Abschiebung eines traumatisierten Tschetschenen

Nachtrag zur Abschiebung

Das Innenministreium (IM) MV rechtfertigte heute die Abschiebung und wies die Kritik des Flüchtlingsrat Hamburg zurück. Eine recht dürftige Erklärung für eine grausame Abschiebung.

In seiner Argumentation verwechselt Herr Caffier zwei Details: Rechtmäßig (zulässig gemäß geltener Rechtslage, Formulierung des IM-MV) und menschenrechtswirdrig (unzumutbare Bedingungen während der Abschiebung, Formulierung des Flüchtlingsrats Hamburg). In der Pressemitteilung geht das IM mit keinem Wort darauf ein, ob die durchgeführten "Zwangsmaßnahmen" dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprachen. Ein Folteropfer mit "verbundenen Augen" (blickdichte Brille) mehrere Stunden in einem Auto irgendwo hinzufahren, löst mit recht großer Wahrscheinlichkeit Erinnerungen an Entführungen in (Folter-)Knäste aus. Kaputte Menschen noch kaputter machen - christdemokratische Politik 2018.

Auch zur inhaltlichen Legitimität des amtsärztlichen Gutachtens nimmt das IM keine Stellung: Handelte es sich bei dem Gutachten um ein ebenso qualifizierten Fach-Ärzt*in wie bei der Einschätzung der akuten Siuizidalität? Wie kann eine einmalige Begutachtung ein in einer Therapie entstandenes Attest ersetzen?

Auch die Antwort auf die Frage, wie eine medizinisch begleitete Abschiebung einen Suizid in Tschetschenien verhindern soll, bleibt offen. Ein ähnlicher Fall geschah 2018 bereits in Afghanistan. Ein junger Mann nahm sich das Leben, nachdem er dorthin abgeschoben wurde. Seehofer bedauerte - Konsequenzen so etwas zu verhindern scheinen die CDU/CSU-Hardliner nicht ziehen zu wollen.

Ausländerbehörde Stralsund und LaiV MV nehmen möglichen Suizid in Kauf

Durch den Hamburger Flüchtlingsrat erhielt PRO BLEIBERECHT am Sonntagabend Kenntnis von der anstehenden Abschiebung eines Tschetschenen, der in Mecklenburg-Vorpommern lebt. Er soll trotz bestehender ärztlicher Atteste, die eine akute Suizidgefahr bescheinigen, am Montag den 19. November nach Tschetschenien (Russische Föderation) abgeschoben werden. Ehefrau und Kinder verbleiben unterdes in Stralsund. 
PRO BLEIBERECHT fordert den sofortigen Abbruch der Maßnahme und dass der Mann unverzüglich aus der Abschiebehaft in Hamburg zurück nach Stralsund gebracht wird.

"Es gibt immer wieder Momente, in denen die Gefühlskälte deutscher Bürokraten schockiert", so eine Aktivistin von PRO BLEIBERECHT. "Als wir aus Hamburg die Nachricht erhielten, dass sich Herr A. in Abschiebehaft dort befindet und unter welchen Umständen er dort hin kam, waren wir fassungslos. Die Behörden müssen hier sofort einlenken!"

Bei einem Besuch durch einen Vertreter des Hamburger Flüchtlingsrats und eines Allgemeinmediziners in der Abschiebehaft in Hamburg schilderte der Mann, dass er mit einer blickdichten Brille, also nichts-sehend, und gefesselt aus seiner Unterkunft nach Hamburg gebracht wurde. Warum dem Mann die Hände und Augen verbunden wurden und er auf diese erniedrigende Weise nach Hamburg gebracht wurde, bleibt ein bisher ungeklärter Skandal. Aus menschenrechtlicher Perspektive ist das Vorgehen der Behörden untragbar.

"Man muss sich vor Augen führen, dass amtsärztliche Gutachten Momentaufnahmen sind. Dies höher zu stellen als Gutachten von Ärzt*innen, die jemanden über Monate behandeln, seine Probleme kennen und ihn therapieren, ist geradezu lächerlich. Unverständlicherweise ist es rechtlich von der Bundesregierung so gewollt", so die Aktivistin weiter. "Dem Mann scheinen derzeit Medikamente vorenthalten zu werden. Dass dem Mann die Medikamente und eine therapeutische Behandlung in Russland zur Verfügung stehen, kann niemand garantieren. Einen psychischen Zusammenburch, und damit möglicherweise Suizid, nehmen die Behörden in MV billigend in Kauf. Das widerspricht jeder Menschlichkeit."

Bei der Abschiebung handelt es sich um eine Familientrennung. Die Ehefrau des Betroffenen und seine Kinder sind in Stralsund zurückgeblieben. Sie bangen derzeit um die Trennung von ihrem Mann und Vater auf unbestimmte Zeit. Die Anwältin von Herrn A. versucht aktuell noch gegen die Abschiebung vorzugehen.

Das Innenministerium in MV ist bekannt für populistische Inszenierungen von Abschiebungen. Innerhalb des Landes ist die Ausländerbehörde Stralsund für restriktive und konservative Auslegungen des Aufenthaltsgesetzes bekannt.

PRO BLEIBERECHT fordert die verantwortlichen Akteur*innen dringend dazu auf, Abschiebungen von Menschen mit psychischen Erkrankungen zu unterlassen und keine Familien qua Abschiebung zu trennen. PRO BLEIBERECHT betrachtet beides als Minimalstandards und ist beschämt, solcherlei im Jahre 2018 fordern zu müssen.