Transparenz statt Angst

Nach Angaben des Landes sind die Infektionen der Leute, die aus Horst weggebracht wurden nicht bestätigt. Das freut uns und wir wünschen allen die beste Gesundheit! 
Es gibt dennoch einige Punkte, die der Artikel im Nordkurier nicht ausreichend zur Geltung bring. Diese möchten wir daher nochmals betonen.

Intransparenz seitens der Behörden und der umsetzenden Akteur*innen

Die Info, dass 20 Leute infiziert wurden, haben uns Bewohner*innen der Einrichtung zugetragen. Die Leute waren dieser Meinung, weil eine größere Gruppe Menschen in Begleitung von Ärzt*innen aus dem Lager gebracht wurde. In der Vergangenheit bedeutete dies, dass sie positiv getestet und nach Parchim gebracht wurden. Den Menschen, mit denen wir geredet haben, hat das Angst gemacht, weil sie nicht sicher sein konnten, ob sie sich nicht selbst durch Kontakt zu den Betroffenen mit Corona angesteckt haben. Das ist eine reale Angst, die in der Folge den Alltag und die Wahrnehmung der Leute im Aufnahmelager bestimmt.

Es zeigt sich hier zum wiederholten Male, dass Land und Betreiber es nicht schaffen aktuelle Ereignisse und behördliche Abläufe in einer verständlichen Weise an die Bewohner*innen zu kommunizieren. Hier muss nachgebessert werden. Transparenz ist nicht die Stärke des Innenministeriums, aber ein zentrales Qualitätsmerkmal sozialer Arbeit. 

Fehlende Stimmen: Die der Betroffenen

Kein*e einzige*r Journalist*in aus MV hat bisher mit Bewohner*innen der Aufnahmelager geredet. In den Presseberichten lesen wir die Meinung vom Staatssekretär (der einige Stunden auf dem Gelände war und nicht mal alles angeschaut hat), die Meinung von Landtagsabgeordneten (die schon etwas länger dort waren, aber eben auch nur Einblicke gewinnen konnten) und von Malteser-Mitarbeitenden (die jeden Tag und oft auch Nächte Einblicke in die Abläufe und Strukturen haben, aber dennoch nicht diejenigen sind, die dem psychischen Druck von Massenunterbringung ausgesetzt sind). 

Die Meinungen und Probleme von Asylsuchenden waren bisher in keinem Artikel zu lesen. Warum? Sie sind die Expert*innen des Alltags in den Lagern. Sie können die Missstände benennen. Soweit Interesse besteht, raten wir allen interessierten Journalist*innen Gespräche mit Bewohner*innen unter vier Augen und unter Zusicherung von Anonymität zu führen. 

Denn auch hier spielt die fehlende Transparenz innerhalb der Einrichtungen eine gewichtige Rolle: Viele Menschen denken, wenn sie sich beschweren, hätte dies negative Auswirkungen auf ihre Asylverfahren. In den Einrichtungen vor Ort gibt es lediglich eine Asylverfahrensberatung durch das BAMF, die darauf ausgelegt ist, die Effizienz der Asylverfahren zu steigern. Die Erläuterung zu den Aufgaben- und Kompetenzbereichen der im Aufnahmelager involvierten Akteur*innen scheint hier aus Sicht des BAMF nicht relevant.

Ungleichbehandlung gegenüber Deutschen

Verdachtspersonen außerhalb von Aufnahmeeinrichtungen erhalten eine Information des Gesundheitsamtes und werden aufgefordert bis zum Testergebnis in ihren Wohnungen zu bleiben. In Aufnahmeeinrichtungen geht das anscheinend nicht.

Die Infektion in Sammelunterbringungen kann im laufenden Tagesgeschäft nicht verhindert werden und das gesteht das Land sowohl mit den früheren Quarantäne-Häusern auf dem Gelände als auch der Lösung mit der Rehaklinik ein. Die Leute sitzen zu dicht aufeinander, sie teilen sich Gemeinschaftsbäder, sie gehen in engen Fluren eng aneinander vorbei, sie essen in einer Kantine. 

Auch, wenn es zu begrüßen ist, dass das Land MV nicht die rassistische Quarantäne von kompletten Einrichtungen vornimmt, zeigt sich in der Praxis eine fundamentale Ungleichbehandlung. Und diese liegt zu allererst im Asylbewerberleistungegesetz, jener rassistischen Institution, die einen Unterschied macht zwischen den Sozialleistungen für Asylsuchende und Anderen. 

Wir befürworten die Unterbringung der Leute in der Rehaklinik gegenüber den Isolationshäusern auf dem Gelände. Das Problem heißt dennoch: Massenlager. Deswegen: Dezentral unterbringen! 

Die Gefahr von Aufnahmezentren

Im Artikel wird das Land zitiert: "Unterbringung von Schutzsuchenden innerhalb von Erstaufnahmeeinrichtungen sowie in Gemeinschaftsunterkünften [sei] die gesetzlich vorgeschriebene Regelunterbringung". Richtig, gesetzlich vorgeschrieben, aber keineswegs notwendig. Denn dieses Gesetz wurde genau von denjenigen gemacht, die sich darauf berufen: einem christlich geführten Innenministerium, unterstützt von der SPD. 

Corona macht deutlich, was Initiativen, Bewohner*innen und zivilgesellschaftliche Akteur*innen immer wieder einstimmig an die Politik herangetragen haben: Massenlager sind keine gute Unterbringungsform. Sammellager machen krank

AnkER-Zentren sind die Verschärfung aller negativen Auswirkungen. Die Corona-Infektionen von Asylsuchenden, die bisher öffentlich bekannt wurden, waren ausschließlich in den AnkER-Zentren in MV, nicht in den Gemeinschaftsunterkünften. Das hat einen Grund: Leute können hier ein kleines Stück weit autonomer leben als in einem Aufnahmelager mit streng diktiertem Tagesablauf, sehr begrenztem Raum und strukturellen Abhängigkeiten. 

Verengung der Debatte auf Corona

Und so ist die Verengung der Debatte auf Corona derzeit das, was vom eigentlichen Problem ablenkt. Zentrale Unterbringungen für Asylsuchende sind nicht „in Pandemie-Zeiten“ kontraproduktiv. Sie sind es schlichtweg immer.