@SPD MV: Kein Geld für den syrischen Folterstaat! Defund Assad!

Gestern waren wir mit Rostock hilft e.V. und einem Vertreter des Verbands Deutsch-Syrischer Hilfsvereine e.V. im Schweriner Schloss, um ein weiteres Mal mit Nachdruck zu fordern: Kein Geld für den syrischen Folterstaat! Defund Assad! Lest hier unser Paper dazu.

1. "We stand United" mit syrischen Freund:innen und Genoss:innen

Rostock hilft e.V. und Pro Bleiberecht MV begleiten seit 2015 Syrer:innen in Rostock und Mecklenburg-Vorpommern. Hierbei konnten wir immer wieder beobachten, wie sich der bundesdeutsche Diskurs um Geflüchtete und Aufenthaltsrecht im Leben unserer Freund:innen und Genoss:innen widerspiegelt.

Seit 2015 sind mehr als eine Millionen Syrerinnen und Syrer nach Deutschland gekommen. Viele von ihnen haben das Assadregime am eigenen Leib zu spüren bekommen, haben ihr Zuhause, ihre Freund:innen und Verwandte verloren oder bangen bis heute um deren Leben. Etwa 1,5 Millionen Syrer:innen, Kurd:innen und Palästinenser:innen, die aus Syrien geflohen sind, sitzen müde und frierend in Flüchtlingslagern in Libanon und Jordanien, insgesamt wurden mehr als 6 Millionen Menschen vom Regime aus ihrem Land vertrieben. Weitere 6 Millionen wurden innerhalb Syriens vertrieben. Mehr als 130.000 Menschen werden derzeit in den Folterknästen des Regimes vermisst. In den letzten Monaten verschärft sich der rassistische Diskurs gegenüber Geflüchteten in den angrenzenden Nachbarländern Türkei und Libanon, die mit Massenabschiebungen nach Syrien begonnen haben. Es mehren sich Berichte von Menschen, die nach den Abschiebungen vom Regime inhaftiert wurden und verschwunden sind.

In den letzten Monaten gab es im Südwesten, wo vorrangig Drus:innen leben, wieder Proteste gegen das Regime. Den Nordwesten Syriens halten die Türkei und die islamistische Miliz Hayat Tahrir al-Sham (HTS) besetzt. Dort leben hunderttausende Binnenvertriebene, die Assads Belagerungen und Bombardierungen hinter sich haben. Die Versorgungslage ist nach dem Erdbeben im Februar 2022 und jüngsten Überschwemmungen Anfang Mai desolat. Der Nordosten steht unter relativer Selbstverwaltung der dort lebenden Menschen und der AANES, das Assadregime ist aber weiter präsent. Die Menschen kämpfen mit dem Erbe von Daesh, u.a. mit zehntausenden islamistischen Häftlingen, die kaum zu kontrollieren sind. Die kurdischen Gebiete werden nahezu täglich von der Türkei bombardiert, die Ende 2023 die Infrastrukturanlagen ins Visier nahm und diese nahezu vollständig zerstört hat. Die regimekontrollierten Gebiete sind der Willkür Assads ausgesetzt. Internationale Sanktionen und Korruption bedeuten für die Bevölkerung dort: Entbehrung und Armut. Hunderttausende überleben nur durch finanzielle Unterstützung von Verwandten und Freund:innen im Exil (siehe hierzu auch: www.bleiberecht-mv.org/bezahlkarte-stoppen). Das Regime versucht sich auf internationaler Bühne zu rehabilitieren. Russland ist ein langjähriger Verbündeter, die arabischen Staaten werden langsam wieder zu solchen. In Deutschland hat die AfD im Assad-Regime Gesinnungsgenoss:innen erkannt. Sie unterhält Kontakte zu hochrangigen Mitarbeitern des Regimes und propagiert in dessen Sinn Syrien sei sicher.

Die Menschen, die Syrien als Flüchtlinge verlassen haben, haben das nicht freiwillig getan. Einer von ihnen sagte uns:

Die Neuigkeiten aus der Revolution [aus Syrien] zu verfolgen, ist uns allen wichtig. Wir alle haben Familie dort. Wenn unseren Angehörigen etwas zustößt, ist es egal, was wir hier haben. Dann ist das Leben hier die Hölle.

Integration ist kein einseitiger Prozess. Er bedeutet auch, dass wir deutsche Zuzugsgesellschaft uns mit den politischen Anliegen und der Vergangenheit und Gegenwart der Menschen aus Syrien auseinandersetzen müssen, die hier in MV ein neues Zuhause gefunden haben.

Eine Maßnahme, die wir hierzu heute migrationspolitisch vorschlagen, ist die bewusste Verknüpfung innen- und außenpolitischer Maßnahmen, konkret: „Defund Assad“ durch die Neuregelung der Passpflicht und Identitätsnachweise von Menschen aus Syrien.

Denn die deutschen Behörden zwingen bis heute Menschen aus Syrien sich alle zwei Jahre syrische Pässe für 400-1000€ beim Regime zu kaufen. Denn die Behörden in MV legen die Pflicht zur Identitätsklärung maximal restriktiv aus. Es reicht nicht, einmal einen gültigen Pass vorzulegen und damit die eigene Identität nachzuweisen. Nein, man muss den Pass alle zwei Jahre neu beantragen und jedes Mal bittet das Regime zur Kasse. Seit 2022 sind so über 200 Millionen Euro an das Regime geflossen, das sind täglich ca. 275.000€ - und das obwohl es international stark sanktioniert ist (www.defundassad.de).

Für Syrer:innen bedeutet dieses Geld zu bezahlen, wissentlich den Phosphor, die Knäste und Repressalien mitzufinanzieren, die ihre Familien und Freund:innen dort täglich verletzen und töten.

2. Defund Assad! durch eine Neuregelung der Passpflicht und Identitätsnachweise

2.1 Passbeschaffung: Allgemein

Die Passpflicht trifft Geflüchtete sobald sie ein Asylverfahren positiv abgeschlossen haben. Sie betrifft nicht alle Schutzsuchenden gleichermaßen, sondern abhängig vom jeweiligen Schutzstatus:

Schutzstatus Asyl-berechtigte Flüchtlinge nach Genfer Flüchtlings-konvention Subsidiär Schutz-berechtigte Nationaler Abschiebe-schutz Aufenthalts-erlaubnis aufgrund von Familien-nachzug
Wer bekommt ihn? Menschen, die individuell verfolgt sind aus politischen, religiösen Gründen oder aufgrund der Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe (Geschlecht, Sexualität, usw)

+ die direkt nach Deutschland eingereist sind

Menschen, die individuell verfolgt sind aus politischen, religiösen Gründen oder aufgrund der Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe (Geschlecht, Sexualität, usw) Menschen, die vor Todesstrafe, Folter oder Bürgerkrieg geflohen sind Diejenigen, bei denen eine Verletzung der Menschen-rechte nach EMRK droht, wenn sie in ihr Herkunftsland zurückkehren (meist aufgrund von extremer Armut oder fehlender medizinischer Versorgung) Diejenigen, die im Rahmen des Familien-nachzugs zu Schutz-berechtigten nachziehen (Voraussetzungen je nach Schutzstatus unter-schiedlich)
Wieviele Menschen aus Syrien haben 2023 diesen Status bekommen? 0,15%

Quelle: „Aktuelle Zahlen“ des BAMF, Ausgabe Dezember 2023

13,6%

Quelle: „Aktuelle Zahlen“ des BAMF, Ausgabe Dezember 2023

85,9%

Quelle: „Aktuelle Zahlen“ des BAMF, Ausgabe Dezember 2023

0,5%

Quelle: „Aktuelle Zahlen“ des BAMF, Ausgabe Dezember 2023

Nicht enthalten
Wann wird die Passpflicht relevant? Einbürgerung

vorher stellen die Behörden einen Flüchtlingspass aus

Einbürgerung

vorher stellen die Behörden einen Flüchtlingspass aus

Verlängerung Aufenthalts-titel Verlängerung Aufenthalts-titel Einreise
Wie oft muss ein Pass als Identitäts-nachweis beigebracht werden? Einmalig

 

 

Einmalig Alle 2 Jahre

 

Alle 2 Jahre Alle 2 Jahre

2.2 Passpflicht und Identitätsklärung: Rechtslage

Die Argumentation folgt dem dem Gutachten „Passbeschaffung im Aufenthaltsrecht: Rechtliche Verpflichtungen und Grenzen der Zumutbarkeit“ von RA Dr. Matthias Lehnert im Auftrag von PRO ASYL

  • §3 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) und § 60b AufenthG beziehen sich nicht allein auf die Menschen ohne Pass, sondern auch auf die Behörden. Sie müssen etwa Hinweise geben und unter Umständen einen Passersatz oder Ausweisersatz ausstellen, mit denen ebenfalls die Passpflicht erfüllt wird, siehe §§5–7 Aufenthaltsverordnung (AufenthV) und § 48 Abs. 4 AufenthG.
  • Die Passbeschaffung ist für anerkannte Schutzsuchende aus Syrien generell unzumutbar, weil
    • die Höhe der Passkosten dem Kostendeckungsprinzip widerspricht (der Druck eines Passes kostet keine 400-1000€),
    • das Regime damit Menschenrechtsverletzungen mitfinanziert,
    • die Vorsprache in der syrischen Botschaft ein Risiko für die Schutzsuchenden sowie deren Angehörige darstellt.
  • Nach geltender Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG vom 23. September 2020, Az. 1 C 36/19) soll die Klärung der Identität einem Stufenmodell folgen. Das daraus resultierende Verfahren ist langwierig und starr, es bedarf einer neuen gesetzgeberischen Ausgestaltung, die im Koalitionsvertrag der Ampel angekündigt war aber noch nicht umgesetzt wurde: Bei Unzumutbarkeit der Passbeschaffung und Identitätsklärung die Möglichkeit zu schaffen, eine Versicherung an Eides Statt abzugeben.

2.3 Forderungen von PRO ASYL (bundespolitisch)

Quelle: „Unzumutbar: Geflüchtete müssen mit Passgebühren Verfolgerstaaten finanzieren“, www.proasyl.de, 15.3.2024

  • Anerkannten Flüchtlingen und subsidiär Schutzberechtigten, denen staatliche Menschenrechtsverletzungen drohen, ist eine Kontaktaufnahme mit den Behörden des Herkunftsstaates per se unzumutbar – auch im Rahmen der Einbürgerung.

  • Alle subsidiär Geschützten, denen ein ernsthafter Schaden von ihrem Herkunftsstaat droht, müssen von deutschen Behörden Reiseausweise für Ausländer bekommen.

  • Werden bei der Passbeschaffung unangemessen hohe Zahlungen von einem Staat erhoben, der Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder Kriegsverbrechen verübt, ist davon auszugehen, dass die Einnahmen diese Verbrechen mitfinanzieren. Syrer*innen und Eritreer*innen müssen allein daher Reiseausweise für Ausländer erhalten.

  • Antragsteller*innen müssen bei der Beantragung von Reiseausweisen für Ausländer nur ihre individuellen Gründe vortragen. Gründe, die die Passbeschaffung im Herkunftsland allgemein betreffen, müssen von Behörden und Gerichten aufgeklärt werden.

  • Die Identitätsklärung im Aufenthaltsrecht bedarf einer gesetzlichen Regelung, die vorgibt, welche Beweismittel und welche grundrechtlichen Belange berücksichtigt werden müssen.

  • Nötig ist eine gesetzliche Grundlage für die Versicherung an Eides statt als Möglichkeit der Identitätsklärung bei der Erteilung von Aufenthaltstiteln und der Einbürgerung.

3. Defund Assad in Mecklenburg-Vorpommern

Bis auf Bundesebene eine rechtliche Neugestaltung umgesetzt ist (hier muss man von Landesebene aus Druck machen!), können folgende Regelungen auf Landesebene Erleichterung verschaffen. Diese müssen in Form verbindlicher Anweisungen an die Ausländerbehörden gehen.

4. Wo ein Wille, da ein Weg

Die aktuelle Regelung zur Passpflicht zwingt Menschen aus Syrien regelmäßig Geld im drei- bis vierstelligen Bereich an das international sanktionierte Assad-Regime zu überweisen, ein Fakt der kaum begründbar ist angesichts der Tatsache dass dem entgegen derzeit bundes- sowie landespolitisch große Anstrengungen unternommen werden Zahlungen an Familien und Freund:innen in Syrien durch die sozialpolitische Einschränkung der Rechte von Geflüchteten durch die Verschärfung des Asylbewerberleistungsgesetzes (Stichwort: Bezahlkarte) zu verhindern. Eine entsprechende rechtliche Neuregelung war binnen weniger Monate möglich, was deutlich macht: Wo der Wille, da ein gesetzgeberischer Weg.

Asylpolitische Entscheidungen haben außenpolitische Konsequenzen. Wer Menschen aus Syrien in Kenntnis der finanziellen Kosten die volle Passpflicht auferlegt, trägt auch Mitverantwortung für jährlich ca. 100 Millionen Euro, mit denen das Assad-Regime seine Verbrechen finanziert.

Unsere internationale Solidarität muss denjenigen gelten, die sich für ein freies und demokratisches Syrien einsetzen. Diese Solidarität muss sich innenpolitisch widerspiegeln.

Hoch die internationale Solidarität!
Nieder mit Assad!

Titelbild: Bildwerk Rostock (flickr)