Offener Brief: Abschiebeknast Glückstadt schließen!

Mit mehr als 90 weiteren Organisationen haben wir einen Offenen Brief an die Landesregierungen Schleswig-Holstein, Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern geschickt. Den Abschiebeknast in Glückstadt schließen! Lest den Brief hier.

Offener Brief an die Justizministerin Schleswig-Holsteins und die Landesregierungen Schleswig-Holsteins, Hamburgs und Mecklenburg-Vorpommerns  zur Schließung der Abschiebehafteinrichtung in Glückstadt

Sehr geehrte*r Prof. Dr. Kerstin von der Decken, sehr geehrte Vertreter*innen der Landesregierungen Schleswig-Holstein, Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern,

wir wenden uns mit diesem offenen Brief an Sie, um Ihnen zu verdeutlichen, dass Sie mit dem Weiterbestehen der Abschiebehafteinrichtung in Glückstadt innerhalb der Zivilgesellschaft ebenso wie bei den Sozialverbänden auf große Unzufriedenheit und Ablehnung treffen.

Aktuell häufen sich die Medienberichte über die katastrophalen und inhumanen Zustände vor Ort. Diese widersprechen gravierend den Grundsätzen der Vollzugsgestaltung, in denen es heißt, „die Persönlichkeitsrechte, die Würde und die sozialen Belange sowie ein besonderer Schutzbedarf der […] in dieser Einrichtung untergebrachten Personen sind zu achten“ (§2 Abs. 2 AHaftVollzG SH).

In diesem Jahr kam es bereits zu zwei Bränden, deren Vorgang von den verantwortlichen Personen unverhältnismäßig verharmlost wurde.
Ebenfalls in diesem Zeitraum gab es zwei Suizidversuche. Über den Suizidversuch von M. ist bekannt, dass ihm eine adäquate medizinische und psychische Behandlung seitens der Abschiebehafteinrichtung verweigert wurde und er stattdessen besonders belastenden Umständen - wie der Unterbringung in einem besonders gesicherten Haftraum (BGH-Raum) - ausgesetzt wurde. Eine Matratze auf dem Boden, eine in den Boden eingelassene Toilette und eine an der Decke installierte Kamera, kein Tageslicht - entgegen der ärztlichen Empfehlung der stationären Unterbringung. Die Notärzte der Haftanstalt beschrieben diese Maßnahme in ihrem Bericht als angemessen, „auch wenn die Unterbringung im BGH-Raum eine besondere Belastung der Seele bedeutet“.  Dabei muss ein Einschluss „unterbleib[en] oder [...] unterbrochen [werden], wenn hierdurch die Gesundheit der untergebrachten  Person gefährdet würde“ (§14 Abs. 3 Satz 2 § 9 AHaftVollzG SH), was im Fall von M. eindeutig zutrifft.

Diese Einschätzung verdeutlicht: Die medizinische und psychologische Versorgung der inhaftierten Menschen ist schlichtweg unzureichend. Vor Ort sind lediglich Allgemeinmediziner*innen und eine Psychologin der Notarztbörse. Dabei ist auffällig, dass Menschen trotz psychischer Auffälligkeiten für die Durchführung der Abschiebung gesund geschrieben werden – so auch M., der trotz seines Suizidversuches am 5. Januar bereits am 8. Januar einem Abschiebeversuch ausgesetzt wurde. Nach Angaben der Besuchsgruppe berichten die Betroffenen, dass sie bei der Behandlung psychischer Probleme nicht ernst genommen oder mit Tabletten abgespeist wurden.
Hinzu kommt, dass seit Jahresbeginn die Sozialberatung fehlt, obwohl eine unabhängige Beratung gesetzlich vorgeschrieben ist.  Nach dem aktuellen Stand werden die Stellen der Sozialberatung erst zum 01. Mai 2024 wieder besetzt. Des Weiteren wurde ehrenamtlichen Mitgliedern der Besuchsgruppe der Zugang zur Abschiebehafteinrichtung verweigert. Dabei haben inhaftierte Personen das Recht auf „die Möglichkeit der Kontaktaufnahme zu einschlägig tätigen Hilfs- und Unterstützungsorganisationen“ (§3 Abs. 2 Satz 2 AHaftVollzG SH). Auch Angehörigen der inhaftierten Personen wurde der Besuch verwehrt, obwohl es ein Recht auf Besuch gibt..

Schutzsuchende Menschen vor einer geplanten Abschiebung zu inhaftieren, ist keine rechtliche Notwendigkeit, sondern obliegt einer Ermessensentscheidung. Wie dies in Glückstadt umgesetzt wird, widerspricht rechtlichen Grundlagen, da keine Abschiebehafteinrichtung keinem “normalen” Gefängnis ähneln darf. Der Leiter der Einrichtung, Herr Jasper, nennt die Abschiebehaft “eine Hochsicherungseinrichtung” mit einem Standard “wie sonst kaum eine Justizvollzugsanstalt im Land” (Glückstädter Fortuna, 23.02.2024). Der Weiterführung dieser Hafteinrichtung fehlt demnach jegliche Legitimation, weil sie mit EU-Recht nicht vereinbar ist.
Wir fordern Sie als Teil der Landesregierungen auf, Ihren politischen Einfluss dahingehend einzusetzen, dass die Überführung schutzsuchender Menschen nach Glückstadt in Anbetracht der dortigen Umstände augenblicklich ausgesetzt wird und Sie die Abschiebehafteinrichtung in Glückstadt schnellstmöglich schließen.

Prof. Dr. Kerstin von der Decker, Sie tragen in ihrer Funktion als Justizministerin Schleswig-Holsteins die Verantwortung für das Abschiebegefängnisses und damit für das Leid der Menschen. Deshalb appellieren wir an Sie, dieser Verantwortung im Sinne der Menschenrechte und der inhaftierten Schutzsuchenden nachzukommen und die ersatzlose Schließung der Abschiebehafteinrichtung in Glückstadt anzuordnen.

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