Pressemitteilung: Recht auf Selbstschutz!

1.350 Menschen forden Schließung der Aufnahmeeinrichtungen in MV

Die antirassistische Initiative Pro Bleiberecht sammelte mit der online-Kampagne "Schutz vor Corona: Recht auf Abstand für Flüchtlinge in M-V!" innerhalb einer Woche mehr als 1350 Unterschriften, die die Schließung der Erstaufnahmestellen in M-V fordern. Die Unterzeichner*innen kreiden die Verschärfung der schlechten Bedingungen in den Aufnahmestellen für Geflüchtete durch das Infektionsrisiko mit dem SARS-CoV-2-Virus an. Darüber hinaus müssen Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten der Einrichtungen geschaffen werden, die Sicherheit gewährleisten und Überlastung vorbeugen.

"In den vergangenen Tagen wurde viel über die Aufnahmestellen berichtet und diskutiert. Was 1350 Unterzeichnende der online-Petition zeigen, ist, dass die Forderung nach Schließung breiten Rückhalt in der Gesellschaft hat", so Hanna Berth von Pro Bleiberecht. "Wir plädieren dafür, in der öffentlichen Debatte wieder auf den Kern des Themas zurückzukommen: Für Geflüchtete dürfen keine anderen Regeln gelten als für Deutsche. Wo das passiert, müssen wir von institutionellem Rassismus sprechen. Und den sehen wir, wenn Geflüchtete nicht die gleichen Rechte und Möglichkeiten haben, sich selbstbestimmt gegen das Virus zu schützen, wie der Rest der Bevölkerung."

Die Rahmenbedingungen in einer Aufnahmeeinrichtung stehen dem grundsätzlich im Weg:

  • In Mehrbettzimmern, Kantinen und Gemeinschaftsbädern hat man keine Kontrolle über das Ansteckungsrisiko. Man kann nicht verhindern, dass sich jemand weniger an Vorbeugungsmaßnahmen hält als man selbst. Eine Entzerrung auf vier Zimmerbewohner*innen, die nicht miteinander verwandt sind, entspricht nicht den Vorgaben zur Vorbeugung, die für den Rest der Bevölkerung gelten.
  • Die Petition fordert daher: Unmittelbare Verteilung der Geflüchteten auf die Kommunen und Gewährleistung von Einzelunterbringungen.
  • Menschen aus den Risikogruppen (über-65-jährige und Menschen mit Vorerkrankungen) sind im Corona-Konzept bisher nicht berücksichtigt.
  • Die Petition fordert, sie speziell zu berücksichtigen und in Wohnungen oder Hostels Unterbringungsmöglichkeiten zu schaffen, in denen Abstandsvorkehrungen eingehalten werden können.
  • Leistungskürzungen auf etwa 30€ pro Monat sehen Extra-Ausgaben für Masken oder Desinfektionsmittel nicht vor.
  • Die Petition fordert daher: Verteilung auf die Kommunen, wo viel mehr Handlungsspielraum besteht, sich selbst zu versorgen.
  • Die Form der Unterbringung schürt Rassismus in der Bevölkerung. Beispielsweise wurde der Busverkehr für die komplette Einrichtung  in Sternbuchholz.eingestellt, nachdem eine (!) Person die Selbst-Isolation missachtet hatte.
  • Darüber hinaus sollten bestehende Lücken in der Versorgung gefüllt werden: In den Aufnahmeeinrichtungen gibt es kein Konzept zur Versorgung "besonders schutzbedürftiger" Asylsuchender (gemäß Aufnahmerichtlinie), beispielsweise Menschen mit psychischen Erkrankungen. Diese treffen Isolation und Quarantäne mit besonderer Härte. Psychologische Versorgung muss gewährleistet werden.

Die Petition fordert daher: Gleiches Recht auf Selbstschutz! Schließung von Masseneinrichtungen! 
Die vollständige Petition finden Sie hier.

In Zeiten einer Pandemie, die insbesondere für ältere Menschen und solche mit Vorerkrankungen verheerende gesundheitliche Folgen haben kann, gewinnt die grundsätzliche Kritik an Kasernierung und Lagerunterbringung an Intensität: Masseneinrichtungen nehmen Menschen jegliche Möglichkeit über ihren Alltag - und das umschließt eben auch die Erhaltung ihrer Gesundheit - selbstbestimmt zu entscheiden. Entsprechende Kritikpunkte - die sowohl von Bewohner*innen, als auch von Mitarbeitenden und zivilgesellschaftlichen Akteur*innen vorgebracht werden - müssen inhaltlich ernst genommen und auf struktureller Ebene umgesetzt werden, anstatt sie zum Dreh- und Angelpunkt von Grundsatzdebatten über das Verhältnis von Staat und Zivilgesellschaft zu machen. Letzteres dient lediglich dazu die Legitimität von Kritik infrage zu stellen; das Kernproblem  - die verletzten Rechte und Belange der Geflüchteten und teilweise ebenfalls der Beschäftigten - wird dabei aus den Augen verloren.

Pro Bleiberecht solidarisiert sich in diesem Zusammenhang mit allen Initiativen, Vereinen und Akteur*innen, die sich in der aktuellen Situation für eine dezentrale Unterbringung von Geflüchteten in Mecklenburg-Vorpommern einsetzen.