Über vermeintlich extreme Forderungen

Hier könnt ihr diesen Text anhören. Wir haben ihn als Redebeitrag bei der Demo "Refugees are Welcome!" in Schwerin gehalten.

Wir schreiben diesen Artikel, weil eine Aktivistin von Pro Bleiberecht nach der Kundgebung "Solidarität mit den Menschen auf Lesvos! Wir haben Platz!" einen Anhörungsbogen vom Staatsschutz erhalten hat, der sich mit einer "Spontandemo" befasst, die nach der Kundgebung stattgefunden hat. In dem Schreiben schildert der Staatsschutz den Verlauf einer "nicht angemeldeten Versammlung". In dieser Demo seien Transparente gezeigt worden, die unter anderem die Statements "Kein Mensch ist illegal" und "Refugees Welcome" zeigten. 

Wir sind verwundert, für was die Polizei in MV so alles Zeit hat. Aber ok. Wir nehmen uns wiederum auch Zeit für etwas Bildungsarbeit. Darüberhinaus hoffen wir, dass die Kapazitäten des Staatsschutz auch für die Beschäfttigung mit Nazis und Kolleg*innen reichen (z.B. denen hier)

Kein Mensch ist illegal

Dieses bekannte Zitat stammt von Elie Wiesel. Er war ein Friedensnobelpresiträgr mit jüdischen Wurzeln und Überlebender der Shoah. Im April 1945 wurde er mit vielen anderen politisch Verfolgten des Nazi-Regimes aus Buchenwald befreit.

Etwas tiefer in die Zitate-Kiste gegriffen, lautet der Ausspruch: 

Wenn wir Antira-Aktivist:innen uns auf Elie Wiesel beziehen, drücken wir auch immer die antifaschistische Grundhaltung aus, die für uns die Konsequenz aus der nationalsozialistischen Vernichtungs-Ideologie und -Lager ist. Internationale Abkommen wie die Genfer Flüchtlingskonvention sind eine weitere Konsequenz zum Schutz von Verfolgten. Wir kritisieren mit dem Slogan "Kein Mensch ist illegal" die Angriffe auf das Grundrecht auf Asyl und rassistische Gesetze gegen Asylsuchende und Migrant*innen, die die Bundesregierung (besonders in der Kombination CDU/CSU & SPD) seit den 90er Jahren immer wieder voranbringt. 

Refugees Welcome

Der Spruch kommt aus der linken, antirassistischen Bewegung. Das bekannte Logo greift ein US-amerikanisches Straßenschild auf, das auf Highways nahe der mexikanischen Grenze dazu mahnte auf Geflüchtete zu achten.

"Refugees Welcome" wurde in Deutschland später Ausdruck der sogenannten Willkommenskultur. Also einer Haltung, die das Grundrecht auf Asyl in einer täglichen solidarischen Praxis umsetzen möchte - jedem:jeder Asylsuchende:n als individuelle Haltung gegenüber und mit der klaren Positionierung gegen Rassismus und Vorurteile.

Glückstadt ohne Abschiebehaft 

Ein weiterer Anlass für uns diesen Artikel zu schreiben ist eine kleine Anfrage im Landtag MV. Im Mai 2019 hatte Pro Bleiberecht dazu aufgerufen an der Fahrraddemo gegen den Abschiebeknast in Glückstadt teilzunehmen. Kürzlich lasen wir, dass diese Demo "linksextrem beeinflusst" gewesen sein soll und sich jemand die Mühe gemacht hat unsere Reisegruppe - übrigens falsch - zu zählen. 

Ist es linksextrem dagegen zu sein, dass Leute eingeknastet werden, die kein Verbrechen begangen haben? Ist es linksextrem zu fordern, dass Kinder nicht in Haft landen? Ist es linksextrem nicht zu wollen, dass Leute in Kriegsgebiete wie Afghanistan oder Länder abgeschoben werden, in denen sie Unrechtsregimen ausgesetzt sind?

Klare Antwort: Nein. Das ist einfach nur normal. Extrem sind die Leute, die das wollen und entsprechende Gesetze dafür machen - im wahrsten Sinne des Wortes also Rechts-Extremisten* sind.

Datenschmutz statt Staatsschutz

Wir wollen den Anlass nutzen euch auf die wunderbare Webseite www.datenschmutz.de hinzuweisen. Dort könnt ihr sogenannte Auskunftsersuchen machen und abfragen, was die Behörden über euch gespeichert haben. Gute Sache, denn wie ihr seht: Auch demokratischer, zivilgesellschaftlicher Protest wird kritisch beäugt. Grade in Mecklenburg-Vorpommern sollten wir uns bewusst sein, dass "auf dem rechten Auge blind" eine Verharmlosung der rechten Strukturen und systematischen Unterwanderung von Polizeien in MV wäre.

Solche Auskunftsersuchen sollten möglichst viele Leute machen. Mit der Verschärfung des Polizeigesetzes in MV ist es noch leichter geworden Daten zu sammeln. MV will derzeit sogar im Bundesrat die Vorratsdatenspeicherung voran bringen. Es ist immer gut zu wissen, was über euch gespeichert wird.

Also ab auf datenschmutz.de! Vorlage ausfüllen, ausdrucken, abschicken. Wenn du eine Antwort bekommst und klar wird, dass Dinge über dich gespeichert wurden, wende dich vertrauensvoll an die Genoss*innen der Roten Hilfe Rostock, Roten Hilfe Greifswald oder SchwarzRotenHilfe Rostock.

*Mit unserem kleinen Wortspiel wollen wir keineswegs andeuten, dass wir die Extremismus-Theorie gut finden.