Redebeitrag bei der zweiten Demo gegenn die Verschärfung des Polizeigesetzes in MV
Am 18. August hat PRO BLEIBERECHT auf der Demo gegen das neue MV-Polizeigestez in Rostock den folgenden Redebeitrag gehalten.
Wir stehen hier am Doberaner Platz vor der SPD-Zentrale. Hoffentlich in Hörweite, denn ich sage: SPD, schämt euch! Schämt euch für die Asyl-Politik, die ihr mittragt! Schämt euch für den Rassismus, den ihr zu Gesetzen macht! Schämt euch dafür, Menschen arm zu machen. Schämt euch dafür, die soziale Spaltung voranzutreiben!
Ich werde in meinem Beitrag über Repression und Gesetzesverschärfung gegen Asylsuchende und Geflüchtete sprechen. Ich spreche für PRO BLEIBERECHT, eine antirassistische Initiative, die sich MV-weit für solidarische Unterstützung einsetzt.
Das neue Polizeigesetz wird die Bürgerinnen und Bürger in ihren Rechten vor der Polizei, also vor dem Staat, schwächen. Die Rechte von Asylsuchenden sind seit jeher Angriffen von Rechten, Rassist*innen und Populist*innen ausgesetzt. Aktuell ganz groß dabei: Unsere Regierungsparteien in Bund und Land, die CDU/CSU und die SPD. Denn:
Im wurde Juni ein Gesetzespaket verabschiedet, dessen Kern sind: Isolation, Desintegration, Abschiebung. Gespickt mit ein paar Pseudo-Perspektiven, die wegen ihrer engen Voraussetzungen für kaum jemanden greifen werden.
Dieses Gesetzespaket sieht folgendes vor:
Erstens: Die Ärmsten der Armen sollen noch ärmer werden: Sozialleistungen für Asylsuchende und Geduldete sind ohnehin schon viel niedriger als Hartz 4, also weit unter dem Existenzminimum. Dieses Geld wird jetzt
a) regelhaft niedriger. Indem sich der Staat die Zwangsgemeinschaften in Flüchtlingsunterkünften als eine Art Liebesbeziehung vorstellt und die Leute in Bedarfsgruppe 2 steckt.
b) Kürzungen dieser Leistungen werden noch einfacher für die Behörden.
c) außerdem werden Flüchtlinge, die bereits Anerkennungen in anderen EU-Ländern haben, völlig vom Leistungsbezug ausgeschlossen, wie es jetzt schon für viele EU-Bürger*Innen der Fall ist.
Zweitens: Menschen werden noch länger in sogenannten Erstaufnahmelagern isoliert. Diese werden damit zu dauerhaften Lagern. Dort soll nun das BAMF eine so bezeichnete „unabhängige staatliche Asylverfahrensberatung“ machen.
Hier erschreckt uns der Begriff "unabhängig staatlich". Er macht die Systematik deutlich, mit der der Staat durch plumpes Wording und Pseudo-Zugeständnisse jahrelange Forderungen von NGOs und Wohlfahrtsverbänden verhöhnt und untergräbt.
Drittens: Die Menschen werden zusätzich noch systematisch sozial isoliert. Es wurde ein neuer Status eingeführt, die sog. 60b-Duldung. Dieser Status soll Leute dazu zwingen, sich Passdokumente und damit ihre eigene Abschiebung selbst zu organisieren. Dieser Status führt zu Arbeitsverbot, Leistungskürzungen, Wohnsitzauflagen, einfacherem Freiheitsentzug in Abschiebehaft. Davor müssen wir uns in MV wirklich fürchten.
Denn dieser Status ist der feuchte Traum aller Rassist*innen in deutschen Ausländerbehörden. Dieser Status macht Migrant*innen ganz deutlich: Du bist NICHTS – außer du spurst. Repressive Ausländerbehörden gibt es in Mecklenburg-Vorpommern genug. Sie werden sich über die Repressionsmöglichkeiten freuen, die sich für sie ergeben.
Neben der B-Duldung wird die soziale Isolation aber auch vorangetrieben, indem Unterstützer*innen kriminalisiert werden. Wer Abschiebetermine verrät und verbreitet wird ab jetzt wegen Verletzung von Dienstgeheimnissen bestraft. Beihilfe ist natürlich ebenso strafbar.
Das soll entsolidarisieren.
Das soll die betroffenen Geflüchteten alleine im Regen stehen lassen. Die Isolation ist Mittel zum Zweck.
Denn tatsächlich geht es mit dem ganzen Gesetzespaket um Abschiebung. Wahlweise auch darum die Leute so sehr zu zermürben, dass sie vorher von selbst gehen.
Die Unterstellung generell an alle Asylsuchenden: Sie kommen hier her - in Massen, sie lügen und betrügen, sagen nicht wer sie sind und lassen sich nicht abschieben.
Die Unterstellung dahinter: Jede*r Migrant*in ein potentieller Terrorist. Bald sollen schon 6-jährigen Kindern die Fingerabdrücke abgenommen werden. Für Nicht-Deutsche soll eine zentrale Personenkennziffer festgelegt werden, die alle Informationen der Behörden über sie zentral im Ausländerzentralregister bündelt. Grundrechte adé.
Wir sind nun an der Stelle angelangt, die klar macht, warum wir euch das alles hier auf dieser Demo erzählen. Diese Gesetzesverschärfung kommt zeitlich dicht an den Polizeigesetzverschärfungen in vielen Bundesländern.
Beide greifen ineinander. Das neue Polizeigesetz ermöglicht es Cops, Staat und Geheimdiensten diejenigen ganz einfach auszuschnüffeln, die Dinge tun, die ihnen nicht passen. Geflüchtete zu unterstützen gehört mittlerweile dazu. Seehofer ist bekanntermaßen ein großer Ungarn-Fan. Unter Orban ist mittlerweile JEDE Form der Unterstützung für Geflüchtete strafbar, auch humanitäre Hilfe.
Geflüchtete selbst sind auch ein leichtes Ziel für die Behörden: In Sammellagern haben dutzende Menschen ungewollt Kontakt zu potentiellen Zielpersonen. Und gleichzeitig kein Geld, um Anwält*innen zu bezahlen.
Die neuen Gesetze – SOG und Migrationspaket – sollen entsolidarisieren. Beide haben ihre Wege, doch was sie eint ist die Pseudo-Beruhigung an die unbescholtenen Bürger*innen: Wer nichts zu verbergen hat, hat nichts zu befürchten. So macht sich jede*r, der*die die eigenen Grundrechte verteidigt gleich verdächtig.
Sowohl die Angriffe auf unsere Freiheit durch das Polizeigesetz als auch durch die Verschärfungen im Migrationspaket beantworten wir mit einem entschlossenen: Wir machen weiter!
Denn wir wissen von unseren Freundinnen und Freunden was es heißt in Polizeistaaten und Diktaturen zu leben; und was es heißt, mit jeder Demonstration der Gefahr der Inhaftierung und Folter ausgesetzt zu sein; und kaum atmen zu können, weil hinter jeder Wand der Geheimdienst lauert.
Wir wissen unsere Freiheit zu schätzen. Die Freiheit, für die unsere Freund*innen aus Kurdistan, aus Afghanistan, aus Guinea, aus Sierra Leone, aus Syrien, aus Mauretanien und aus dutzenden anderen Ländern hierher gekommen sind.
Und wir lassen uns diese Freiheit nicht einfach nehmen!
Deshalb, SPD und CDU: Stoppt die Verschärfung des Polizeigesetzes in MV! Verantwortet nicht die Einschränkung unserer Bürgerrechte!
Und weiterhin: Durchbrecht die Isolation der Asylsuchenden in Lagern! Durchbrecht aber auch die soziale Isolation, die Armut und unsichere Aufenthaltsstati hervorrufen! Gewährt die Bürgerrechte allen Menschen, die hier sind. Alles andere ist nichts weiter als vornehm ausgedrückter Rassismus.