Solidarität muss ungehorsam werden

Ziviler Ungehorsam als Protestform gegen Rassismus und andere menschenverachtende Ideologien

Vom Unwohlsein zum Protest - Solidarität muss praktisch werden!

Als Linke, Demokrat*innen und Menschenrechtsaktivist*innen haben wir menschenverachtender Hetze etwas entgegenzusetzen: Unsere Vorstellung von einer Welt der Gleichberechtigung und der größtmöglichen Freiheit für jeden Menschen - ungeachtet der Herkunft, Staatsangehörigkeit, der Religion, der geschlechtlichen Identität, der sexuellen Orientierung, des Einkommens, des Alters, der äußeren Erscheinung, ob arbeitend oder nicht, ob gesund oder nicht. Wir stellen uns gegen jede rassistische und sexistische Ideologie, gegen jede Hetze und gegen menschenverachtende Gewalt. Es soll aber nicht bei bloßen Lippenbekenntnissen bleiben – es gilt aktiv zu werden und sich bei Protesten gegen Neonazis und Rassist*innen zu beteiligen.

Was ist eigentlich Ziviler Ungehorsam?

Mit Jürgen Habermas:

„Ziviler Ungehorsam ist ein moralisch begründeter Protest, dem nicht nur private Glaubensüberzeugungen oder Eigeninteressen zugrunde liegen dürfen; er ist ein öffentlicher Akt, der in der Regel angekündigt ist und von der Polizei in seinem Ablauf kalkuliert werden kann; er schließt die vorsätzliche Verletzung einzelner Rechtsnormen ein, ohne den Gehorsam gegenüber der Rechtsordnung im Ganzen zu affizieren; er verlangt die Bereitschaft, für die rechtlichen Folgen der Normverletzung einzustehen; die Regelverletzung, in der sich ziviler Ungehorsam äußert, hat ausschließlich symbolischen Charakter – daraus ergibt sich schon die Begrenzung auf gewaltfreie Mittel des Protests.“

Gegen Faschismus und Unterdrückung - Unsere Kämpfe sind international!

Der Rechtsruck macht sich nicht nur in Deutschland bemerkbar – er ist in vielen Staaten ein Problem. Lasst uns, unsere Proteste hier als Teil einer globalen Bewegung für Freiheit und Menschenrechte begreifen! Die Bewegung kämpft oft kreativ, meistens gewaltfrei und immer konsequent gegen die Unterdrücker*innen dieser Zeit.

Die Unterdrückung und Repression in den Regimen im Iran, in Syrien, in der Türkei und in vielen anderen Staaten sind härter als hier. Aktivist*innen fürchten dort in Massen um ihr Leben und ihre Freiheit. Sie gefährden mit jeder Teilnahme an einer Demonstration nicht nur sich selbst, sondern auch ihre Familien und Freund*innen. Und dennoch: Sie begehren auf und setzen sich für ein selbstbestimmtes und freies Leben ein. Die Besetzung des Tahir-Platzes in Ägypten, der Weiße Mittwoch im Iran oder nachbarschaftliche Unterstützungsnetzwerke in Spanien sind nur einige Beispiele – sie alle zeugen von Mut.

Viele Proteste - Viele Erfolge!

Die Protestformen sind vielfältig. Global können wir uns aus einem breiten Fundus bedienen und neue Ideen entwickeln. Die meisten werden Demonstrationen und Kundgebungen kennen. Doch gibt es noch mehr Aktionsformen. Ein paar wollen wir hier kurz vorstellen:

Sitzblockaden
In Sitzblockaden setzen Menschen das ein, was sie immer bei sich tragen -ihren eigenen Körper. 1000e Körper können viel bewegen: Einen Castor 100 Stunden lang verzögern wie im Jahr 2010 im Wendland; einen ganzen Platz besetzen und damit ein Regime stürzen wie 2011 in Ägypten; Geschichtsverdrehern den Spaß verderben wie 2012 in Dresden und heute – Nazis blockieren und sie unzufrieden nach Hause schicken.

Menschenketten
Wenn das Wetter zu kalt und ungemütlich ist, um sich hinzusetzen oder wem eine Sitzblockade vielleicht "zu heftig" erscheint, kann es auch gerne mit einer Menschenkette versuchen. Menschen können sich einhaken oder an den Händen halten, um sich Nazis und Rassist*innen auf diese Weise in den Weg zu stellen und dadurch ihren Protest gegen die Menschenfeind*innen auszudrücken. Wie bei einer Sitzblockade gilt auch hier - je mehr Menschen mitmachen, um so effektiver wird das politische Zeichen.

Schafft Symbole
Als Vida Movahed im Januar 2018 im Iran ihr Kopftuch an einen Stock band, taten tausende Frauen (und Männer) es ihr nach. Das Gesetz wurde gebrochen – und dieser Bruch wurde mutig in die Kamera gehalten. Symbole vereinen uns.
Seit Sommer 2018 sind mehr als 50.000 Menschen in orangener Kleidung und mit Rettungswesten auf die Straßen in Europa gegangen. Niemand hat sie koordiniert – sie griffen das Symbol der Aktion Seebrücke auf und demonstrierten gegen das Sterben im Mittelmeer. Wenn eine Kampagne oder ein Protest bereits Symbole hat, verbreitet diese. Wenn es noch keine gibt, findet ihr vielleicht passende oder denkt euch selbst welche aus.

Weitere Aktionsideen sind das Straßentheater, Flashmobs, die Clowns Army, Streetart, Kletteraktionen, und vieles weitere mehr! Werdet kreativ und aktiv, denn meist ist es das Zusammenspiel verschiedener Protestformen, die für einen gemeinsamen Erfolg sorgen.

Und nun? – Aktiv werden!

„Viele Leute sind von zivilem Ungehorsam beunruhigt. Sobald man davon spricht, zivilen Ungehorsam zu begehen, regen sie sich auf. Aber genau dies ist die Absicht von zivilem Ungehorsam: Leute aufzuregen, sie zu stören, sie zu beunruhigen. Wir, die wir zivilen Ungehorsam begehen, sind auch beunruhigt, und wir müssen diejenigen beunruhigen, die für den Krieg verantwortlich sind.“

In Anlehnung an Howard Zinn möchten wir euch ermutigen, verschiedene Aktionsformen* auszuprobieren und euch mittels zivilem Ungehorsam überall dort in den Weg zu stellen, wo es notwendig wird - gegen Nazis und Rassist*innen, gegen Abschiebungen und das Sterben im Mittelmeer, gegen Kohlekraftwerke und die Rodung von Wäldern! Kurz: Gegen das Unrecht und gegen die Unterdrückung!

*Lese- und Filmtipp: Für diejenigen, die sofort noch mehr über das Thema des Zivilen Ungehorsams und verschiedene Protestformen wissen möchten, haben wir einen Lese- und Filmtipp. Der Film "Everyday Rebellion" (siehe Youtube) etwa gibt Impulse und gute Einblicke in verschiedene Kämpfe ganz verschiedener Aktivist*innen. Der Text "Ziviler Ungehorsam - Ein umkämpfter Begriff" von der Bundeszentrale für politische Bildung schafft ein Grundverständnis für eine kritische Haltung der Zivilgesellschaft. Die Theoretiker*innen unter euch können gerne weitere Texte von Howard Zinn und Jürgen Habermas zum Thema lesen. Und nun ab auf die Straße – denn was wäre Theorie ohne Praxis?
** Vielen Dank für das Bild an Bildwerk Rostock!