Demo gegen Deportationspläne in Schwerin – Unser Redebeitrag

Am 23. Januar gaben wir bei der Demo gegen rechts in Schwerin einen Redebeitrag gehalten. Lest ihn hier.

Den Beitrag haben wir in Variationen auch in Demmin, Greifswald und Güstrow gehalten.

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In Greifswald wurde zudem Flyer verteilt, die wir hier für alle Demos in zwei Varianten zum Selbstausdrucken zur Verfügung stellen:

Redebeitrag in Schwerin

Hallo, mein Name ist M. und ich bin bei ProBleiberecht aktiv, einer Initiative, die sich für die Rechte von Geflüchteten und Migrant*innen in Mecklenburg-Vorpommern einsetzt.

Ich hätte nie gedacht, dass ich mal einen Redebeitrag für so eine Demo in dieser Größenordnung, hier in Schwerin, halten werde. Aber das Thema ist mir persönlich sehr wichtig und geht mir nahe, gerade als Mensch, der hier in MV geboren und aufgewachsen ist und selbst schon immer von Rassismus und rechter Hetze betroffen und bedroht war - weil ich nicht in das Weltbild von NeoNazis und anderen Rechten gepasst habe oder von Mitschüler*innen, die es als witzig empfunden haben, über Menschen herzuziehen weil sie vermeintlich anders waren.

Es gab Viele, die mir immer wieder "Ausländer raus" hinterhergebrüllt haben und sonstwelche Drohungen und rassistische Beleidigungen, schon als kleines Kind. Ernst genommen wurde es kaum von meinen Lehrer*innen und anderen Erwachsenen aus meinem Umfeld. Nicht einmal als es Brandanschläge auf die 3 Häuser und den Imbisswagen der vietnamesischen Familien in meiner Heimatstadt hier in MV gab. Ich habe am eigenen Leib erlebt, was jede*r von euch auch verstehen sollte:

Rechte Hetze gab es schon immer, doch jetzt zur Zeit rückt sie wieder mehr in den Fokus. Es ist krass, dass so viele Menschen bundesweit auf der Straße sind in den letzten Tagen. Insbesondere in MV, wo wirklich jede Demo gegen den Faschismus in unserer Gesellschaft dringend und wichtig ist. Rostock: 2600, Stralsund: 2000, Schwerin: 1600, Bergen auf Rügen gegen die Mahnwache der Jungen Alternative: 250,gestern in Greifswald: mehr als 2000. Ubd am Wochenende waren es bundesweit gut 1,2 Millionen Menschen auf den Straßen.

Das ist krass. Aber ich frage mich auch: Warum jetzt? Wo war der Aufschrei vorher? Rassismus und Faschismus waren schon immer da und haben schon immer getötet. Am 25. Februar 2004 ermordete der National Sozialistische Untergrund NSU in Rostock Mehmet Turgut. Am 7. Januar 2005 ermordeten Polizisten in Dessau Oury Jalloh. Am 19. Februar 2020 ermordete ein Faschist in Hanau 9 Menschen - das sind keine Einzelfälle. Das ist die Gesellschaft in der wir leben.

In MV gab es im letzten Jahr rassistische Hetze gegen Geflüchtetenunterkünfte in Upahl, in Greifswald, in Neukloster, in Bützow, in Teterow. Überall gab es auch solidarische Gegendemos unter dem Motto "Refugees Welcome". Aber die Mehrheit der Gesellschaft hat geschiwegen. Die Mehrheit hat die rassistische Hetze hingenommen und dafür den Begriff "organisatorische Grenzen der Kommunen" erfunden.

Wo wart ihr?

Das Thema der heutigen Demo ist "gegen die Deportationspläne". Auch ich bin gegen die Deportationspläne der Faschisten, die ich nochmal ganz klar benennen will: Ein Netzwerk aus AfD, signifikanten Teilen der Union & mutmaßlich weiteren Parteien, Nazi-Millionäre und rechtsextreme Vertreter völkisch-rassistischer Ideologien wie die Identitäre Bewegung.

Ich bin aber auch gegen die Deportationspläne der bürgerlichen Mitte. Gegen die Abschiebephantasien, die im Bundestag zu einer brutalen Wirklichkeit werden. Während Hundertausende gegen Deportationen auf die Straße gehen, verabschiedet der Bundestag ein Gesetz, mit dem die persönliche Freiheit von schutzsuchenden Menschen weiter massiv eingeschränkt wird, um sie noch brutaler abzuschieben. Ob es Rückführung oder Remigration genannt wird, es bleiben Deportationen.

Im Dezember schockierte ein brutaler Bruch des Kirchenasyls in Schwerin die Öffentlichkeit. Die Abschiebung konnte durch die Betroffenen verhindert werden. An diesem und anderen Tabubrüchen können wir in den letzten Jahren live beobachten, wie der rassistische Diskurs zu brutaler Praxis wird. Im Fall des Kirchenasyls auf dem Dresch politisch verantwortet durch die Grüne Sozialministerin Aminata Touré in Schleswig-Holstein.

Auch die Innenminsterin Nancy Faeser & Bundeskanzler Olaf Scholz machen Wahlkampf mit geflüchteten-feindlichen Parolen. Ob Scholz "Abschiebungen im großen Stil" fordert oder Faeser die Grenzgefängnisse für Schutzsuchende, auch Kinder, als Erfolg für Europa feiert, in diesen Tagen inszenieren sie sich auf Demos gegen rechts als gute Demokrat*innen. SPD und FDP fordern seit Jahren rassistische Gesetze und mehr Abschiebungen. Die Grünen im Bundestag und die LINKE in MV behaupten zwar, dass sie es anders wollen, machen aber trotzdem mit. Auch von den Jungendorganisationen der Parteien, den Jusos, Solid und der Grünen Jugend hören wir keine relevante Kritik an den Deportationsplänen ihrer Mutterparteien.

Wer sich dem Rassismus nicht entgegenstellt, ist mitverantwortlich für die immer stärker werdene rechte Front und schürt die Hetze nach Abschiebungen. Der geflüchtetenfeindliche Rassismus mündet zum Beispiel darin, dass seit Januar wieder in den Iran abgeschoben wird, während dort fast täglich unsere Genoss:innen am Galgen baumeln. Diese Hetze verankert aber auch seit Jahren rechte Kampfbegriffe und Konzepte in den Institutionen diesen Staates. Die Ausländerbehörde Rostock hat ganz selbstverständlich eine Abteilung "Remigration". Ich frage jeden einzelnen von euch: Tut ihr euer Möglichstes, um das Vordringen rassistischer Ideologien in die Mitte unserer Demokratie aufzuhalten? Habt ihr es in den letzten Jahren getan?

Die rassistische Hetze führt auch zu rassistischen Gesetzen wie der Bezahlkarte für Flüchtlinge. Manuela Schwesig und Christian Pegel feiern diesen Mist. Vor 5 Tagen haben die SPD-Abgeordneten im Bundestag und Teile der Grünen weitreichende Leistungskürzungen und Grundrechtseingriffe beschlossen, die Asylsuchenden täglich das Gefühl geben Menschen zweiter Klasse zu sein. Sie stürzen sie in extreme Armut und beschneiden durch ein weiteres rassistisches Kontrollinstrument ihre Freiheit. Die SPD war in der Großen Koalition fast 10 Jahre an unzähligen Gesetzesverschärfungen und Entrechtungen von Asylsuchenden beteiligt. Solche Gesetze schaffen die rechtlichen Rahmenbedingungen und langfristig betrachtet die Infrastruktur für ebenjene Deportationspläne der Faschisten, Beispiel Abschiebezentren in Nordafrika. Die radikalen Ideen der AfD und Identitären Bewegung sind nur die Spitze des Eisbergs der derzeit herschenden Asylpolitik. Faschismus kommt nicht über Nacht. Er drängt sich langsam und leise in immer weitere Teile der Gesellschaft.

Wir müssen ihn aufhalten. Genau jetzt. In jeder Erscheinungsform.

Rassistische Gesetze sind menschengemacht. Das heißt: Wir können sie ändern. Lasst uns das tun. Alle gemeinsam.

An alle von euch, die in irgendeiner Partei organisiert sind:

  • Tretet den Kampf gegen Rassismus auch in den Parlmentem an. Jetzt. Nicht in Brandreden gegen die AfD, sondern "stabil gegen Rassismus" (wie es im rot-roten Koalitionsvertrag in MV heißt). Streicht die rassistischen Gesetze. Macht die sofort rückgängig.
  • Macht Gesetze, die Bleiberecht schaffen. Schafft zum Beispiel Gesetze, die vom ersten Tag an den Wechsel vom Asylverfahren in andere Bleiberechtsregelungen ermöglichen.

An alle, die hier sind und in der Zivilgesellschaft aktiv sind: Hier stehen ist gut. An den Verhältnissen etwas ändern ist besser! Macht Druck. Wendet euch an die Parteien, macht euch laut für ein Ende der bürgerlichen Deportationspläne, für ein Ende der Sparmaßnahmen und Verarmungspolitik. Seid laut in jedem Moment, zB wenn im Sommer im Fahnenmeer der Männer-Fußball-EM Nationalismus und rechte Übergriffe erstarken. Seid laut. Geht auf die Straßen. Übt massenhaften zivilen Ungehorsam. Findet kreative Protestformen, die diese Demokratie verteidigen und vielleicht sogar über sie hinausweisen.

Unsere Maxime muss sein:
Rassistische Gesetze streichen! Bleiberecht schaffen!
Bewegungsfreiheit für jeden Menschen!
Hoch die internationale Solidarität!