Am 22. August haben wir gemeinsam mit Rostock hilft e.V. die Kundgebung "Damals wie heute: No Lager!" vor dem Rostocker Rathaus organisiert. Wir ziehen die Verbindungslinie vom "Asylkompromiss" zum bis heute bestehenden institutionellen Rassismus in den Asylgesetzen.
Wir dokumentieren hier die Redebeiträge von der Kundgebung.
No Lager!
Redebeitrag von Rostock hilft e.V.
Beitrag kommt bald
Die Bedeutung der Migrant:innenselbstorganisationen im Antirassismus
Redebeitrag von Seyhmus Atay-Lichtermann
Beitrag kommt bald
Das Pogrom entstand nicht aus dem Nichts
Redebeitrag vom Roma Center e.V.
Die Täter sollen bestraft werden, und die Helfer sollen ausfindig gemacht werden.
Redebeitrag der Initiative "Mord verjährt nicht"
Keine zwölf Jahre nach dem Pogrom in Rostock-Lichtenhagen wurde in Toitenwinkel Mehmet Turgut Opfer eines rassistischen Mordes. Am 25. Februar 2004 wurde er vom rechten Terrornetzwerk „NSU“ ermordet.
„Memo – so nannten wir meinen großen Bruder Mehmet. Ich war 12 Jahre alt, als er in Deutschland ermordet wurde. […] Wir hatten […] nur wenig gemeinsame Zeit miteinander, denn Memo war häufig in Deutschland. Seine Stimme hörte ich oft nur durchs Telefon. Deutschland war wie ein Sog für ihn. Er hatte keine Arbeitserlaubnis dort, keine Aufenthaltserlaubnis. Er wurde abgeschoben und kehrte doch immer wieder dorthin zurück. Ich glaube, dass es ihm nicht sehr gut ging, dort. Und doch bedeutete Deutschland für ihn Hoffnung.“
„Mein Vater hatte zuvor ja einige Zeit in Deutschland gearbeitet. Er kannte Ausländerfeindlichkeit. Er war sich sicher: Das waren bestimmt die Kahlköpfe. […] Wir hatten keine andere Erklärung, doch keiner hat uns geglaubt. Das war das Schlimmste. Nur mein Vater war sicher: Es waren die Neonazis und eines Tages kommt die Wahrheit heraus.“
„Mein Bruder und die anderen Opfer werden nicht wieder zurückkommen, aber wir wünschen uns alle, dass wir unsere Antworten bekommen. Die Täter sollen bestraft werden, und die Helfer sollen ausfindig gemacht werden. Wir wünschen uns umfassende Aufklärung. Wir wünschen uns, dass so etwas in Deutschland nie wieder passiert.“
Größtmögliche Gesundheit und best mögliche medizinische Versorgung ist ein Menschenrecht.
Redebeitrag von Ernst-Ludwig Iskenius vom Psychosozialen Zentrum Rostock
Dieses Recht gilt unterschiedslos für alle Menschen, unabhängig von Herkunft, Geschlecht, Hautfarbe und sozialer Stellung, orientiert an den Möglichkeiten und Ressourcen, die die jeweilige Gesellschaften haben
Für Asylsuchende und einem Großteil von Geflüchteten gilt das in unserer relativ reichen Gesellschaft offensichtlich nicht:
Die medizinische Versorgung ist lediglich für sie auf akute gesundheitliche Störungen beschränkt. Das ist einzigartig und betrifft nur Geflüchtete, die bei uns Schutz gesucht haben. Chronifizierte gesundheitliche Beeinträchtigungen sollen erst dann behandelt werden,wenn sie einen gesicherten Aufenthaltsstatus haben. Dieses ist im Asylbewerberleistungsgesetz festgelegt. Dieses wurde als Reaktion auf die rassistischen Angriffe in Lichtenhagen 1993 bundesweit eingeführt. Man will bis heute abschrecken und hofft, das Leben dieser schutzsuchenden Menschen so schwer wie möglich zu machen. Dieser selektive Ausschluss von medizinischen Leistungen ist für uns als Heilberufler:innen nicht tragbar und muss als institutionellen Rassismus gebranntmarkt werden. Gesundheit ist unteilbar!!!
Geflüchtete haben schon aus Gründen von Sprachbarrieren häufig unzulänglichen Zugang zu unserem Gesundheitsversorgungssystem, es gibt bisher keine geregelte Finanzierung zur Sprachmittlung im Gesundheitswesen, ganz im Gegensatz zum Polizei- und Gerichtswesen.
Das hat häufig erhebliche Konsequenzen für die Betroffenen, die ihr Leid und ihre gesundheitlichen Beeinträchtigungen nicht adäquat äußern können. Es führt zu überdurchschnittlich häufigen Fehldiagnosen und Verschleppungen von dringend notwendigen medizinischen Behandlungen. Dieser Umstand hemmt obendrein den geregelten Betrieb in Praxen und Krankenhäusern. Den berechtigten Ärger über den ausgrenzenden Mehraufwand für das Personal müssen häufig Geflüchtete einstecken, weswegen sie sich häufig wegen ihres Status ausgeschlossen und minderwertig fühlen. Besonders gravierend wirkt sich das bei der sprechenden Medizin aus. Viele sind von vornherein davon ausgeschlossen, nur weil eine Sprachmittlung fehlt. Das Recht auf Behandlung in der erworbenen Muttersprache, wie es in anderen Ländern selbstverständlich ist, wird hier mit Füßen getreten.
Geflüchtete haben nicht die Freiheit, sich dort niederzulassen oder zu leben, wo es ihren Bedürfnissen entspricht. Selbst Familien (Ausnahmen Eltern mit minderjährigen Kindern) werden auseinandergerissen, Freund:innen und Verwandte getrennt. Dagegen werden sie häufig in Lagern eng zusammengepfercht, manchmal wie z.B. Horst ohne ausreichende Infrastruktur und Zugang zu selbstverständlicher Grundversorgung. In nicht wenigen Fällen müssen sie Monate, einige auch Jahre zwangsweise in Verhältnissen wohnen, die überhaupt keine Privatsphäre zulassen wie z.B. in der Industriestrasse hier in Rostock. Das macht krank, krank wegen ausgrenzender rassistischer Strukturen. Besonders traumatisierte Geflüchtete, die vom Gesetz her zu den besonders schutzbedürftigen zählen, werden durch solche Unterbringungsverhältnisse weiter geschädigt und erst richtig krank.
Erniedrigend ist auch die Essensversorgung, die nur unzureichend auf Gewohnheiten und kulturelle Aspekte Rücksicht nimmt. Häufig ist die eigene Zubereitung ihres Essens die letzte Möglichkeit, ihre Selbstbestimmung und selbst Betätigung in einem durchverwalteten Alltag zu bewahren. Auch hier wird ihnen das letzte Stück Würde ihnen genommen, indem ihnen vorgegeben wird, was sie zu essen haben. Auch das ist ein deutlicher Unterschied zur deutschen Bevölkerung.
Ein besonders gravierender Eingriff in Würde und körperlicher und seelischer Unversehrtheit ist die bisher in der Öffentlichkeit kaum thematisierte Praxis, ist: Menschen werden aus stationärer Behandlung polizeilich, selbst nachts, abgeholt, um sie abzuschieben. Das Krankenhaus ist für sie kein sicherer Ort mehr, wo man seine körperlichen und seelischen Wunden voraussetzungslos behandeln kann. Diese institutionelle Praxis ist absolut inakzeptabel und sollte für gesetzeswidrig, menschenfeindlich und als rassistisch erklärt werden. Nach meinen Informationen hat bisher nur Schleswig-Holstein diese menschenunwürdige Praxis offiziell eingestellt. MV sollte sich dem anschließen.
Es gibt noch viele Beispiele, die in der Gesundheitsversorgung von Geflüchteten, rassistisch benannt werden müssen. Als Zivilgesellschaft müssen wir uns mit aller Macht dagegen auflehnen, allein um die rechtsstaatlichen und demokratischen Werte zu verteidigen. Schädigende, rassistische Spuren zum Ausschluß des Menschenrechts auf bestmögliche Gesundheit fördern rassistisches Denken und befeuern rassistische Gewaltmasssnahmen. Sie machen letztlich unsere Gesellschaft kaputt. Offensichtlich sind Geflüchtete Menschen 2. Klasse. Dem müssen wir entschieden entgegen treten. Es gibt nur ungeteilte Menschenrechte.
Asylbewerberleistungsgesetz abschaffen!
Redebeitrag von Pro Bleiberecht MV
- Asylsuchende und Geduldete müssen von ca. 80% des Existenzminimums leben. Das wären 410€ (statt 500€ wie Bürgergeld), wenn es voll ausgezahlt würde.
- Wird es aber nicht, weil sich das Seehofer-Ministerium vor einigen Jahren einen kleinen Trick zum Geldsparen und Leute-abschrecken ausgedacht hat: Geflüchtete in Sammellagern werden zur sog. "Schicksalsgemeinschaft" erklärt und landen in Bedarfsstufe 2. Sie bekommen also nur ca. 370€.
- In Rostock werden darüberhinaus derzeit in einigen Unterkünften nur Sachleistungen für Essen ausgegeben - unabhängig davon ob die Leute das Essen dort auch wirklich Essen. Schwupps sind sind die Aozialleistungen nur noch bei 210€ pro Monat.
- Asylsuchenden steht auch nicht wie Leuten, die Geld vom Jobcenter bekommen, ein Freibetrag zu, mit dem sie kleine Ersparnisse ansammeln können, um zB Altersarmut etwas abzupuffern.
- On top kommt die schlechter gestellte medizinische Versorgung, von der bereits mein Vorredner gesprochen hat und Leistungskürzungen auf das sog. "physische Existenzminimum", die als Druckmittel eingesetzt werden um Abschiebungen leichter organisieren zu können.