Ne aducem aminte de Cristinel Dragomir, care a fost ucis brutal de către rasişti, în oraşul german Saal, pe data de 14 martie 1992.
Suntem oameni ce luptă împotriva rasismului în Landul Mecklemburg-Vorpomen şi suntem de părere că este ogligația noastră civilă, să ne aducem aminte de toate victimele rasismului.
Suntem in căutarea familiei, prietenilor și a apropiațiilor lui Cristinel Dragomir: gedenken[ätt]bleiberecht-mv.org
Am Abend des 14. März 1992 drangen zwischen 25 und 40 rassistische Jugendliche aus der näheren Umgebung in die Unterkunft für Asylsuchende in Saal bei Ribnitz-Damgarten und erschlugen Dragomir Christinel.
Wir suchen Menschen, die Dragomir Christinel, seine Familie oder Freund:innen kannten: gedenken[ätt]bleiberecht-mv.org
Über Dragomir Christinels Leben ist so gut wie nichts bekannt. Erst 2019 gedachten erstmals Antifaschist*innen von Pro Bleiberecht MV und dem Alternativen Jugendzentrum Kita vor der ehemaligen Unterkunft in Saal seines Todes. Wir wollen Dragomir Christinels Geschichte rekonstruieren und seines gewaltsamen Todes gedenken.
Hier findet ihr Plakate zum Selbst-Ausdrucken in Erinnerung an die drei geflüchteten Opfer rechter Gewalt, seit 1990 in Mecklenburg-Vorpommern: Dragomir Christinel, Mohammed Belhadj, Mehmet Turgut.
Niemand ist vergessen! Gedenken an Dragomir Christinel
Infoveranstaltung zum Jahrestag der Ermordung von Dragomir Christinel
Donnerstag, 16. März, 19 Uhr im Peter-Weiss-Haus Rostock
Anfang der 1990er werden in MV fast täglich Unterkünfte für Geflüchtete angegriffen. Meist isoliert am Stadtrand oder in Wäldern gelegen, sind die Lager ein leichtes Ziel für rechte Jugendliche und organisierte Neonazis. Die mediale und politische Hetze gegen Geflüchtete im Rahmen der „Asyldebatte“ tut ihr Übriges, von der Mehrheitsbevölkerung oder der Polizei haben Asylsuchende keine Unterstützung oder Schutz zu erwarten.
Auch als es im März 1992 Warnungen vor einem möglichen Angriff auf die Geflüchtetenunterkunft in Saal gibt, wird diese nicht zusätzlich geschützt. So kann eine Gruppe von 25 bis 40 rassistischen Jugendlichen am Abend des 14. März 1992 in das Lager eindringen. Sie greifen dort Geflüchtete an und erschlagen schließlich Dragomir Christinel. Er lebte seit dem Dezember 1991 als Asylsuchender in Rostock und besuchte in Saal Freund:innen.
Nach der Tat schließt der ermittelnde Oberstaatsanwalt Rassismus als Tatmotiv zunächst aus. Nur einer der Täter wird zu einer zweieinhalbjährigen Haftstrafe verurteilt. Bis heute gibt es keinen Gedenkort, der an den rassistischen Mord erinnert oder ein offizielles Gedenken. Mehr als 30 Jahre nach der Tat liegt es darum weiterhin an uns, über das Leben von Dragomir Christinel zu informieren.
Themen der Infoveranstaltung werden die Geschichte Dragomir Christinels, der Ablauf der Tat und die folgende Strafverfolgung sowie die aktuelle Situation des Gedenkens sein.
Forderungen von Pro Bleiberecht und AJZ Kita
- Errichtung und Finanzierung eines Gedenkorts von kommunaler Seite. Kommunale Politik muss an den schrecklichen rassistischen Mord erinnern und ihn aufarbeiten. Die Errichtung eines öffentlichen Gedenkortes kann hier der Anfang eines Prozesses sein.
- Einbezug von Angehörigen, Familie und Zeitzeug:innen von Dragomir Christinel in die Planung des Gedenkens und Anerkennung ihrer Forderungen aus Betroffenenperspektive.
- Etablierung einer jährlichen Gedenkveranstaltung an dem zu errichtenden Gedenkort. Als Erinnerung und Mahnung, als Zeichen gegen Neonazis und rassistische Gewalt, als Zeichen für die Würde eines jeden Menschen - unabhängig von Herkunft und Aufenthaltsstatus.
Wer war Dragomir Christinel?
Bis heute ist kaum etwas über das Leben von Dragomir Christinel bekannt. Eine der Ursachen dafür liegt im gesellschaftlichen Rassismus. Weder in der zeitgenössischen Berichterstattung zum Mord noch im folgenden Strafprozessen spielte Dragomir Christinel als Person eine Rolle.
Eine der beiden Ausnahmen ist eine Reportage der taz. Wenige weitere Informationen erhalten wir aus einem Beitrag von Spiegel TV, in dem ein Freund und Mitbewohner aus der Unterkunft erzählt. Dragomir Christinel wurde am 4. April 1973 im rumänischen Bistrița geboren. In der Dokumentation erfahren wir außerdem, dass Christinel wenige Wochen zuvor sein erstes Weihnachten in der Bundesrepublik feierte und gerne an Autos schraubte. Er lebte seit Dezember 1991 als rumänischer Asylsuchender in Rostock. In Saal war er zu Besuch bei Freunden. Teil des Films ist auch das einzige Foto, das wir von Dragomir Christinel kennen.
Video: Spiegel TV Magazin, Gewalttätiger Mob tötet rumänischen Asylbewerber, 02.04.2012.
Dragomir Christinels Tod
Bereits am Abend des 13. März 1992 hatte eine Gruppe von Jugendlichen aus der Umgebung vor einer Petersdorfer Disco zwei rumänische Geflüchtete bedroht, welche sich mit Messern verteidigten. Die beiden flüchtenden Rumänen wurden von den Angreifer*innen bis zur Geflüchtetenunterkunft in Saal verfolgt. Dort drohten sie dem Wachpersonal einen bewaffneten Überfall am nächsten Tag an. Der Wachschutz hatte offenbar auch das Schweriner Innenministerium darüber informiert. Trotz der Ankündigung verstärkten weder die Polizei noch das Ministerium die Sicherheitsmaßnahmen. Nachdem sich die Jugendlichen am 14. März 1992 bereits gegen 21 Uhr im benachbarten Petersdorf gesammelt und bewaffnet hatten, drangen sie auf ein Kommando des späteren Hauptangeklagten durch ein Fenster der Unterkunft ein und begannen das Gebäude zu durchkämmen. Während sich ein Großteil der Bewohner:innen in einem Gemeinschaftsraum zu einer Geburtstagsfeier versammelt hatte, trafen die Angreifenden in einem Zimmer auf den 18-jährigen Dragomir Christinel und einen weiteren Asylsuchenden.
Dieser wurde schwer verletzt und später im Krankenhaus behandelt. Eine anwesende Frau konnte fliehen. Einer der Täter griff Christinel an, der sich auf einem Bett mit einem Kissen zu schützen hoffte. Ein massiver Schlag mit einem "stumpfen Gegenstand" - in der Presseberichterstattung ist von einem Baseballschläger zu lesen - verletzte das Opfer jedoch tödlich an Hals und Kopf. Auf ihrem Rückzug schlugen die Angreifenden schließlich mehrere Scheiben der Unterkunft ein. Die vom Wachpersonal des Heimes benachrichtigte Polizei traf erst nach dem Überfall ein.
Nach dem Angriff fanden seine Freund:innen Dragomir Christinel tot in seinem Bett.1
Die juristische Aufarbeitung
Der Überfall auf die Unterkunft und der gewaltsame Tod Christinels gelangten – infolge einer Informationssperre des Innenministeriums – erst zwei Tage später an die Presse, nachdem die Polizei bereits 14 der insgesamt 21 namentlich bekannten Verdächtigen vernommen und drei der Angreifer*innen festgenommen hatte.2 Nach der Tat verkündeten Polizei und Staatsanwaltschaft, dass die Tat keinen politischen oder "ausländerfeindlichen" Hintergrund haben könne.3 Der damalige Innenminister von Mecklenburg-Vorpommern äußerte sich zwar in der Presse zu der Tat, ohne dabei jedoch auf den Ermordeten, dessen Familie oder Freund:innen Bezug zu nehmen.4
Der Prozess gegen die drei Haupttäter wurde drei Monate nach dem Mord eröffnet. Die Anklage lautete auf "schweren Landfriedensbruch mit Gewalttätigkeit gegen Menschen unter Mitführung von Waffen“ 5. Der 18jährige Johnny aus Ribnitz, der die tödlichen Schläge gegenüber Dragomir Christinel ausführte, wurde später zu einer zweieinhalbjährigen Haftstrafe ohne Bewährung nach Jugendstrafrecht verurteilt. Die Staatsanwaltschaft hatte sieben Jahre Jugendhaft ohne Bewährung gefordert. Unklar ist, ob das Urteil rechtskräftig wurde. Der Verteidiger kündigte damals Berufung an.6 Das Opfer spielte im Verlauf des Prozesses kaum eine Rolle.
Erinnern und Mahnen
Das Gedenken an Dragomir Christinel entwickelte sich aus einer spontanen Initiative und hat sich seitdem verstetigt. Wir möchten ermutigen: Recherchiert in eurer Umgebung. Vergesst nicht die Namen und die Leben der Opfer rassistischer Gewalt. Erinnern heißt verändern.
2020 gab es erstmals zwei öffentliche Informationsabende in Rostock und Ribnitz-Damgarten. Insbesondere für den sehr persönlichen Austausch mit Ribnitz-Damgartener:innen darüber, wie sie die 90er Jahre und rechte Gewalt erlebt haben, sind wir dankbar.
Am 14. März 2020 fand erstmals mit etwa 50 Teilnehmenden eine Mahnwache zum Gedenken an Dragomir Christinel vor dem Rathaus statt. Ein Kranz wurde niedergelegt. Verschiedene Akteur:innen der Zivilgesellschaft hielten Wortbeiträge und griffen die Forderungen vom AJZ Kita und Pro Bleiberecht auf.
Nachdem wir uns ein Jahr lang darum bemüht haben, hat endlich im Februar 2022 das erste Gespräch mit der Stadt Ribnitz-Damgarten stattgefunden, in dem wir unsere Forderungen vorbringen konnten. Für die Organisation einer dem 30jährigen Todestag angemessenen, größeren Veranstaltung war das natürlich viel zu spät. Wir hoffen dennoch dringend, dass aus dieser beginnenden Kooperation ein würdevolles öffentliches Gedenken entsteht.
Das Erinnern an rassistische Verbrechen der Vergangenheit ist ein wichtiger Beitrag, um rechte und autoritäre Ideologien in der Gegenwart zu bekämpfen. Rassismus und rechte Weltbilder gehen immer mit Gewalt einher. Für viele Migant*innen und Asylsuchende bedeutet Mecklenburg-Vorpommern genau das: die Gefahr rassistischer Gewalt, Beleidigungen, Bedrohungen. Wir müssen uns bewusst machen, dass rechte Gewalt ein Teil dieser Gesellschaft ist, den wir fortwährend zurückdrängen müssen.
Das bislang fehlende öffentliche Erinnern an Dragomir Christinels Leben und Tod macht sehr deutlich, wie wenig Interesse in Mecklenburg-Vorpommern seitens der Landeregierung und kommunaler Akteure an der Aufarbeitung der rassistischen Angriffe in den 1990er Jahren besteht. Zwar gibt es mittlerweile offizielle Erinnerungsorte für das Pogrom in Rostock-Lichtenhagen Rostock-Lichtenhagen und für Mehmet Turgut in Rostock-Toitenwinkel - was gut und wichtig ist. Doch andere Orte und andere Namen bleiben kaum erinnert. Dragomir Christinel ist einer von ihnen.
Kontext: Flucht aus Rumänien
Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion flohen viele Menschen aus ehemaligen Ostblockstaaten in andere europäische Länder. In Mecklenburg-Vorpommern kamen Anfang der 1990er zum Beispiel viele Menschen aus Rumänien und Ex-Jugoslawien an. Sie flohen vor Bürgerkriegen und extremer Armut. Besonders unter den rumänischen Geflüchteten waren viele Rom:nja, die in ihren Heimatländern zusätzlich rassistischer Gewalt ausgesetzt waren.
Das wiedervereinigte Deutschland reagierte mit Asylrechtsverschärfungen und zahlreichen Regelungen, welche besonders die Einreise aus Rumänien verhindern sollen. Anfang 1992 bestand für Rumän:innen quasi keine legale Möglichkeit mehr, nach Deutschland zu kommen. Den Menschen blieb nur, den Weg über die Grenze mithilfe von "Schleusern" zu wagen.7 Dabei starben immer wieder Geflüchtete, die beispielsweise in der Oder ertranken. In den Nadrensee an der deutsch-polnischen Grenze wurden am 29.06.1992 die beiden Rumänen Grigore Velcu und Eudache Calderar beim Grenzübertritt von deutschen Jägern erschossen.8
Wenige Monate nach dem Pogrom in Rostock-Lichtenhagen im August 1992 schlossen die deutsche und die rumänische Regierung ein sogenanntes "Rückübernahmeabkommen" ab. Dieses sollte es erleichtern, Geflüchtete nach Rumänien abzuschieben. Nach dem im Mai 1993 geschlossenen Asylkompromiss verließen dann viele rumänische Geflüchtete Deutschland, um so der sicheren Abschiebung zu entgehen. Durch die Regelungen der "sicheren Herkunftsländer" und "Drittstaaten" war nun endgültig klar: Egal wie die Situation dort ist - für Rumän:innen würde es in Deutschland kein Asyl geben.9
Kontext: Rassistische Angriffe auf Geflüchtetenunterkünfte in MV
Der Angriff auf die Unterkunft in Saal war einer von 157 rechten Angriffen auf Asylsuchende und Linke im Jahr 1992 in Mecklenburg-Vorpommern und einer von mehr als fünfzig Angriffen auf Geflüchtetenunterkünfte in diesem Bundesland.10 Auch in Rostock-Lichtenhagen, wo im August 1992 drei Tage lang die Zentrale Aufnahmestelle für Geflüchtete und ein Wohnheim ehemaliger Vertragsarbeiter:innen aus Vietnam angegriffen wurden, waren rumänische Geflüchtete Ziel der Gewalt. Besonders gegen Rom*nja aus Rumänien richtete sich bereits im Vorfeld massive rassistische Hetze in den Medien und von Politiker:innen.
Gegen diese potentiell tödliche Gewalt verteidigten sich einige der Angegriffenen: am 14.04.1992 wehren Geflüchtete in Gelbensande beispielsweise einen Angriff mit "Knüppeln" und "Drohgebärden" ab.11 Bei der Selbstverteidigung gegen rechte Gewalt wurden die Geflüchteten in Gelbensande auch von Rostocker Aktivist:innen unterstützt.12 Nach mehreren Angriffen auf die Unterkunft in Bahlen fliehen die dort untergebrachten 140 Asylbewerber über die ehemalige innerdeutsche Grenze nach Lauenburg, wo sie unter anderem eine Protestdemonstration organisieren.13
Nachweise