Dublin-Verordnung abschaffen bedeutet: Bewegungsfreiheit. Es bedeutet, dass Menschen sich dort ein Leben aufbauen können, wo sie es für sinnvoll und möglich halten. Wenn man das kombiniert mit Gesetzen, die ein freies Leben am Ort der Wahl möglich machen, schafft man eine gute Gesellschaft und eine gute Zukunft. "Prinzip Riace*".
Oder um es mit den Worten einer klugen Frau zu sagen: "[...] der beste Weg, die Zahl der Flüchtlinge in Europa zu begrenzen, ist, ihre Flucht für beendet zu erklären, sobald sie europäischen Boden betreten. Sie sind fortan keine Flüchtlinge mehr, sondern freie Menschen." (Mely Kiyak*)
Warum schreiben wir das?
Letzte Woche hat die EU beschlossen die Europäischen Asylgesetze (bekannt als GEAS) zu verschärfen. Die Bundesregierung macht munter mit. Das Ganze ist ein Asylkompromiss 2.0, eben diesmal auf EU-Ebene. Es ist auch eine deutliche Positionierung der sog. bürgerlichen Mitte pro Koalitionen mit (Post-)Faschist:innen wie Georgia Meloni (die italienische Ministerpräsidentin) in Richtung autoritärer Verschärfungen.
Abschottung ist falsch und sie funktioniert nicht. Das sehen wir seit den 1990ern. Da wurde nach den Pogromen (zB in Rostock-Lichtenhagen) das Dublin-System erfunden ("sichere Drittstaaten") und in ganz Europa durchgesetzt. Flüchtlinge sollen einen Asylantrag nur an den Außengrenzen der EU stellen, damit die zentraleuropäischen Länder auswählen können, wer bis hier her kommen darf (vgl. 2015: Syrer:innen ja, alle anderen nein).
Um Dublin durchzusetzen, verschiebt man Menschen von Land zu Land als wären sie Pakete. Dafür macht man brutale, teure, aufwendige Abschiebungen, die einzig diesem Prinzip dienen. Seit Jahren ist das zB für Deutschland ein Nullsummenspiel: Wir schieben etwa so viele Leute per Dublin ab wie auch zu uns abgeschoben werden. Ergebnis sind solche unwürdigen Polizeieinsätze wie die am 20.12.2023 aus dem Kirchenasyl in Schwerin.
Eine andere Welt ist möglich
Menschen wissen, was sie tun und wohin sie wollen. Sie haben eine Vorstellung davon wo und wie sie leben und arbeiten wollen. Sie an Grenzen aufzuhalten, einzusperren und in die Länder (z.B. Türkei, Libyen) abzuschieben, in denen sie offensichtlich NICHT leben und arbeiten können und wollen, funktioniert nicht.
Denn die europäischen Grenzen sind riesig. Man wird Einige fangen, aber nicht alle. Viele werden dabei sterben. Erfrieren, verbrennen, verdursten, geschlagen und gedemütigt werden. Die, die man nicht fängt, steckt man in unsichtbare Gefängnisse, in restriktive Asylsysteme. Auch da bastelt die Bundesregierung grade an einem weiteren Haufen Bullshit-Gesetzen. Diejenigen, die in (europäischen) Ländern festsitzen, wo es keine Jobs, keine Wohnungen, keine Zukunft für sie gibt, werden trotzdem irgendwann weitergehen (Sekundärmigration, wie zB in den letzten zwei Jahren aus Türkei und Griechenland). Flucht lässt sich nicht kontrollieren, sie lässt sich nur nachvollziehen. "Ordnung" ist hier wie fast überall ein irreführender konservativer Kampfbegriff.
Die GEAS-"Reform" ist keine Reform der bestehenden Regelungen. Sie verschärft Gesetze, die jetzt schon nicht funktionieren. Hier lest ihr, was genau in den Verschärfungen steckt.
Diese Gesetze sind rassistisch, aber auch schlichtweg: Dumm. Denn wenn in 5 Jahren klar sein wird, dass sie eben niemanden davon abhalten die Knäste im Iran, die Bomben in Syrien, die Repression in der Türkei, die Islamisten im Irak und Somalia, die Folter in Eritrea hinter sich zu lassen, dann geht genau die gleiche Debatte von vorne los - nur werden die Abschottungsinstrumente noch brutaler sein und die Zustimmung dafür wird sich bis weit ins bürgerliche Milieu erstrecken.
Einige bekannte Mitglieder der Grünen sind angesichts dieses Kurswechsels aus der Partei ausgetreten. Richtig so, wir sprechen ihnen hierfür unsere volle Unterstützung aus. Denn mit "Humanität und Ordnung" vertreten die Grünen nun Seehofer-Politik. Die 6 Mitglieder Tareq Alaows, Bakri Haj Bakr, Haneen Stif, Mouatasem Alrifai, Nouri Kharouf und Qusay Amer erkennen sehr richtig, dass diese Verschärfung alle trifft.
Alle Asylsuchenden und auch alle Menschen ohne Fluchterfahrung. Denn auch wir leben bald in einem Europa, das Infrastruktur für Masseninhaftierungen schafft und bereit ist, auf die politischen Ideen von Autokraten wie Erdogan einzugehen.
Es gibt noch die Möglichkeit den Karren aus dem Dreck zu ziehen. Eine andere Welt ist möglich. Es ist jetzt so nötig wie nie, dass wir auf die Straßen gehen, dass wir Allianzen schmieden und bereits jetzt neue solidarische Unterstützungsformen für people on the move unter den verschärften Bedingungen entwickeln. Der Staat wird uns dabei nicht helfen, egal wer ihn regiert, das zeigt uns die letzte Woche deutlich.
Unsere Solidarität muss vor allem eine Graswurzel-Solidarität mit den Aktivist:innen sein, die überall auf der Welt für Freiheit und Würde kämpfen und denen wegen dieser Kämpfe Tod und Folter drohen. Internationale Solidarität muss praktisch werden.