Fakten zur Bezahlkarte

Manu Schwesig kam Ende 2023 mit der Bezahlkarte von der Ministerpräsident:innenkonferenz. Sie wurde ohne jede gesellschaftliche oder politische Debatte in MV eingeführt. Die SPD gibt mit der Bezahlkarte dem Druck von rechts nach und verschärft das Abschreckungsregime. Einige Fakten.

Klarstellungen zur Bezahlkarte.

Update, 10.12.24: Das Informations-Portal “Frag Den Staat” hat interne Unterlagen der Arbeitsgruppe zur Ausarbeitung der sog. „bundesweiten Mindeststandards“ für die Bezahlkarte ausgewertet. Demnach haben „die Länder […] mit Unterstützung des Bundes die Mindeststandards bewusst in eine Richtung gelenkt, die gegen Grund- und Datenschutzrechte verstößt“. 

Eine neue Studie des DIW zeigt außerdem, dass das oft vorgebrachte Argument für die Bezahlkarte, dass Asylsuchende zu viel Geld ins Ausland überweisen würden, populistischer Quatsch ist: nur ein Bruchteil (7%) der Asylsuchenden überweist überhaupt Geld ins Ausland. Und diese sind für die Angehörigen oft überlebensnotwendig im Sinne der Armutsbekämpfung.

Auch das Recht auf Datenschutz wird durch die Bezahlkarte verletzt: IT-Expert*innen haben darauf hingewiesen, dass hochsensible Daten über Asylsuchende in die Hände von Privatunternehmen kommen, indem die BezahlKarte mit den Einträgen im AZR ("Ausländerzentralregister") verknüpft ist. Dort sind seit einiegen Jahren sogar Angaben über politische Überzeugung, sexuelle Orientierung oder psychische Erkrankungen abgelegt.

Fakt 1: Die behauptete Abschreckung von Asylsuchenden durch die Bezahlkarte funktioniert nicht. Sie schadet aber der ganzen Gesellschaft. Sie ist außerdem verfassungswidrig.
Ergo: Die Bezahlkarte ist rassistischer Populismus vom Feinsten.

Fakt 2: Verwaltungsaufwand reduziert man (SPD-Innenministers Pegel behauptet, dass das sein Anliegen ist), indem man gängige Wege geht anstatt diskriminierende Parallelstrukturen zu schaffen. Also nicht Bezahlkarte, sondern Geld via normale Banken auf normale Konten überweisen. Barauszahlung ist aufwendig, ja. Der Staat macht sie bisher, weil er mit diesem rassistischen Kontrollinstrument Asylsuchende und Geduldete zwingt, mindestens einmal im Monat beim Sozialamt anzutanzen.
Die Stadt Münster verweigert sich der Einführung der Bezahlkarte, weil sie mit einem realistischen Blick auf die Dinge sagt: Der Aufwand lohnt sich nicht.

Fakt 3: Wer im Asylverfahren steckt, bekommt nur ca 70% der regulären Sozialleistungen, also viel weniger als Existenzminimum (!!!) in Deutschland. Asylsuchende sind also sowieso arm. Bezahlkarte macht die Leute noch ärmer. Denn recht sicher werden nicht alle Läden mitmachen, sodass die Einkaufswege weiter werden - besonders in einem infrastrukturschwachen Bundesland wie Mecklenburg-Vorpommern bedeutet weit auch immer teuer.

Ein Beispiel aus dem Alltag: Wer in der Unterkunft in Jördenstorf (in der Nähe von Teterow) wohnt, bezahlt für einmal Einkaufengehen jetzt schon 10€ (hin und rück) von 410€ (monatliche Sozialleistungen) für ÖPNV. Dazu kommt: Weniger Entscheidungsspielraum, wo man einkauft, ist auch immer weniger Spielraum, mit dem ohnehin schon knappen Geld zu haushalten.

Fakt 4: Rücküberweisungen an Familien sind solidarische Hilfe (Nahrungsmittel, Brennstoffe und Medikamente) an Menschen in Ländern, die von Autokraten und Islamisten zerstört und ausgehungert werden. Dieses Geld kommt direkt bei den Menschen an, die damit überleben. Das gleiche gilt für die finanzielle Unterstützung von Asylsuchenden untereinander. Menschenfeinde wie Christian Linder, der Landrat von Vorpommern-Rügen, die CDU in Rostock und die AfD im Landkreis Rostock hetzen gegen diese persönliche Hilfe. Nur etwa 7% der Asylsuchenden können es sich überhaupt leisten, Geld an ihre Familien zu schicken.

"Sollen sie doch Steine essen", denken sie sich vielleicht über die Familien der Asylsuchenden in Syrien, Afghanistan, Iran, Kurdistan, Somalia.
"We've been there", denkt sich so manche:r Geflüchtete:r, der eine Belagerung durch Assad oder ein Flüchtlingslager in Kenia hinter sich hat.
"Klassenkampf von oben", denken wir.

Fakt 5: Angesichts der bereits bestehenden Einigkeit von CDU MV und AfD MV in der Kommunalpolitik müssen wir uns auf eine autoritäre Landesregierung 2026 einstellen. Demokratische Parteien müssen sich dagegen stemmen mit allem, was sie haben. Wenn sie jetzt keine Ideen für demokratische Asylpolitik haben, sollten sie sich schnellstens welche einfallen lassen. Zum Beispiel:

Progressive Asylpolitik in den Kommunen muss sein:

Arbeitsverbote abschaffen und Asylsuchenden damit Zugang zur Gesellschaft und zur Selbstversorgung ermöglichen. Wer arbeitet, braucht keine Sozialleistungen. Arbeitsverbote abschaffen und Zugang zu Arbeit ist seit Jahrzenhten eine zentrale Forderung von organisierten Refugees.
Außerdem: Bürokratische Hürden und lange Bearbeitungszeiten in den Ausländerbehörden machen es derzeit in MV nahezu unmöglich Arbeit zu finden, wenn man im Asylverfahren steckt. Hier findet ihr unsere Forderungen dazu vom Aktionstag "Abolish Ausländerbehörde" im Dezember.

Dezentrale Wohnungen, statt stigmatisierender Sammelunterbringung. MV braucht sowieso Wohnraum in den größeren Städten und positive Anreize leerstehenden Wohnraum in ländlichen Regionen zu nutzen. Kommunale Asylpolitik wie sie sich über Jahre in Riace (Italien, strukturell vergleichbar mit vielen Orten in MV) bewährt hat, wäre eine positive Vorlage für progressive Parteien.

Bleiberecht statt Abschiebungen. Denn MV braucht gute Leute, die Bock haben langfristig hier zu bleiben. Die demografischen Zukunftsaussichten sind düster. Wichtigster Punkt, um das möglich zu machen: "Chancenaufenthalt" entfristen und mehr Personal in die Abteilungen für Aufenthalt (= kürzere Bearbeitungszeiten für Bleiberecht). Asylsuchende als Kolleg:innen betrachten.

Hoch die internationale Solidarität!

Aus solidarischer Perspektive müssen wir die Bezahlkarte komplett ablehnen. Es ist keine progressive Politik, rassistische Kontrollinstrumente wie die Bezahlkarte zu übernehmen und "menschenrechtskonform" zu „anzuwenden“. Vorschläge in diese Richtung, wie sie zB PRO Asyl aufstellt und vom Flüchtlingsrat MV und der LINKEN MV aufgegriffen werden, laufen zwangsläufig komplett ins Leere. Die Bezahlkarte dient im Kern der rassistischen Kontrolle von Asylsuchenden. Vermeintliche Menschenrechtsstandards ändern daran nichts oder werden nicht umgesetzt werden, weil sie die Kontrollfunktion der Karte aufheben würden. Und selbst wenn diese Minimalforderungen aufgegriffen würden, bliebe es dabei, dass die Bezahlkarte das perfekte Werkzeug für zukünftige Unterdrückung ist - selbst wenn sie vorläufig noch nicht komplett genutzt würde.

Deshalb: Bezahlkarte stoppen!

Der aktuelle Diskurs um Migration und Asyl ist wie in den 1990er Jahren geprägt von Rassismus gegenüber Asylsuchenden. Man redet über alles mögliche, nur nicht über politische Lösungen für die eigentlichen Fluchtursachen. Und die heißen: Erdoğan, Assad, Chamenei, Putin. Sie heißen Folterknast, Fassbombe und Massaker. Sie heißen Armut, weißer Phosphor und Landraub.

Gegen all das helfen Kontrollmaßnahmen, die rassistischer Hetze entspringen, nichts. Gegen all das hilft nur, sich von Torgelow bis Daraa, von Sassnitz bis Saqqez gegen autoritären Konservatismus zusammenzuschließen.

Hoch die internationale Solidarität!