In diesen Tagen finden zwei Internationale Aktionstage statt: Der Tag der politischen Gefangenen wird am 18. März weltweit von Menschenrechtsorganisationen und Aktivist*innen begangen, um Aktivist*innen in Gefangenschaft zu unterstützen, für ihre Freiheit zu kämpfen und den Blick der Öffentlichkeit auf die Verbrechen von Regimen und Diktaturen zu richten. Und am 21. März machen menschen weltweit auf Rassismus aufmerksam.
Als antirassistische Initiative hat Pro Bleiberecht nahezu jeden Tag mit Menschen zu tun, die in ihren Herkunftsländern ihr Leben riskiert haben, indem sie politisch aktiv waren. Diejenigen, die wir hier treffen, sind diejenigen die Knäste und Repression überstanden haben. In Deutschland wiederum begnet vielen Rassismus - sowohl persönlich als auch institutionell, vor Behörden und in Gesetzen.
Wir wollen euch einige grundsätzliche Infos über die letzten rassistischen Asylgesetzverschärfungen geben. Diese liegen bereits etwas zurück. Ihre Auswirkungen fanden wegen anderer dringender Themen im letzten Jahr leider nicht viel Beachtung in der Öffentlichkeit.
Das deutsche Asylsystem wird von Asylsuchenden oft als „unsichtbares Gefängnis“ beschrieben. „Das ist kein Leben. Sie nehmen uns das Menschliche“ ist eine Formulierung, die wir immer wieder hören. Dieser Effekt ist politisch gewollt. Denn mit dem Asylgesetz setzt die Bundesregierung vorrangig auf Abschreckung. Außerdem wird mit der Verschärfung der Gesetze rund um Abschiebehaft diese Haft, die Menschen dafür bestraft, dass sie selbst bestimmen wo sie leben wollen, immer häufiger werden.
Verschärfter Rassismus in Gesetzen
August 2019 trat ein Gesetzespaket in Kraft, dessen Kern sind:
Isolation, Desintegration, Abschiebung. Gespickt mit ein paar Pseudo-Perspektiven, die wegen ihrer engen Voraussetzungen für kaum jemanden greifen. Dieses Gesetzespaket sieht folgendes vor:
Erstens: Die Ärmsten der Armen sollen noch ärmer werden: Sozialleistungen für Asylsuchende und Geduldete sind ohnehin schon nur etwa 70% von Hartz 4, also weit unter dem Existenzminimum. Dieses Geld ist jetzt
a) regelhaft niedriger. Indem sich der Staat die Zwangsgemeinschaften in Flüchtlingsunterkünften als eine Art Liebesbeziehung vorstellt und die Leute in Bedarfsgruppe 2 steckt. Das Landessozialgericht MV hat das längst für verfassungswidrig erklärt. Die Behörden zahlen trotzdem weiter weniger Geld.
b) Kürzungen dieser Leistungen sind jetzt noch einfacher für die Behörden.
c) außerdem werden Flüchtlinge, die bereits Anerkennungen in anderen EU-Ländern haben, völlig vom Leistungsbezug ausgeschlossen, wie es vorher schon für viele EU-Bürger*Innen der Fall war.
Zweitens: Menschen werden noch länger in sogenannten Erstaufnahmelagern isoliert. Diese werden damit zu dauerhaften Lagern. Dort macht nun das BAMF eine so bezeichnete „unabhängige staatliche Asylverfahrensberatung“ inklusive "Rückkehrberatung" (also Ausreiseberatung).
Hier erschreckt uns der Begriff "unabhängig staatlich". Er macht die Systematik deutlich, mit der der Staat durch plumpes Wording und Pseudo-Zugeständnisse jahrelange Forderungen von NGOs und Wohlfahrtsverbänden verhöhnt und untergräbt.
Drittens: Die Menschen werden zusätzlich noch systematisch sozial isoliert. Es wurde ein neuer Status eingeführt, die sog. 60b-Duldung. Dieser Status soll Leute dazu zwingen, sich Passdokumente und damit ihre eigene Abschiebung selbst zu organisieren. Dieser Status führt zu Arbeitsverbot, Leistungskürzungen, Wohnsitzauflagen, einfacherem Freiheitsentzug in Abschiebehaft. Davor müssen wir uns in MV wirklich fürchten. Denn dieser Status ist der feuchte Traum aller Rassist*innen in deutschen Ausländerbehörden. Dieser Status macht Migrant*innen ganz deutlich: Du bist NICHTS – außer du spurst.
Neben der B-Duldung wird die soziale Isolation aber auch vorangetrieben, indem Unterstützer*innen kriminalisiert werden. Wer Abschiebetermine verrät und verbreitet wird ab jetzt wegen Verletzung von Dienstgeheimnissen bestraft. Dies trifft vorrangig Mitarbeiter*innen von Behörden. Beihilfe ist natürlich ebenso strafbar, und dann uns. Das soll entsolidarisieren. Das soll die betroffenen Geflüchteten alleine im Regen stehen lassen. Die Isolation ist Mittel zum Zweck.
Denn tatsächlich geht es mit den Gesetzesverschärfungen um Abschiebung. Wahlweise auch darum die Leute so sehr zu zermürben, dass sie vorher von selbst gehen. Die Unterstellung dahinter: Jede*r Migrant*in ist ein potentieller Terrorist. Bald sollen schon 6-jährigen Kindern die Fingerabdrücke abgenommen werden. Für alle, die im Ausländerzentralregister verzeichnet sind, wurde eine zentrale Personenkennziffer festgelegt, die alle Informationen der Behörden über sie zentral bündelt. Grundrechte adé.
Abschiebehaft: Flucht ist kein Verbrechen!
Anfang 2020 entschied das Justizministerium MV dem Innenministerium 5 Plätze für Abschiebehaft in Neustrelitz zur Verfügung zu stellen. Von hier sollen ab jetzt bis zu 60 Geflüchtete pro Jahr abgeschoben werden. Die Regelung steckte ebenfalls in den Gesetzesverschärfungen von 2019. Sie fußt auf der Aussetzung des sogenannten "Trennungsgebots", das in einem Urteil des EUGH 2014 festgelegt wurde. Das Trennungsgebot besagt, dass Asylsuchende getrennt von Straftäter*innen inhaftiert werden müssen - schlichtweg weil sie kein Verbrechen begangen haben. "Aussetzung" ist amtsdeutsch dafür, dass der Staat sich über geltendes Recht hinweg setzt.
Pro Bleiberecht ist Teil des Bündnisses "Glückstadt ohne Abschiebehaft". Hier protestieren Initiativen aus MV, Schleswig-Holstein und Hamburg gegen den in Bau befindlichen Abschiebeknast in Glückstadt. Die drei Bundesländer schaffen hier jeweils 20 Abschiebehaftplätze, der Knast soll noch dieses Jahr in Betrieb genommen werden. MV plant also zukünftig jährlich etwa 250 Menschen aus der Haft heraus abzuschieben. Zehnmal so viele wie in den vergangenen Jahren überhaupt abgeschoben wurden. Lest mehr zum Abschiebeknast in Glückstadt auf der Seite des Bündnisses. Beteiligt euch am Bündnis.
Freiheit, Unterstützung, Solidarität - statt Repression und Abschottung
Ob Polizeigesetzverschärfung, Asylgesetzverschärfung oder Abschiebehaft. Auf die Repression der Behörden antworten wir: Wir machen weiter! Wir werden auch in Zukunft solidarische Unterstützungsformen entwickeln. Wir werden auch in Zukunft für Freiheit und gegen Rassismus kämpfen.
Denn wir wissen von unseren Freundinnen und Freunden aus Iran, Syrien, Kurdistan, Russland, und anderen Ländern, was es heißt in Polizeistaaten und Diktaturen zu leben. Und was es heißt, mit jeder Demonstration der Gefahr der Inhaftierung und Folter ausgesetzt zu sein. Und kaum atmen zu können, weil hinter jeder Wand der Geheimdienst lauert.
Deshalb, als ersten solidarischen Schritt hier vor Ort in Mecklenburg-Vorpommern: Durchbrecht die Isolation der Asylsuchenden in Lagern! Fahrt zum Beispiel mit uns am 28. März nach Horst. Fangt an mit den Aktivist*innen zu reden, die von sozialen Kämpfen und Ungerechtigkeit in aller Welt berichten können. Durchbrecht aber auch die soziale Isolation, die Armut und unsichere Aufenthaltsstatus hervorrufen! Unterstützt Menschen in Abschiebehaft!