Aufruf zu solidarischen Protesten in Greifswald

Am 27. März findet in Greifswald die nächste Sitzung der Bürgerschaftssitzung statt. "Greifswald für alle" ruft zu einer solidarischen Aktion auf. Wir unterstützen diese. Lest hier außerdem einige ergänzende Aspekte.

Für Humanismus und Weltoffenheit: Greifswald als sicherer Hafen

Die Unterzeichnenden wenden sich gegen die Proteste anlässlich der Sitzungen der Ortsteilvertretung Ostseeviertel und des Hauptausschusses der Bürgerschaft Ende Februar bzw. Anfang März hier in Greifswald. Diese Proteste werden von bekannten radikalen Rechten und Verschwörungstheoretikern über Telegram-Gruppen und andere soziale Medien organisiert und von ihnen besucht. Sie sind von rassistischen und fremdenfeindlichen Vorurteilen geprägt, die Menschen auf Grund ihrer Herkunft kriminalisieren. Sowohl von diesen radikalen Rechten und als auch von diesen Vorurteilen distanzieren wir uns.

Lest hier den vollständigen Aufruf.

Solidarisches Feedback und Ergänzungen

Wir zeichnen den Aufruf gerne mit, denn wir finden es wichtig, dass wir uns als antirassistische Akteur:innen geschlossen gegen den rechten Mob stellen.Wir haben auch ein solidarisches Feedback an "Greifswald für alle" geschickt, besonders zum Thema Hoyerswerda/Lichtenhagen/Mölln, das als Schlagwort im Aufruf auftaucht. Dieses möchten wir ergänzend hier dokumentieren, da wir die inhaltlichen Punkte auch gerne einer breiteren Debatte zugänglich machen möchten.

Die Pogrome von morgen verhindern

Wir sind Teil des Rostocker Bündnis "Gedenken an das Pogrom. Lichtenhagen 1992" weswegen uns die Einordnung als "Symbol für fehlende Menschlichkeit" im Aufruf arg aufstößt. Was in Hoyerswerda/Lichtenhagen/Mölln stattgefunden hat, waren rassistische Pogrome bzw. feige rassistische Morde. Das sollte und muss so benannt werden (vgl hierzu den offenen Brief des Bündnis an die Hansestadt Rostock Anfang 2022). 

 

Was derzeit in Loitz, Upahl und Greifswald stattfindet, sind keine rassistischen Pogrome, aus mehreren Gründen:

 

1. Die Faschos greifen nicht die Geflüchteten an, eine marginalisierte Gruppe, der gegenüber die Gesellschaft rassistische Ausschlüsse pflegt. 
Die Faschos greifen derzeit noch Vertreter:innen von Bürgerschaften und Verwaltung an, also etablierte Akteur:innen mit Ressourcen, Macht und Entscheidungsbefugnissen.
2. Der Staat und die Exekutive schreiten ein. In Hoyerswerda/Lichtenhagen/Mölln und in unzähligen Angriffen vorher und nachher bis hin zum NSU war das nicht der Fall. 
3. Die Sitzung in Greifswald wurde von der Polizei geschützt. In Upahl kostet es mehrere zehntausend Euro die Versammlungen zu schützen, die die Verwaltung bereit ist zu investieren. 

 

Wenn wir den Vergleich zu den 90ern bemühen, müssen wir korrekt bleiben. Wir sehen durchaus Parallelen zu Lichtenhagen - aber zur Zeit vor dem Pogrom, z.B die rassistische Stimmungsmache in Lokalmedien gegen die Schutzsuchenden oder die Aufrufe zur Gewalt auf Bürger:innenversammlungen. Diesen historischen Vergleich ernstzunehmen führt unweigerlich zu dem Schluss: Wir sind noch nicht bei Pogromen. Wir können die Pogrome von morgen noch verhindern

No Lager!

Wir unterstützen die Stoßrichtung des Aufrufs dezentrale Unterbringung zu fordern, fänden es aber nötig sie radikaler zu formulieren: No Lager! Aus unserer Sicht ist es wichtig dabei die Verstrickung der rechten Gewalt mit institutionellem Rassismus hervorzuheben, die Anfang der 90er im sog. "Asylkompromiss" kulminierte: Rassistische Gesetze wie die Pflicht in Sammellagern zu leben oder das Asylbewerberleistungsgesetz wurden damals  von der parlamentarisch-demokratischen Mitte festgeschrieben und gelten bis heute. 

 

Wir müssen auch heute stets deutlich benennen wie die politischen Entscheidungsträger:innen mit rassistischen Gesetzen und der Rhetorik von mehr Abschiebung und Abschottung Öl ins Feuer der Faschos gießen. Dies passiert aktuell nicht mehr durch die CDU/CSU im Bundesinnenministerium, sondern durch die SPD, mitgetragen von Grünen und FDP. 

Migrantischer Widerstand in den 90ern

Und noch ergänzend ein historischer Hinweis, um den stadtpolitischen Blick etwas zu weiten: Greifswald ist zwar nicht dafür zum Symbol geworden, aber es gab Anfang der 90er durchaus relevante und große Angriffe auf Unterkünfte von Asylsuchenden in Greifswald. 

 

 

Vielleicht sollte Greifswald zum Symbol dafür werden: Nicht zum Symbol für die rassistische Gewalt, sondern zum Symbol für den Widerstand der Betroffenen dagegen, der es leider nicht ins kollektive Gedächtnis geschafft hat. Dieser Widerstand gehört ins kollektive Erinnern, denn er mahnt uns (weiße deutsche Antirassist:innen), dass wir antirassistische Kämpfe niemals ohne die Betroffenen führen können. 

 

Vollster Support für den 27.3.!
Refugees Welcome statt rassistische Hetze!