In Deutschland leben tausende Kinder, die hier nicht geboren wurden, aber längst hier aufgewachsen sind. Kinder, die Deutsch sprechen, Freunde haben, in den Kindergarten gehen, zur Schule, in den Sportverein – und trotzdem nie sicher sein können, ob sie bleiben dürfen. Kinder, deren Alltag von Unsicherheit geprägt ist, weil ihr Aufenthalt nur geduldet, befristet oder an die aufenthaltsrechtliche Lebenssituation ihrer Eltern geknüpft ist.
Weiterlesen: Kinder ohne Ankommen – Unsicher aufwachsenDiese Kinder leben zwischen zwei Welten: Offiziell willkommen, aber faktisch ausgeschlossen. Sie dürfen hier lernen, lachen und träumen – solange ihr Aufenthaltstitel es zulässt. Viele von ihnen wissen früh, was „Duldung“, „Ausländerbehörde“ oder „Abschiebung“ bedeutet. Sie spüren die Angst ihrer Eltern, hören Gespräche über Fristen, Anhörungen, Verlängerungen. Für ein Kind ist das eine Last, die kein Kind tragen sollte.
Manche von ihnen dürfen nicht mit auf Klassenfahrt, weil die Behörde keine Genehmigung gibt. Andere können keine Ausbildung beginnen, weil ihr Aufenthaltsstatus unklar ist. Wieder andere erleben, wie Freund:innen plötzlich verschwinden, weil ihre Familien abgeschoben wurden. Diese Kinder verlieren nicht nur ihr Zuhause, sondern auch ihr Vertrauen in eine Gesellschaft, die ihnen Stabilität verspricht – und sie dann doch nicht halten kann.
Ein kaum beachtetes Unrecht, das mitten unter uns geschieht: Kinder, die in Deutschland leben, werden rechtlich wie „Gäste auf Zeit“ behandelt. Ihre Lebensrealität wird ignoriert, ihre Zugehörigkeit infrage gestellt. Dabei ist ihre Heimat längst hier – in der Sprache, im Alltag, in den Beziehungen, die sie aufbauen.
Ein Kind, das jeden Tag mit der Angst lebt, wieder „wegzumüssen“, kann nicht frei aufblühen. Es lernt, sich anzupassen, vorsichtig zu sein, unauffällig. Es lernt, dass Zugehörigkeit jederzeit entzogen werden kann.
Deutschland spricht oft von Chancen, Bildungsgerechtigkeit und Kinderrechten. Doch diese Rechte gelten nicht für alle gleichermaßen. Wenn Kinder ohne gesicherten Aufenthalt hier leben, leben sie in einer ständigen Grauzone: geduldet, aber nicht geschützt; anwesend, aber nicht angekommen.
Dieser Text und Bild entstanden in einer Ferienfreizeit im ländlichen Raum in MV. Daran teilgenommen haben*:
Amina, 7 Jahre, aus der russischen Föderation, seit 8 Jahren im Asylverfahren, Aufenthaltsstatus: Unsicher
Mohammad, 12 Jahre, aus der russischen Föderation, seit 8 Jahren im Asylverfahren, Aufenthaltsstatus: Unsicher
Layla, 7 Jahre, aus dem Irak, Aufenthaltsstatus: Duldung mit Abschiebeandrohung
Samet, 8 Jahre, aus der Türkei, 1 Jahr im Asylverfahren, Aufenthaltsstatus: Duldung mit Abschiebeandrohung
Aziza, 9 Jahre, aus Afghanistan, Aufenthaltsstatus: 1-jährige Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen, Zukunft: Ungewiss
Emmanuel, 4 Jahre, aus Ghana, Aufenthaltsstatus: 3-jähriger Aufenthalt aus humanitären Gründen, Zukunft: Ungewiss
Hanna, 7 Jahre, aus Deutschland, Aufenthaltsstatus: Keine Angst vor Abschiebung, sicher
Lukas, 9 Jahre, aus Deutschland, Aufenthaltsstatus: Keine Angst vor Abschiebung, sicher
Karoline, 8 Jahre, aus Deutschland, Aufenthaltsstatus: Keine Angst vor Abschiebung, sicher, und
Linus, 11 Jahre, aus Deutschland, Aufenthaltsstatus: Keine Angst vor Abschiebung, sicher
*alle Namen geändert
