Redebeitrag vom Landesjugendring
Kurz vor dem neuen Jahr möchten wir an dieser Stelle auf die fehlende Beschulung von derzeit etwa 90 Kindern in den Erstaufnahmeeinrichtungen Horst und Sternbuchholz hinweisen. Wir veröffentlichen hierzu den Redebeitrag des Landesjugendrings auf der Kundgebung am Tag der Menschenrechte. Vielen Dank für das Engagement an den LJR!
Liebe Freundinnen und Freunde, liebe Kolleginnen und Kollegen,
anlässlich des Tag der Menschenrechte sind wir heute hier in Stern-Buchholz zusammengekommen, um für „human rights“ überall auf dieser Erde und für jeden Menschen zu demonstrieren, denn die Menschenrechte sind die Basis unseres Zusammenlebens.
Ich darf heute hier als Vorstandsmitglied des Landesjugendrings Mecklenburg-Vorpommern sprechen, bei welchem wir nicht nur durch die Arbeit unserer Jugendverbände tagtäglich für die Menschenrechte einstehen, sondern auch mit unserem Projekt „Jugend kommt an“.
Nun sind wir als Jugendverbände in Mecklenburg-Vorpommern vor allem für die außerschulische Arbeit mit Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen zuständig, doch verlieren wir dabei nicht den Blick auf das, was in unseren Schulen momentan so passiert.
Gerade mit Blick auf die Situation von Geflüchteten stellen nicht nur wir fest, dass gerade das Land Mecklenburg-Vorpommern noch einige Dinge verbessern könnte, damit jedem Menschen, die*der in Mecklenburg-Vorpommern ankommt bzw. lebt, das Recht auf Bildung nicht verwehrt wird.
Gerade für Kinder und Jugendliche ist es erforderlich sie möglichst zeitnah nach ihrer Ankunft in Mecklenburg-Vorpommern grundlegend zu beschulen. Denn durch die Beschulung wird ein wichtiger Teil der Integrationsarbeit geleistet.
Nicht nur, weil die Schule einen festen Rahmen und Tagesablauf vorgibt, sondern weil durch die
Beschulung soziale Kontakte zwischen Kindern und Jugendlichen außerhalb der Erstaufnahmeeinrichtungen entstehen können.
Wie ist aber die Situation in der Beschulung von minderjährigen Kindern und Jugendlichen in den Erstaufnahmeeinrichtungen des Landes Mecklenburg-Vorpommern?
In einer Befragung der Bundesländer durch das Deutsche Institut für Menschenrechte aus dem Jahr 2017 lautet die Antwort der Landesregierung auf die Frage: „Ab wann gilt die Schulpflicht für Flüchtlingskinder?“ folgendermaßen: „Kinder von Asylbewerbern sind dann schulpflichtig, wenn sie einer Gebietskörperschaft zugewiesen worden sind.“
Die Landesregierung sagt somit, dass eine Beschulung von minderjährigen Kindern und Jugendlichen in den Erstaufnahmeeinrichtungen erst in den Kommunen durchgeführt wird, „denn dort können die für die Beschulung erforderlichen personellen und sachlichen Ressourcen flexibler zur Verfügung gestellt werden.“
Wir finden, mit der Beschulung zu warten, bis Kinder und Jugendliche in den Kommunen angekommen sind, ist nicht der richtige Weg.
Wir fordern die Landesregierung deswegen dazu auf, die Beschulung von minderjährigen Kindern und Jugendlichen zumindest nach dem Schleswig-Holsteinischen Vorbild durchzuführen.
Das Land Schleswig-Holstein sagt in der Synopse des Deutschen Instituts für Menschenrechte nämlich, dass „für jedes Kind und jeden Jugendlichen im Alter zwischen sechs und achtzehn Jahren die Schulpflicht gilt, und zwar unabhängig vom Aufenthaltsstatus“.
So findet in Schleswig-Holstein bereits in den Erstaufnahmeeinrichtungen ein schulisches Angebot statt. Schüler*Innen werden bei den ersten Schritten der sprachlichen, schulischen und gesellschaftlichen Integration unterstützt und in individualisierten Lernprozessen auf die weitere Beschulung durch die DaZ-Zentren vorbereitet.
Wenn ein solches schulisches Angebot in Schleswig-Holstein möglich ist, warum kann es dann nicht auch in Mecklenburg-Vorpommern möglich sein, junge Menschen früh und zeitnah mit schulischen Abläufen und Integrationsmaßnahmen vertraut zu machen.
Ein solches schulisches Angebot würde übrigens auch deutlich machen, dass sich auch das Land Mecklenburg-Vorpommern zum Artikel 14 der EU-Aufnahmerichtlinie bekennt, in welchem geregelt ist, dass „die Mitgliedstaaten minderjährigen Kindern von Antragsteller*Innen und minderjährigen Antragsteller*Innen in ähnlicher Weise wie den eigenen Staatsangehörigen den Zugang zum Bildungssystem gestattet.“
Jetzt kennen wir die Fragen der Politik, wie denn ein schulisches Angebot geschaffen werden soll für minderjährige Geflüchtete, wo wir doch im gesamten Bundesland einen, teilweise eklatanten, Fachkräftebedarf an Lehrenden in den Schulen haben?
Unsere Antwort darauf ist, dass vor allem eine verfehlte Bildungspolitik in den vergangenen Jahrzehnten eben für diesen Fachkräftemangel erst gesorgt hat. Und für die Aufgaben in der Bildungspolitik sind nicht wir verantwortlich, sondern die Politik ganz alleine. Jeder Mensch hat ein Recht auf Bildung und in diesem Recht lassen wir uns nicht dadurch beschneiden, dass die Regierungsparteien es versäumt haben, Nachwuchskräfte für die Schulen im Land auszubilden bzw. langfristig in Mecklenburg-Vorpommern zu halten.
Schule ist ein wichtiger Ort für Integration und Schule kann neue Kontakte für minderjährige Kinder und Jugendliche schaffen. Durch die Beschulung hätten die Kinder und Jugendlichen einen leichteren Zugang zu den Angeboten der außerschulischen Jugendbildung. Könnten dann zusammen mit Freundinnen und Freunden auch die Angebote der Jugendverbände, sowie der offenen Kinder- und Jugendarbeit in Mecklenburg-Vorpommern kennen lernen und nutzen und dabei dann auch die Bildungsveranstaltungen von uns kennen lernen und ein Teil der Jugendverbandsarbeit werden.
Deswegen möchte ich abschließend meine Forderung an das Land noch einmal ausdrücklich betonen:
Liebe Landesregierung, ermöglichen Sie die Beschulung von minderjährigen Kindern und Jugendlichen auch schon in den Erstaufnahmeeinrichtungen und stellen sie schulische Angebote für alle zur Verfügung.
* Herzlichen Dank an Bildwerk Rostock für das Titelbild zum Beitrag. Aufgenommen beim Soli-Fest vor Nostorf-Horst im Juni 2018.