Am 20. Dezember versuchte die Ausländerbehörde Kiel zwei Leute aus dem Kirchenasyl in Schwerin abzuschieben. Innenministerium und Polizei MV unterstützten das brutal. Am 23.12. haben wir eine solidarische Kundgebung organisiert.
Auch in Kiel gab es zeitgleich Protest. An beiden Kundgebungen nahmen jeweils 100 Leute teil - ein klares Signal an das Innenministerium MV und die Ausländerbehörde Kiel. Wir haben der Familie im Kirchenasyl Soli-Fotos von beiden Aktionen vorbeigebracht, um unsere Anteilnahme auszudrücken.
Was in Schwerin passiert ist, ist symptomatisch für die rassistische Asylpolitik, die zur Zeit immer weiter verschärft wird. Wir fordern:
- eine deutliche Positionierung des Innenministerium MV, dass das Kirchenasyl in Zukunft unangetastet bleibt.
- ein Ende der autoritären Asylgesetzverschärfungen und
- Schutz für Menschenrechtsaktivist:innen. Afghanistan ist nicht sicher!
Abschiebungen machen krank
Ernst-Ludwig Iskenius hat auf der Kundgebung einen Redebeitrag für Pro Bleiberecht gehalten. Wir dokumentieren diesen hier.
Zunächst vielen Dank an die Organisatoren, die diese Kundgebung noch vor den Feiertagen organisiert haben. Nach den Feiertagen wäre unser Anliegen wieder untergegangen.
Vielen Dank aber auch, dass Ihr trotz des nass-kalten Wetters gekommen seid. Ihr setzt ein Zeichen, um zu zeigen, dass dieser Angriff von uns, der aktiven Zivilgesellschaft, mit Protest und Widerstand zurückgewiesen wird. Wir können nicht einfach zusehen, wie die von uns jahrelang erkämpften Frei- und Schutzräume für bei uns Schutz suchenden Menschen wieder genommen werden. Dieser Angriff zielt klar auf die Würde von uns allen. Wir sollen uns nicht einbilden dürfen, Menschen, denen der Schutz staatlicherseits verweigert und das Recht, hier eine neue Heimat in Würde zu finden, abgesprochen wird, selbst dieses Menschenrecht verteidigen zu können. Es soll keine frei organisierten Schutzräume geben.
Jede Abschiebung ist ein staatlich legitimierter Gewaltakt. Er zielt direkt auf die Gesundheit der betroffenen Menschen. Er ist, wie viele noch glauben, kein Spaziergang oder Ausflug ins Herkunftsland oder, wie in diesem Fall in ein Dublin-Land, wo sie mit offenen Armen empfangen würden. Nein, er erschüttert zutiefst das Sicherheitsgefühl und reißt neue traumatische Wunden auf. Wir erleben es, wenn wir von den Zusammenbrüchen erfahren. Sie lassen, meist unsichtbar tiefe Wunden, Narben und Spuren zurück, an denen die Betroffenen manchmal lebenslang leiden müssen. Abschiebungen bedeuten: Ihr seid nicht willkommen, Ihr seid unerwünscht, Ihr habt kein Recht, hier zu sein. Dem müssen wir einen klaren Riegel vorschieben.
Dringend notwendige Schutzräume, um Fehlentscheidungen wenigstens halbwegs zu korrigieren, werden zunehmend eingeschränkt. Schutzräume sind wichtig, um endlich mal durchatmen zu können, endlich sich mal sicher vor staatlicher Gewalt fühlen zu können, endlich mal Menschen begegnen zu können, denen man vertrauen kann, alles Grundbedürfnisse, die eine staatlich verordnete Asylpolitik Geflüchteten zunehmend verwehrt.
Unsere Erfahrungen sind: Dieses ist meist der Anfang! Der Umgang mit Geflüchteten und hilfesuchenden Menschen ist häufig das Experimentierfeld, um allmählich weitere autoritäre Strukturen in die Gesellschaft einzupflanzen und Menschen ihre sozialen und selbst verwalteten Freiräume zu nehmen. Hilfe und Unterstützung wird zunehmend kriminalisiert. Sie müssen mit Gewalt und polizeilich beendet werden.
Ich erkläre hier offen und klar: Gegen dieses autoritäre Ansinnen werde ich mich mit allen meinen Möglichkeiten entgegenstellen und bis hin zu zivilen Ungehorsam unsere Würde aller verteidigen versuchen. Das ist bitter nötig, seit die jetzige Bundesregierung mit ihrem Rückführungsgesetz aus Rücksicht auf den Rechtspopulismus diese Angriffe institutionalisieren und ausweiten möchte. Die Würde einer offenen Gesellschaft gilt es zu verteidigen und nicht in Ohnmacht und Resignation versinken.
Ich danke Euch, dass Ihr hier zugehört habt.
Hinweis: Neue Meldestelle für Abschiebungen aus dem Krankenhaus
Wie das Kirchenasyl sollten Krankenhäuser Schutzräume sein. Wir verweisen deshalb an dieser Stelle auf die neue Meldestelle. Sie wurde von den IPPNW ins Leben gerufen. Ihr findet dort zudem Material für solidarische Arbeit im medizinischen Kontext.
www.behandeln-statt-verwalten.de
Dublin funktioniert nicht
Bereits im August haben wir anlässlich des Gedenkens an das Pogrom in Rostock-Lichtenhagen und an die daran anschließenden Gesetzesverschärfungen in einem Offenen Brief vom Innenministerium MV und der Landesregierung gefordert: Dublin-Abschiebungen aussetzen! Denn die brutale Abschiebepraxis hat ihre Wurzeln in rassistischen Gesetzen.
Der Brief blieb bisher unbeantwortet, der Inhalt bleibt aktuell.
Dublin-Abschiebungen aussetzen!
Im "Asylkompromiss" war die strukturelle Abschottung Mitteleuropas von Asylgesuchen mit der Einführung der sicheren Drittländer bereits angelegt und mündete Jahre später in der Dublin-Verordnung. Dass diese schlichtweg nicht funktioniert, weil sie das Selbstbestimmungsrecht der Betroffenen missachtet, zeigt sich in der andauernden Debatte um das nicht funktionsfähige Gemeinsame Europäische Asylsystem (GEAS). Menschen fliehen und migrieren nicht ohne Ziel.
Wir fordern die Landesregierung auf, sich in allen Gremien des Bundestags für eine vollständige Abschaffung der Dublin-Verordnung einzusetzen; auf Bundesebene darauf hinzuwirken, dass das BAMF einen Selbsteintritt für die Asylverfahren in allen Dublin-Fällen macht; und auf EU-Ebene keiner weiteren Zusammenarbeit mit rechtsextremen und faschistoiden Regierungen wie derzeit in Italien, Ungarn und Polen zustimmt.
Zwischenzeitlich fordern wir die Landesregierung auf, ausgleichende Maßnahmen auf Landesebene zu treffen:
- Aussetzung sämtlicher Dublin-Abschiebungen!
- Damit verbunden die zwischenzeitliche Erteilung von Abschiebeverboten und damit Schaffen eines Zugangs zu Bildung und Arbeit für die Betroffenen!