahr ist der Abschiebeknast in Glückstadt in Betrieb, in dem auch Leute aus MV untergebracht werden. Am 21. Mai 2022 gab es eine Demo in Glückstadt unter dem Motto "... bis das Gefängnis wieder schließt!". Das haben wir zum Anlass genommen, um die regierenden Parteien in MV zu fragen: Wie steht ihr zu dem Knast?
Denn seit Regierungsantritt lassen SPD und LINKE in MV dazu wenig hören. Unsere Anfrage ging an Martina Tegtmeier und Michael Noetzel (innenpolitische Sprecher:innen), sowie Dagmar Kaselitz und Steffi Pulz-Debler (migrationspolitische Sprecherinnen).
Zur Erinnerung: Die SPD MV hat den Abschiebeknast in Glückstadt als Regierungsführung geplant und in Betrieb genommen. In Schleswig-Holstein meckern sie aus der Opposition heraus.
Unsere Anfrage vom 16. Mai 2022
Sehr geehrte Frau Tegtmeier,
sehr geehrter Herr Noetzel,
sehr geehrte Frau Kaselitz,
sehr geehrte Frau Pulz,
wir wenden uns hiermit an Sie als innenpolitische und migrationspolitische Sprecher:innen der Regierungsparteien in Mecklenburg-Vorpommern. Anlass ist eine kürzlich veröffentlichte Anfrage der Seebrücke Kiel u.a. an die SPD Schleswig-Holstein und die Linke Schleswig-Holstein bezüglich deren Positionen zum Abschiebegefängnis in Glückstadt. Beide Landesverbände in Schleswig-Holstein lehnen aus der Opposition heraus das Abschiebegefängnis ab und möchten es wieder schließen.
In Mecklenburg-Vorpommern sind Sie dagegen als regierende Parteien und Entscheidungsträger:innen verantwortlich für die Inhaftierung von Menschen aus Mecklenburg-Vorpommern, die über Glückstadt abgeschoben werden. Die SPD MV hat die Einrichtung des Gefängnisses in der letzten Legislaturperiode sogar mit auf den Weg gebracht. Seit Beginn der Planungen der gemeinsamen Abschiehaft von MV, SH und Hamburg ist in Glückstadt eine Verzehnfachung der Abschiebungen aus Haft heraus für MV vorgesehen.
Als antirassistische Initiative kritisieren wir Abschiebungen entschieden. Sie sind staatlich legitimierte Gewalt, die ein Mitte-Links-Bündnis keinesfalls zulassen oder umsetzen darf. Abschiebehaft beraubt die Betroffenen darüberhinaus durch den Freiheitsentzug eines wichtigen Grundrechts. Auch das kann nicht im Sinne einer fortschrittlichen Regierung in Mecklenburg-Vorpommern sein.
Wir möchten Sie bitten, uns Ihre Perspektiven auf das Gefängnis und die geplante Form beziehungsweise den geplanten Umfang der Nutzung während der aktuellen Legislaturperiode darzustellen.
Mit freundlichen Grüßen, Pro Bleiberecht in MV
Die Antworten
Wir dokumentieren hier die Antworten von LINKE MV und SPD MV.
Antwort der LINKEN MV vom 20. Mai 2022
DIE LINKE hat den Bau der Abschiebehaftanstalt immer abgelehnt und lehnt die Anstalt auch weiterhin ab. Flucht ist kein Verbrechen. Ein modernes Einwanderungsrecht, eine humane Flüchtlingspolitik erfordern andere Lösungen.
Initiativen wie Pro Bleiberecht, Seebrücke und andere antirassistische Initiativen sind und waren daher immer Partner:Innen in diesem Politikfeld. Es ist bedauerlich, dass jetzt mit Aussagen wie: „Made by SPD und LINKE“ der Eindruck in der Öffentlichkeit erweckt wird, DIE LINKE hätte an der Fertigstellung des Abschiebegefängnisses mitgewirkt. Die LINKE wird sich auch in Zukunft dafür einsetzen, Geflüchteten ein würdiges Leben in Mecklenburg-Vorpommern führen zu können.
Rechtlich sind Vereinbarungen zu beachten, die zwischen Schleswig-Holstein, Hamburg und der rot-schwarzen Regierung Mecklenburg-Vorpommerns zum gemeinsamen Betrieb dieser Einrichtungen in der Vergangenheit abgeschlossen wurden. Die Vereinbarungen, die ohne unser Zutun abgeschlossen wurden, sind auf eine langfristige Nutzung und Beteiligung der drei Länder ausgelegt.
Weiter ist zu beachten, dass die Asyl- und Ausländerbehörden Bundesgesetzgebung umsetzen. Dabei ist immer wieder festzustellen, dass den Behörden eingeräumtes Ermessen nicht oder nicht im Sinne der betroffenen Menschen ausgeübt wird. Diese Praxis wird von der LINKEN immer wieder und deutlich kritisiert. Eine Einwirkungsmöglichkeit auf das Behördenhandeln besteht jedoch nicht.
Politisch werden wir uns weiter für ein humanitäres Einwanderungsgesetz auf Bundesebene einsetzen und soweit es in unsere landespolitische Aufgabe fällt unterstützen. Im besten Fall wird der Betrieb der Abschiebehaftanstalt damit in Zukunft überflüssig.
Michael Noetzel
Steffi Pulz-Debler
Die Antwort der SPD MV vom 24. Mai 2022
Sehr geehrte Damen und Herren,
die Länder Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-HoLstein haben sich mit einem Letter of Intent im März 2018 darauf verständigt, dass Schleswig-Holstein eine eigene Abschiebungshafteinrichtung in Glückstadt errichtet und unterhält, die von den drei Ländern gemeinsam genutzt wird.
Abschiebungshaft ist eine bundesrechtlich vorgegebene freiheitsentziehende Maßnahme zur Vorbereitung der Ausweisung oder zur Sicherung der Vollstreckung der vollziehbaren Ausreisepflicht. Sie ist in § 62 Aufenthaltsgesetz geregelt und sieht als ultima ratio, wenn ein anderes milderes Mittel insbesondere zur Sicherung der Abschiebung nicht ausreicht, eine Inhaftierung des betroffenen Ausländers oder der betroffenen Ausländerin - auf der Grundlage eines richterlichen Beschlusses – vor. Gemäß § 62a Absatz 1 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes ist die Abschiebungshaft grundsätzlich in speziellen Hafteinrichtungen (Abschiebungshafteinrichtung) zu vollziehen. Damit setzt das Aufenthaltsgesetz die Regelung der EU-Rückführungsrichtlinie in nationales Recht um.
Mecklenburg-Vorpommern verfügt über keine landeseigene Abschiebungshafteinrichtung und war entweder auf das freiwillige Bereitstellen von Haftplätzen durch andere Länder angewiesen oder musste gar von Abschiebung betroffene Menschen in Justizvollzugseinrichtungen zusammen mit verurteitten Straftätern unterbringen. Da sich der ganz überwiegende Teil abschiebepflichtiger Personen der Abschiebung entzieht, stellt die Einrichtung in Glückstadt natürlich einen Beitrag zur Herbeiführung einer deutlich erhöhten Erfolgsquote bei Rückführungsmaßnahmen dar.
Die SPD in Mecklenburg-Vorpommern hat sich darauf verständigt, die Menschen, die eine Bleibeperspektive und einen Rechtsanspruch haben, in Deutschland zu bleiben, bei der Integration in die Gesellschaft so gut wie möglich zu unterstützen. Das heißt für uns aber auch, dass Menschen, die keine Bleibeperspektive haben, zurückgeführt werden sollen.
Der Koalitionsvertrag der Bundesregierung kündigt für die laufende Legislaturperiode die Einführung eines sogenannten „Chancen-Aufenthaltsrecht" an. Gemäß Koalitionsvertrag ist gesetzgeberisch hierzu Folgendes beabsichtigt:
Menschen, die am 1. Januar 2022 seit fünf Jahren in Deutschland leben, nicht straffällig geworden sind und sich zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung bekennen, sollen eine einjährige Aufenthaltserlaubnis auf Probe erhalten können, um in dieser Zeit die übrigen Voraussetzungen für ein Bleiberecht zu erfüllen (insbesondere Lebensunterhaltssicherung und Identitätsnachweis gemäß §§ 25 a und b AufenthG).
Der Landtag Mecklenburg-Vorpommern hat unter Bezugnahme auf die o. g. Ausführungen im Koalitionsvertag der Bundesregierung durch Beschluss vom 07.04.2022 die Landesregierung aufgefordert, den Beispielen anderer Länder zu folgen und einen Verwaltungserlass zu verfassen, der die Ausländerbehörden auffordert, bei Drittstaatsangehörigen, die die oben beschriebenen Kriterien erfüllen, Aufenthaltsbeendigungen zurückzustellen. Das Ministerium für Inneres hat die Landkreise dementsprechend informiert.
Mit freundlichen Grüßen
Martina Tegtmeier, MdL
Dagmar KaseLitz, MdL