Die Schönheit ist auf der Straße
Rechtspopulisten berufen sich immer auf Begriffe wie „Heimat“, „Traditionen“, „große Vergangenheit“, „Souveränität“ und „Nation“. Rechtspopulisten auf der ganzen Welt ähneln sich. Sie bieten nichts Neues an, ihre Zukunft liegt immer in der Vergangenheit. In einer Welt, in der nichts ewig ist, verkaufen sie angeblich ewige Werte. Im Grunde verkaufen sie nur heiße Luft.
Ich komme aus Russland und habe mit eigenen Augen gesehen, wie sich eine ohnehin unvollkommene Demokratie unter Putins Regime in eine blutige Diktatur verwandelt hat. Putin wurde in den Geheimdiensten geformt, wo es eine klare Trennung zwischen „den Unseren“ und „den Fremden“ gibt. Diese Spaltung ist ein weiteres Mantra der Rechten. Russland ist zu einem Land geworden, in dem “die Unseren“ für ihre Lobeshymnen auf das Regime bezahlt werden und die „die Fremden“ für Kritik an ihm ins Gefängnis kommen. Putin hat keine Zukunftsvision für Russland – nur Bezüge zur Vergangenheit, zum Patriotismus, zu Traditionen usw.
Genau das Gleiche sagt die AfD in Deutschland, sagt Meloni in Italien, sagt Kickl in Österreich, sagt Trump in den USA. Elon Musk ist zum wichtigsten PR-Strategen der AfD geworden. Rechte Populisten und Radikale werden schnell zu Verbündeten. Trump und Putin machen sich gegenseitig Komplimente und versuchen, die Ukraine unter sich aufzuteilen. Weidel behauptet, dass man mit Putins Regime zusammenarbeiten müsse.
Es ist wichtig zu verstehen, dass der Widerstand gegen den Rechtspopulismus nicht nur auf lokaler, sondern auch auf internationaler Ebene notwendig ist. Wir haben uns heute in Rostock versammelt und sagen: „Fuck AfD“. Aber wir sagen auch: „Fuck Putinismus“, „Fuck Trumpismus“, „Fuck Musk“ (das musste ich jetzt sagen). Fuck Rechtspopulismus und Extremismus.
Der Rassismus der Rechten zeigt sich heute in der hysterischen antimigrantischen Rhetorik. Rechte erschaffen das Bild eines Fremden, vor dem man sich fürchten soll. Ich habe das nie verstanden. Ich bin Journalist und bin viel gereist. Für mich ist das Fremde, das Unbekannte, das Unverstandene – das, was wirklich inspiriert. Die Vielfalt der Welt ist unser Reichtum, nicht unser Problem. Seit fast einem Jahr lebe ich in der kleinen Stadt Güstrow. Und dort treffe ich Afrikaner, Araber, Kurden und Ukrainer. Ich habe nicht das Gefühl, in einer Provinz gefangen zu sein, sondern fühle mich mit der Welt verbunden. Gut, einige Menschen wollen oder können nicht reisen – dann kommt die Welt eben zu ihnen. Das ist zumindest preiswert.
Ja, die Zeiten sind düster. Die AfD wird bei den Wahlen wahrscheinlich den zweiten Platz belegen. Rechtspopulismus übernimmt weltweit die Macht.
Die wahre Dunkelheit ist das Fehlen der Möglichkeit, zu protestieren und sich zu äußern. Wir haben diese Möglichkeit noch. Wir können uns in sozialen Netzwerken äußern. Wir können uns in Cafés treffen und Diskussionen führen. Und natürlich können wir auf die Straße gehen. Während der Proteste 68 in Paris riefen die Situationisten: “Die Schönheit ist auf der Straße!”. Dass wir uns heute auf dem Platz versammelt haben, ist natürlich wichtig. Aber es ist auch verdammt schön. Ich sehe euch an – und es ist verdammt schön. Gegen Rassismus, Neofaschismus und Rechtspopulismus zu sein, ist wahnsinnig schön.
Wir kämpfen für unsere Würde
Liebe Freundinnen und Freunde, vielen Dank, dass ihr alle da seid, dass ihr alle für ein demokratisches und freies Land kämpft. Vielen Dank an alle, die heute diese Demo organisiert haben.
Mein Name ist Mustafa, und ich lebe seit Oktober 2022 in Deutschland. Ich bin vor dem Krieg aus meiner Heimat geflohen – nicht, weil ich es wollte, sondern weil ich es musste. Ich wollte in Sicherheit sein, in Frieden leben und mir eine neue Zukunft aufbauen.
Der Weg hierher war hart. Drei Monate lang war ich auf der Flucht. Ich habe alles gegeben, was ich hatte – über 10.000 Euro –, um diesen Weg zu schaffen. Und glaubt ihr wirklich, dass jemand, der so viel riskiert, der sein Zuhause, seine Familie, seine gesamte Existenz hinter sich lässt, nach Deutschland kommt, um 200 Euro Sozialhilfe im Monat zu bekommen? Nein! Niemand flieht, um zu Hause zu sitzen und von Sozialleistungen zu leben. Wir fliehen, weil wir leben wollen – in Würde, in Sicherheit, mit Perspektiven!
Doch was erleben geflüchtete Menschen hier? Statt Unterstützung erfahren wir Misstrauen. Statt echter Integration gibt es Schikanen. Und jetzt wollen Politiker*innen uns sogar noch eine Zahlkarte aufzwingen, als wären wir unmündige Menschen, die nicht selbst entscheiden können, was sie für ihr Leben brauchen. Warum? Weil sie denken, dass wir von den 200 Euro, die kaum zum Überleben reichen, noch Geld an unsere Familien schicken? Ist das ihr Ernst?
Während sie hier im Bundestag über Abschiebungen debattieren, statt echte Lösungen zu finden, sterben in unseren Heimatländern täglich Menschen – oft durch Waffen, die auch aus Deutschland geliefert wurden! Ich komme aus Rojava, Rojava ist der kurdische Begriff für Nordost-Syrien. Meine Eltern, meine Angehörigen leben noch dort. Jeden Tag erleben sie Angriffe – mit Waffen, die aus Deutschland in die Türkei geliefert wurden! Wie kann es sein, dass deutsche Politiker*innen über Flucht und Migration reden, aber nicht über die Waffenexporte, die Menschen zur Flucht zwingen?
Anstatt sich darüber Gedanken zu machen, wie sie uns wieder loswerden, sollten sie sich fragen: Wie können wir Menschen, die aus Not zu uns kommen, eine Zukunft ermöglichen? Wann bekommen geflüchtete Menschen endlich eine faire Chance, in die Gesellschaft integriert zu werden? Warum müssen wir jahrelang auf eine Arbeitserlaubnis warten, wenn wir doch arbeiten und unser Leben selbst in die Hand nehmen wollen?
Die Würde des Menschen ist unantastbar! So steht es im Grundgesetz, Artikel 1. Aber gilt diese Würde nur für einige – oder für uns alle? Wir sind hier. Wir sind Menschen. Wir haben Rechte. Und wir kämpfen für unsere Würde!
Danke!