Redebeitrag auf der Demo am 8. Dezember in Kiel
Auf der Demo in Kiel am 8.12. war PRO BLEIBERECHT mit einem Redebeitrag vor Ort. Diesen Möchten wir euch hier zum nachlesen zur Verfügung stellen.
Schön, dass ihr alle hier seid und hier auf die Straße bringt, was gesagt werden muss: In Glückstadt darf es keinen Abschiebeknast geben! Weil es auch sonst nirgends Abschiebeknäste geben darf!
Ich spreche hier für PRO BLEIBERECHT eine antirassistische Initiative aus Mecklenburg-Vorpommern. Unser Anliegen ist es, in MV einen kritischen Diskurs zu den wiederholten Asylrechts-Verschärfungen sichtbar und hörbar zu machen.
Flucht ist kein Verbrechen!
Bis 2014 wurden Leute, die aus MV abgeschoben werden sollten, in der Justizvollzugsanstalt Bützow untergebracht. Bützow liegt in der Nähe von Rostock und ist neben der JVA nur noch bekannt für die ansässigen Nazistrukturen.
Die Zustände im Knast waren schlecht: Zellen mit Doppelstockbett, Tisch, Stühle, Spind und Waschbecken. Eine Toilette in der Zelle, die nicht abgetrennt war. Der Abschiebungshafttrakt war ein Flur innerhalb der JVA und nur durch Bretter oben und unten vom restlichen Vollzug abgeschirmt. Duschmöglichkeiten gab es lediglich an zwei Tagen pro Woche.
Die Abschiebehaft in Bützow wurde 2014 beendet. Anlass war ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs, das es verbietet Abschiebehäftlinge mit Strafgefangenen unterzubringen. MV nutzte danach Plätze in Eisenhüttenstadt und anderen Bundesländern mit.
Anstatt sich damals zu überlegen, ob Abschiebehaft überhaupt eine angemessene Maßnahme ist, begann man überall im Land neue Abschiebeknäste zu bauen, zum Beispiel in Büren (2015), Eichstätt (2017), Erding (2018) – Knäste eben, in denen ausschließlich Ausreisepflichtige untergebracht sind. Gewürzt mit etwas Schönrederei a la „Wohnen minus Freiheit“ wird das nun politisch als fortschrittliches Projekt verkauft.
Doch das ist es nicht. Abschiebehaft schürt Vorurteile und trägt im öffentlichen Diskurs zu einer Stigmatisierung von Geflüchteten und Migrant*innen als „Kriminelle“, als „Täter“ bei.
Ihr „Verbrechen“: Migration. Das Streben nach einem Leben in Würde und Freiheit.
Wir widersprechen jeder Schönrederei und werden die Einrichtung weiterhin als genau das bezeichnen, was sie ist: Ein Abschiebeknast! Und Abschiebeknäste darf es nicht geben!
Diese Einrichtung darf nicht gebaut werden. Denn sie wird nicht gebraucht.
Was wir bundesweit überall dort beobachten können, wo Abschiebeknäste gebaut werden, ist, dass dann auch die Zahl der Abschiebungen durch diese Einrichtungen steigt. So zum Beispiel in Hamburg.
Fakten
Aus Mecklenburg-Vorpommern wurden 2017 526 Menschen abgeschoben. In Glückstadt wird MV 20 Plätze vorhalten, mit einer angestrebten durchschnittlichen Verbleibdauer von 30 Tagen (SHZ-Artikel vom 9.11.2018, "Details zur Abschiebeanstalt"). Das heißt: 240 Menschen können aus MV jedes Jahr durch Glückstadt abgeschoben werden – im Schnitt.
240, das ist die Hälfte der Menschen, die im vergangenen Jahr insgesamt aus MV abgeschoben wurden! Im selben Zeitraum saßen dagegen lediglich 24 Menschen in Abschiebehaft in anderen Bundesländern.
Wir sehen hier, was das Projekt am Ende tun wird: Es wird die Frage nach der Verhältnismäßigkeit der Mittel aufweichen. Es wird Freiheitsentzug zu einer bitteren Realität für hunderte Menschen machen.
Ich betone nocheinmal: Flucht ist kein Verbrechen!
Dieser Abschiebeknast steht in einer langen Reihe von Abschottungsmaßnahmen und des sogenanntem „Rückkehrmanagments“ durch die Innenministerien. Inspiriert vom Gutachten der Unternehmensberatung McKinsey fährt das Bundesinnenministerium derzeit eine Rückkehr-Kampagne auf riesigen Plakatwänden, die sogar die Provinz in MV erreicht hat. Die Landesregierung MV leistet sich zudem eine Rückkehrberatung in den Erstaufnahmestellen durch Diakonie und Caritas. Auch solche Ausreiseberatung von Anfang an empfahl McKinsey 2016 im Dienste des sogenannten „integrierten Rückkehr-Managments“. Aus der Analyse, dass die meisten Abschiebehaft-Anträge abgelehnt werden, leiten sie im gleichen Dokument nicht etwa ab, dass Abschiebehaft rechtlich eben das letzte Mittel ist und bleiben soll. Nein: Sie geben den Tip die Haftanträge künftig anders zu formulieren.
Freiheit ist keine Ware, die man managen kann und möglichst billig verteilt! Gesetze und Freiheitsrechte dürfen nicht nach Unternehemnslogik bestimmt werden, sondern immer am Maßstab der Menschenrechte! Nämlich: Freiheit, Gleichheit, Solidarität!
Freiheit, Gleichheit, Solidarität!
Kommen wir nun zu dem Grund, warum unser Redebeitrag genau hier stattfindet, in Sichtweite zum Büro der SPD Schleswig-Holstein:
Die Landesregierung von Mecklenburg-Vorpommern hat sich entschieden den Knast in Glückstadt mitzufinanzieren. Ein bequemes Projekt: Man versucht in Sachen Asylpolitik sowieso die AfD rechts zu überholen, heizt weiter die rassistische Stimmung in MV an, zahlt etwas Geld, und spart sich Ärgernisse mit einer lästigen öffentlichen Debatte im Landtag. Denn MV wird kein Abschiebehaftvollzugegsetz erlassen, wie es derzeit im entsprechenden Ausschuss in Schleswig-Holstein debattiert wird. Möglicherweise wird es einen Erlass dazu geben, aber die werden in MV nicht veröffentlicht, außer jemand fragt ganz explizit danach. Transparenz – das war eben noch nie die Stärke des CDU-geführten Innenministeriums.
Die parlamentarische Debatte in Schleswig-Holstein verfolgen wir interessiert mit. Die SPD inszeniert sich hier als streitlustige Abschiebeknast-Gegnerin. Oder eher: Verbesserin.
Sicherlich: Im Änderungsantrag der SPD zum Gesetzesentwurf stecken einige gute Punkte – wenn man außer Acht lässt, dass er den Bau des Knastes grundsätzlich akzeptiert.
Doch der Kampf für Gerechtigkeit und Humanität, wie ihn die SPD hier im Landtag aufführt, wird zum zynischen Theater angesichts dessen, wie die SPD in MV schweigt. So viel Streitlust und Kampf für die Rechte der Asylsuchenden würden wir gerne mal von unserer Ministerpräsidentin und Ex-Bundesfamilien-Ministerin Manuela Schwesig sehen! Derzeit kuscht sie in allen Fragen der Asylpolitik vor den Law and Order Hardlinern der CDU – und das obwohl sie die stärkste Partei in MV anführt.
Wir fordern die SPD auf, sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene wieder konsequente linke Politik zu betreiben! Konsequente linke Politik bedeutet nicht einen Abschiebeknast bauen und die Wände rosa streichen! Konsequente linke Politik bedeutet, Abschiebeknäste nicht mitzufinanzieren! Es bedeutet, Geflüchtete nicht als Verbrecher zu betrachten und zu behandeln!
Glückstadt wird einen fundamentalen Einschntt in die Rechte von Geflüchteten und Migrant*innen aus MV, Schleswig-Holstein, Hamburg und wahrscheinlich anderen Bundesländern bedeuten.
Freiheit ist das höchste Gut, das wir als Menschen haben! Freiheit ist die treibende Kraft in unserem Leben! Lasst uns dafür kämpfen und einstehen, dass die Freiheit ein Recht für alle bleibt!