Abschiebeirrsinn aus dem BMI – „Geordneter-Rassismus-Gesetz“

Letzten #Donnerstag war der Internationale Tag gegen #Rassismus. Mit einem #Aktionsthater machten einige Menschen in #Rostock auf rassistische Gesetze aufmerksam. Infos zum Gesetzesentwurf aus dem #Bundesinnenministerium findet ihr hier: bleiberecht-mv.org/abschiebeirrsinn-gesetz/Das #Gesetz wendet sich gegen die Freiheit, die rechtliche Absicherung und die #Grundrechte von Asylsuchenden. Was bislang fehlt, ist der #Aufschrei! Es braucht mehr Widerstand!Was ihr tun könnt? Organisiert Proteste, übernehmt die Aktionstheater-Idee, wählt keine Parteien die mit Rechten liebäugeln!#Solidarität #Freiheit #Leben #Gleichberechtigung #achso #

Gepostet von PRO Bleiberecht in Mecklenburg-Vorpommern am Sonntag, 24. März 2019

Am Internationalen Tag gegen Rassismus fand ein Aktionstheater in Rostock statt. Gegen Rassismus, Populismus und weitere Gesetzesverschärfungen!

Die Top 10 der Beschissenheiten aus dem Gesetzesentwurf

Das Bundesministerium des Innern (BMI) hat letzte Woche einen neuen Gesetzesentwurf vorgelegt. Die ewig-gestrigen Rassist*innen, eine Gruppe der Mächtigen – die derzeit leider Hochkonjunktur hat – zetern darin, wie schlecht ihre Abschiebezahlen seien und wie böse die Flüchtlinge, weil sie nicht in Krieg und Elend leben wollen. Als Rechts-Extremist*innen im wahrsten Sinne des Wortes werden da Gesetzesänderungen vorgeschlagen, die den betroffenen Menschen die Grundrechte absprechen und den Sicherheitsapparat auf Kosten aller ausbauen. Der Entwurf lässt den tief verwurzelten Rassismus in den Weltbildern im BMI erkennen.

PRO BLEIBERECHT hat die Top 10 der Beschissenheiten aus dem Gesetzesentwurf zusammengestellt.
Mit Klick auf die Überschriften öffnet ihr den Text dazu. „GE“ steht für „Gesetzesentwurf“.
1. „Duldung light“ – Leben quasi ohne Papiere
Unter dem Titel „Ausreiseaufforderung“ (§60b AufentG GE) soll es demnächst ein Dokument geben, das Menschen noch schlechter stellt als es Menschen mit Duldung ohnehin schon sind. Damit einhergehen: Leistungskürzungen auf bis zu ca. 30€ pro Monat (§1a (3) AsylbLG GE), Arbeitsverbote (§60a (6) AufenthG GE), Integrationsverbot (§60b (4) GE), Meldeauflagen und grundsätzlich die Möglichkeit jemanden allein aufgrund seiner*ihrer Staatsangehörigkeit (sog. „sichere Herkunftsländer“) in Haft zu nehmen.
Menschen sollen dadurch alles verlieren, was das Menschsein ausmacht: Ihre Freiheit, ihre Selbstbestimmung, die Möglichkeit schaffend tätig zu werden.

Die „Ausreiseaufforderung“ erhält, wem das Scheitern der Abschiebung „zuzurechnen“ ist. Eine Duldung diejenigen, die sie „selbst vertreten“. Wie nennt man das, wenn Behörden einfach selbst bestimmen dürfen, wie ein Kausalzusammenhang entsteht? – Willkür!

2. Asylsuchenden Grundrechte nehmen
Der Gesetzesentwurf entzieht einigen Menschen ihre Grundrechte. Ohne den Anspruch auf Vollständigkeit hier das Worst-of im Worst-of:

Einschränkung der Bewegungsfreiheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG und Art. 104 GG): Eine sogenannte „Reisebeschränkung“ im Inland (§62b AufentG GE) soll Menschen räumlich an die Nähe zu Flughäfen und Ausreisezentren binden; bei mehr als einem Tag Ortsabwesenheit müssen sich Ausreisepflichtige bei den Behörden melden (§50 AUfenthG GE). Ohnehin können alle die Auflage bekommen, sich regelmäßig bei der Polizei zu melden (§61f AufentG GE)

Einschränkung der Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 GG): In Sammelunterkünften leben meist mehrere Menschen in einem Zimmer. Die CDU/CSU wünscht sich, dass das Recht von Geflüchteten in eben diesen Sammelunterkünften geschützt leben und schlafen zu dürfen, nicht gilt (§58 Abs. 5 AufentG GE). Denn wenn jemand aus dem Zimmer abgeschoben werden soll, sollen alle anderen Durchsuchungen und nächtliche Ruhestörung hinnehmen müssen.

Einschränkung des Rechts auf Familie, die eigentlich „unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung“ steht (Art. 6 GG): Eltern von minderjährigen Kindern mit einer „Light-Duldung“ sollen abgeschoben werden, auch wenn die Kinder eine Aufenthaltserlaubnis haben (§60a.2b AufenthG GE).

Und zu schlechter letzt: Einschränkung des Datenschutzes bzw. informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG): Asylsuchende dürfen nicht wie andere Menschen darüber bestimmen, wer ihre Daten erhält. Der Gesetzesentwurf sieht vor, dass Behörden diese munter untereinander austauschen dürfen sollen (§71 AufentG GE).

3. Rechtsstaatliche Grundsätze werden ausgehebelt
Zudem sollen einige rechtstaatliche Grundsätze ausgehebelt werden. Z.B. will das BMI in den nächsten 3 Jahren Asylsuchende z.T. in normalen Hafteinrichtungen unterbringen bis mehr Abschiebehafteinrichtungen gebaut sind (§62a AufentG GE). Das geplante Ende dieses Absatzes in 2022 soll diese de-facto Bestrafung ohne Straftat wahrscheinlich auf europäischer Ebene absichern. Ergänzend sollen Menschen ohne richterliche Anordnung festgehalten werden dürfen (§58 Abs. 4 AufenthG GE). Für Geflüchtete in den Augen der Rassist*innen wahrscheinlich legitim, beim Großteil der übrigen Bevölkerung hieße es schlichtweg Freiheitsberaubung.

Um die zweifelhaften Ideen durchzusetzen und damit sie nicht all zu schnell wieder durch Gerichte kassiert werden, hat sich das BMI eine kleine Finesse ausgedacht: Widersprüche gegen all das helfen nichts. Denn während die Widersprüche laufen, darf die Behördenentscheidung trotzdem umgesetzt werden (§62b, 83, 84 AufentG GE). Das heißt im Kontext von Abschiebungen: Wer klagt oder widerspricht, wird trotzdem erstmal abgeschoben. Falls dann 1-2 Jahre später eine Entscheidung an den völlig überlasteten Gerichten ergeht, sind die Menschen meistens nicht mehr erreichbar und können seltenst zurückgeholt werden aus Krisengebieten wie z.B. Afghanistan oder Sierra Leone.

4. Abschiebehaft soll massenhaft eingesetzt werden
§ 62 AufentG GE des Gesetzesentwurfs thematisiert die Abschiebehaft. In Absatz 4 steht, dass die Abschiebehaft bis zu 6 Monate angeordnet werden kann und „in Fällen, in denen der Ausänder nicht in rechtlich erforderlichem Maße zur Ermöglichung der Ausreise oder Abschiebung kooperiert, um höchstens zwölf Monate verlängert werden“ kann. D.h. dass Menschen bis zu 1,5 Jahre in den Abschiebeknast gesteckt werden können, die sich nichts zu Schulden kommen lassen haben außer nicht ausgereist zu sein oder von denen befürchtet wird, sie würden versuchen sich der Abschiebung zu entziehen.

Dass Menschen aus diesen Gründen oder aufgrund diesen Verdachts ihrer Freiheit beraubt werden sollen, ist untragbar! Zudem steht darin: „Eine Verlängerung [der Abschiebehaft] um höchstens zwölf Monate ist auch möglich, soweit sich die Übermittlung der für die Abschiebung erforderlichen Unterlagen oder Dokumente durch den zur Aufnahme verpflichteten oder bereiten Drittstaat verzögert; auch wenn die Verzögerung dem Ausländer nicht zuzurechnen ist.“ Also völlig unabhängig davon, ob sich Geflüchetete bemühen, ihre Papiere zu besorgen oder nicht; unabhängig davon ob die Herkunftsländer der Abzuschiebenden Papiere austellen oder nicht – sollen die Betroffenen für bis zu 1,5 Jahre in den (Abschiebe-)Knast. Dies öffnet der massenhaften Nutzung von Abschiebehaftanstalten Tür und Tor. Uns fällt zu dieser geplanten Freiheitsberaubung und Inhaftierung von Geflüchteten qua Abschiebehaft, deren Freiheits- und Grundrechte damit fundamental beschnitten werden sollen, fast nichts mehr ein. Außer: Lasst es!

5. Kriminalisierung von solidarischen Bewegungen
Man erinnere sich an die Bewegung „Afghanistan – Nicht sicher!“. In weiten Teilen Deutschlands verhindert die Information, wann die Abschiebecharter fliegen noch heute einige Abschiebungen. In dem Gesetzesentwurf des BMI ist vorgesehen, dass diejenigen, die diese Informationen veröffentlichen, mit bis zu 1 Jahr ins Gefängnis gesteckt werden können (§95 Abs. 3 AufentG GE).

Dies ist nicht nur ein Angriff auf den Kerngedanken solidarischer Unterstützung zwischen Freund*innen und Bekannten. Es ist auch ein Angriff auf eine solidarische Gesellschaft als solche. Die Zivilgesellschaft soll Angst bekommen vor dem Kontakt zu Menschen, die von Abschiebung bedroht sind.

Gegen die Kriminalisierung von Flucht und Migration, die Unterstützung Geflüchteter und Seenotrettung!

6. Das BAMF als neue Sicherheitsbehörde
§75, Satz 11 des geplanten Aufenthaltsgesetzes soll dem BAMF neue Befugnisse im Bereich „Sicherheit“ geben. Bei der Behörde sollen Infos von Bundespolizei, Bundeskriminalamt und dem Bundesamt für Verfassungsschutz zusammenlaufen. Was diese Infos da zu suchen haben, offenbart die Gesetzesbegründung nicht wirklich. Es heißt, dass BAMF hätte die Aufgabe: „Informationsübermittlung und Auswertung von Erkenntnissen der Bundesbehörden […] zu ausreisepflichtigen Ausländern und zu Ausländern, bei denen wegen Gefährdung der öffentlichen Sicherheit ausländer-, asyl- oder staatsangehörigkeitsrechtliche Maßnahmen in Betracht kommen sowie die Koordinierung dieses Informationsaustausches“. Wie durch das BAMF hierbei koordiniert werden soll, bleibt unklar.

Inhaltlich relevant wird dies jedoch, wenn man weiß, dass nach §11 AufentG GE zukünftig lebenslange Einreiseverbote für Straftäter*innen ausgesprochen werden dürfen. Durch das BAMF.

7. Zentralisierung von Abschiebungen
Das BMI hätte außerdem gerne, dass Abschiebungen in allen Bundeslänern zentral an einer Stelle organisiert werden (§71 AufentG GE). Warum? Ganz einfach: Schreibtischtäter*innen plagen weniger Gewissensbisse, wenn sie nicht wissen, wessen Zukunft in Deutschland durch sie ein Ende findet. Für das BMI, das sich in seiner Asylpolitik von der Unternehmensberatung McKinsey beraten ließ, heißt das dann wohl „Steigerung der Effektivität“. Denn das System wird weniger blickig für Einzelschicksale.
8. Finanzierung von Unrechtsregimen
Eigentlich nichts Neues ist der §56 der Aufenthaltsverordnung im Gesetzesentwurf. Weil das zugrundeliegende Konzept so dämlich ist, dass es fast weh tut, hat es der Punkt trotzdem in die Top 10 geschafft: „Zumutbar“ ist es, Geld an autoritäre Regime zu bezahlen, die zu Hause Familie und Bekannte foltern. Dies betrifft vor allem Leute, die sog. „Subsidiären Schutz“ bekommen haben und deswegen noch Reisepässe aus den Botschaften ihrer Herkunftsländer holen sollen.

Ein Beispiel: Jemand ist aus Eritrea geflohen, weil ihm*ihr dort Zwangsmilitärdienst inklusive Zwangsarbeit und möglicherweise Folter droht. „Droht heißt ja nicht betroffen“, denkt das BAMF. Deswegen: Subsidiärer Schutz statt Flüchtlingsschutz. Das bedeutet dann, dass die Leute ihrem Diktator 2% ihres Einkommens als sogenante „Auslandssteuer“ bezahlen müssen und damit das System und die Knäste finanzieren sollen wegen denen sie geflohen sind. „Zumutbar“ sagen BAMF und Innenministerium.

(Macht das Innenministerium übrigens selbst auch: Dem Diktator Geld dafür bezahlen, dass er Flüchtende aus anderen Ländern davon abhält, durch Eritrea gen Norden zu reisen. Berichterstattung zu den Bedingungen, unter denen er das tut, gibt‘s übrigens nicht. So ist das halt in Diktaturen. Meinungsfreiheit.)

9. Abschiebung mit hohen Schulden in unsichere Existenzen
Ein kleines aber wichtiges Detail in Sachen Abschiebehaft bietet der §62 AufentG GE: Vereinfacht in Abschiebehaft soll jede*r genommen werden, der*die für ihre Flucht „überdurschnittlich viel Geld bezahlt hat“ (also mehr bezahlt hat, als er*sie zu Hause verdient). Denn wer Schulden hat, geht nicht, solange die nicht abbezahlt sind. So vermutlich die Logik des BMI. Dieses Kriterium für Abschiebehaft ist ungefähr als würde man sagen: Alle Menschen, die Unterwäsche tragen, können vereinfacht in Haft genommen werden. Manche tragen keine Unterwäsche, aber die meisten eben schon. Und da beißt sich das Gesetz selbst in den Schwanz: Denn große Summen für Grenzübertritte müssen Menschen deswegen an Schmuggler*innen bezahlen, weil es viel zu wenige legale und sichere Einreisemöglichkeiten nach Europa gibt. Vielleicht sollten Zeit und Personalressourcen im BMI mal in einen vernünftigen Gesetzesentwurf zu diesem Thema gesteckt werden.

Also ab zurück mit den Leuten an die Orte, wo sie keine Perspektive hatten, aber immer noch Schulden. Wer bis drei zählen kann, vermutet richtig: Mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit bleibt der Person nichts anderes als sich wieder aufzumachen an einen Ort, wo sich Geld verdienen und die Schulden abbezahlen kann.

>10. Identitätsverweigerer<! - Der letzte Schrei
Der Kern des Gesetzesentwurfs ist die Annahme, dass massenweise Asylsuchende ihre Identität verschleiern oder vortäuschen würden. Die These ist zwar statistisch nicht belegbar, aber unter Rechtspopulist*innen der letzte Schrei. Die Debatte um Asylsuchende ist geprägt von der Sichtweise alter, weißer, privilegierter Schreihälse, die Angst haben, dass sie in ihrem einfachen Einfamilienhaus im Villenviertel ein bisschen Platz machen müssen – und zwar Fremden. Menschen, deren Identität nicht geklärt sein könnte. Deren Ideen für die Zukunft und Motivationen nach Deutschland zu kommen, sie nicht kennen, weil sie sie nicht gefragt haben.

Was wir brauchen, ist ein grundlegender Paradigmenwechsel.

Geflüchtete sind Schutzsuchende. Das Recht Schutz zu suchen, haben sie, weil der Rassismus und Antisemitismus der Nazis zur industriellen Vernichtung von mehr als 6 Millionen Menschen führte. Das brachte uns das Grundrecht auf Asyl und die Genfer Flüchtlingskonvention. Beides dient dazu, den Rassismus in dieser Gesellschaft an dem Stellschräubchen „Asyl und Schutz“ einzudämmen. Und genau diese Haltung muss allen Gesetzes- und Verfahrensänderungen zugrunde liegen.

PRO BLEIBERECHT fordert deswegen die SPD als Koalitionspartnerin und die Wohlfahrtsverbände als Interessensvertretungen auf, weitere Vorstöße des christlichen Innenministeriums zu blockieren bis sich dieser Paradigmenwechsel in ihnen wiederfindet. Für eine Asylpolitik, die sich an den Menschenrechten orientiert und nicht an rechtskonservativen Ängsten und Ideologien!

Vielen Dank an Bildwerk Rostock für das Titelbild zum Beitrag.

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