Am 23. Januar hat der Asta der FU in Berlin eine Soliparty für die Sea Punks organisiert. Neben Konzerten gab es Redebeiträge, einer davon war von uns. Ihr könnt ihn hier lesen.
Hallo. Mein Name ist J. Vielen Dank an alle, die diesen Abend organisiert haben und danke, dass ich hier sprechen darf. Ich spreche für die Initiative Pro Bleiberecht Mecklenburg Vorpommern. Ich war in Rostock bei Pro Bleiberecht aktiv, wohne aber mittlerweile in Berlin. Also schöne Grüße aus Rostock an alle hier im Saal, ich vertrete sie heute Abend und werde euch ein paar Einblicke in ihre Arbeit geben.
Pro Bleiberecht organisiert sich in Solidarität mit Geflüchteten und Migrant:innen in Mecklenburg-Vorpommern und setzt sich MV-weit für die Rechte von Asylsuchenden ein. Dabei liegt der Fokus nicht nur im Refugee Support vor Ort, sondern auch auf der Unterstützung von exilpolitischen Aktivitäten von Aktivist:innen, die die politischen Kämpfe in ihren Herkunftsländern von MV aus weiterführen und auf die Situation dort aufmerksam machen. Von den politischen Kämpfen einiger dieser Communitys werde ich heute auszugsweise erzählen. Pro Bleiberecht unterstützt außerdem Menschen in laufenden Asylverfahren und setzt sich für ihre Rechte ein. Dazu gehören zum Beispiel Aktionen zur Abschaffung des Asylbewerberleistungsgesetzes und der Ausländerbehörde und gegen die Bezahlkarte. Über letztere werde ich später ausführlicher sprechen, da ihre Einführung auch in Berlin kurz bevor steht.
Support für Genoss:innen im Exil in MV
Beginnen wir mit den exilpolitischen Aktionen, die Pro Bleiberecht in den letzten Jahren unterstützt hat. Wie ihr vielleicht wisst, verteilt das BAMF Menschen nach Herkunftsländern auf die einzelnen Bundesländer. Das bedeutet, dass bestimmte Communitys in MV mehr vertreten sind als andere.
Durch das Verteilungssystem des BAMF werden Asylsuchende aus Honduras nach MV geschickt. Sie organisieren regelmäßig Infoveranstaltungen zur Situation in Honduras und Treffen für die Community in MV. Im Oktober luden Akivist:innen aus Honduras beispielsweise zu einem Gespräch über Proteste und Organisierung gegen Privatstadt-Projekte ein. ZEDES (Zonas de empleo y desarrollo económico, also Zonen für Beschäftigung und wirtschaftliche Entwicklung) sind sogenannte "Sonderwirtschaftszonen", in denen Superreiche sich Privatstädte einrichten, in denen sie sich selbst (keine) Gesetze geben können. In Honduras existieren bereits mehrere dieser Privatstädte, finanziert zum Beispiel vom rechtslibertären Tech-Milliadär Peter Thiel und gesetzlich legitimiert durch die ehemalige rechtskonservative honduranische Regierung. Die neue linke sozialdemokratische Regierung kommt juristisch kaum dagegen an. Menschenrechts- und Umweltaktivist:innen halten ausdauernd dagegen. Mittlerweile ist klar, dass Privatstädte auch fest in den rechtsextremen Konzepten der AfD verankert sind. Doch auch die bürgerliche Mitte spinnt bereits ähnliche Ideen. Die CDU spricht beispielsweise in ihrem Grundsatzprogramm von Sonderzonen in Afrika, in denen alle Geflüchteten ihren Asylantrag stellen sollten. Auch der rechte Flügel der SPD hat vergleichbare Ideen, die Vertreter finden aber den peppigen Titel "Future Cities" dafür. Ich denke, das Beispiel Privatstädte verdeutlicht sehr gut die Verstrickungen von rechten Ideologien überall auf der Welt.
Auch die Situation in Syrien ist immer wieder Thema, genauso wie der Widerstand gegen das Regime in Iran und die Taliban in Afghanistan. Pro Bleiberecht organisiert dazu gemeinsam mit iranischen, kurdischen und afghanischen Aktivist:innen immer wieder Info-Veranstaltungen oder Vorträge, in denen diese über die Situation in ihrem jeweiligen Land berichten und aufklären.
Im vorletzten Jahr hat Pro Bleiberecht gemeinsam mit syrischen Aktivist:innen eine Kunstausstellung zum Jahrestag der Syrischen Revolution organisiert. Die ausgestellten Karikaturen und Zeichnungen erzählten von Folter und Unterdrückung im Assad-Regime sowie den Folgen des verheerenden Erdbebens in Syrien und der Türkei. Im letzten Jahr startete Pro Bleiberecht ebenfalls zum Jahrestag der Syrischen Revolution eine Postkartenaktion. Die Postkarten zeigten ein Motiv des Künstlerkollektiv Rishat Amal, um auf die Situation in Syrien aufmerksam zu machen und Syrer:innen als politische Subjekte ins Bewusstsein zu rufen.
Letztes Wochenende fand in Greifswald ein Info-Abend mit dem Thema „Wandel nach Assad“ statt, bei dem Syrer:innen mit unterschiedlichen Hintergründen eingeladen waren, kurze Impulsvorträge aus ihrer Perspektive zur Lage in Syrien zu geben.
In diesem Sinne: Hoch die internationale Solidarität!
Wir sind solidarisch mit allen Menschen auf der Flucht, mit allen Menschen, die die Hoffnung auf Frieden, Gleichberechtigung und Perspektive zur Migration bewegt.
No border, no nation! Bleiberecht und Bewegungsfreiheit für alle Menschen!
No Lager!
Zu den vielen Orten, an denen diese Bewegungsfreiheit eingeschränkt ist, gehören Sammellager. Die Kritik daran ist ein wichtiger Bestandteil der Arbeit von Pro Bleiberecht. Dazu sind Aktivist:innen beispielsweise regelmäßig zum Erstaufnahmelager in Horst gefahren, um sich mit den Menschen vor Ort zu solidarisieren und zu vernetzen. Entstanden ist daraus unter anderem die No Lager - Tour sowie regelmäßige Proteste und Kundgebungen vor dem Sammellager in Horst.
... bis der Knast wieder schließt!
Zudem beteiligt sich Pro Bleiberecht an den Aktionen gegen den Abschiebeknast in Glücksstadt und unterstützt die Kampagne „Kein Abschiebegefängnis in Glückstadt und anderswo!“. Abschiebehaft ist der menschenverachtende Ausdruck globaler Ungerechtigkeit und des Krieges gegen Geflüchtete, der an den Außengrenzen Europas, im Mittelmeer aber auch in der schleswig-holsteinischen Provinz stattfindet. Daher: Gegen jede Abschiebung und jedes Abschiebegefängnis! Denn: No one is free, until everyone is free!
Nein zur Bezahlkarte!
Die Freiheit von Schutzsuchenden wird nicht nur durch Sammellager und Abschiebeknäste eingeschränkt, sondern auch durch rassistische Kontrollinstrumente wie die Bezahlkarte.
Die politischen Begründungen für die Bezahlkarte sind komplett absurd. Unter anderem wird von Politiker:innen immer wieder angeführt, man wolle "Verwaltungsaufwand reduzieren". Werfen wir mal einen näheren Blick auf dieses Märchen vom Verwaltungsaufwand:
In den meisten Landkreisen in MV bekommen Asylsuchende ihre Sozialleistungen bar ausgezahlt. Das heißt, sie müssen am Monatsanfang zu festgelegten Zeiten an festgelegten Tagen beim Sozialamt antanzen und ihr Geld abholen. Diesen Aufwand, das Geld bar auszuzahlen, macht sich die Verwaltung freiwillig. Warum macht sie das? Angesichts chronischüberlasteter Kommunen und Personalmangel in der Verwaltung? Die Antwort ist einfach: Kontrolle. Wer das Geld einmal im Monat abholen muss, muss auch einmal im Monat an der jeweiligen Geldausgabestelle sein.
Die Bezahlkarte verschärft diese Kontrolle - sie digitalisiert sie. Damit wird der Zugriff der Behörden auf die Leute von monatlich auf täglich ausgeweitet. Das Sozialamt kann zum Beispiel über die Karte nachvollziehen, wo jemand einkauft, sie können die Karte sperren (wenn sie zB denken, dass jemand nicht mehr in Deutschland ist) und sie können den Einkaufsbereich festlegen (zB nur in einem bestimmten Landkreis oder nicht in bestimmten Ladengruppen wie zB Casinos). Dazu kommt: nicht in allen Geschäften kann mit der Bezahlkarte bezahlt werden, für Einkäufe in kleineren Läden, bei Kleinanzeigen, auf Flohmärkten oder in Sozialkaufhäusern braucht man Bargeld. Auf dem Land, wo viele Geflüchtete zunächst untergebracht sind, gibt es kaum Auswahl. Die Bezahlkarte heißt also auch: längere Wege zum Einkaufen und mehr Kosten für den ÖPNV. Ein Beispiel aus MV: Wer in der Unterkunft in Jördenstorf (in der Nähe von Teterow) wohnt, bezahlt für einmal Einkaufengehen jetzt schon 10€ (hin und rück) von 410€ (monatliche Sozialleistungen).
Fest steht: Die Bezahlkarte ist ein rassistisches Kontrollinstrument. Als solidarische Akteur:innen müssen wir sie komplett ablehnen. Diese Karte "möglichst diskriminierungsfrei" oder "menschenrechtskonform" "auszugestalten" ist Quatsch. Etwas, das grundsätzlich diskrimierend ist, kann nicht "möglichst diskriminierungsfrei" gemacht werden. Wo Organisationen, die eigentlich flüchtlingssolidarische Lobbyarbeit machen, solche Forderungen erheben, gehen sie selbst mit dem von rechts gesetzten Diskursfenster mit. Das stärkt rechte Forderungen, indem es ihnen keine linken und progressiven Forderungen mehr entgegenhält. Die gesellschaftliche Auseinandersetzung baut dann auf den von rechts gesetzten rassistischen Narrativen auf.
AsylbLG abschaffen!
2023 schloss sich Pro Bleiberecht der bundesweiten Aktionswoche mit der Forderung "Asylbewerberleistungsgesetz abschaffen!" an.
Das "Asylbewerberleistungsgesetz" ist ein rassistisches Gesetz, das 1992 kurz nach dem Pogrom in Rostock-Lichtenhagen von Union, FDP und SPD verabschiedet wurde. Bereits damals haben die Parteien der Mitte versucht, Asylsuchende mit rassistischen Gesetzesverschärfungen abzuschrecken, statt ihre Energie darauf zu verwenden, Faschos und Rechten entgegen zu wirken. Heute liefert genau dieses Gesetz die rechtliche Grundlage für rassistische Kontrollinstrumente wie die Bezahlkarte.
Das AsylbLG ist ein rassistisches Parallelgesetz. Es behandelt Asylsuchende und Geduldete ungleich mit der restlichen Bevölkerung, indem es sie von regulären Sozialleistungen ausschließt.
Konkret bedeutet das:
Asylsuchende und Geduldete müssen von ca. 80% des Existenzminimums leben.
Zum Vergleich: das bedeutet ca. 100 Euro weniger als Bürger:innengeld. Für Asylsuchende in Sammellagern reduziert sich der Betrag sogar nochmal um ca. 50 Euro.
Dazu kommt eine eingeschränkte Krankenversorgung, bei der Gesundheitsleistungen bei den Sozialämtern beantragt werden müssen. Das bedeutet, eine Sachbearbeiter:in entscheidet, ob der Zustand einer Person akut genug ist für eine medizinische Behandlung.
Weiterhin gibt es die sogenannten "Flüchtlingsintegrationsmaßnahmen". Geflüchtete und Geduldete müssen in Sammelunterkünften für 80 Cent pro Stunde Laub harken oder Toiletten säubern. Wer sich weigert, bekommt Leistungskürzungen.
Angeblich will man so Asylsuchende in Arbeit bringen. Das ist natürlich Bullshit. Wer will, dass Asylsuchende arbeiten, würde eine reguläre Arbeitserlaubnis für alle schaffen sowie die unbürokratische Anerkennung von Abschlüssen ermöglichen.
Das AsylbLG muss abgeschafft werden, denn es ist rassistisch.
Asylgesetze und deren Umsetzung sind ein Gradmesser für den Diskursstand in unserer Gesellschaft. Hier bildet sich ganz deutlich die Verschiebung dessen, was diskutiert wird, nach rechts ab. Oder anders gesagt: Wir sehen hier den Rechtsruck in der politischen Mitte.
Rechte Politik sollte man rechten Parteien überlassen.
Progressive Kräfte müssen sich laut und deutlich für die Abschaffung des Asylbewerberleistungsgesetzes und den Zugang zu regulären Sozialleistungen einsetzen.
Aber: Gesetze sind menschengemacht. Das heißt: Menschen können sie auch wieder ändern. Also, werdet laut gegen die Bezahlkarte und unterstützt Menschen, die davon betroffen sind, zB indem ihr an Tauschaktionen teilnehmt.
Werdet aktiv!
Also: Werdet und bleibt aktiv. Macht das Aktivsein zu einem Teil eures Lebens. Solidarisiert und vernetzt euch sowohl hier vor Ort als auch international mit Aktivist:innen, die für Freiheit, Unabhängigkeit und Gleichberechtigung kämpfen. Unterstützt euch gegenseitig und passt auf einander auf.
Proteste wie die in Horst und Glücksstadt werden oft getragen von Initiativen aus kleineren Orten oder dem ländlichen Raum. Daher schließe ich meinen Redebeitrag heute Abend mit dem Aufruf: „Auf in die kleinen Orte“, denn dort wird antifaschistischer Widerstand so dringend gebraucht. Dort, wo Geflüchtete und Migrant:innen zunehmend faschistischer Gewalt ausgesetzt sind und wo sich Antifaschist:innen oft alleingelassen fühlen. Daher unser Apell: Kontaktiert Initiativen in kleineren Orten und schließt euch zusammen. Unterstützt Demos und Kundgebungen. Blockt euch zum Beispiel den 8. Mai und fahrt an diesem Tag nach Demmin, um sich gemeinsam mit den Aktiven vor Ort dem Fascho-Aufmarsch entgegen zu stellen. Wir müssen die Dominanzkultur der Faschist:innen im ländlichen Raum brechen. Und das schaffen wir nur gemeinsam und solidarisch.
Dankeschön.