Am 8. März haben wir bei den feministischen Demos in Schwerin und Rostock einen Redebeitrag gehalten. Ihr könnt ihn hier lesen.
Kämpferische Grüße zum diesjährigen 8. März!
An diesem Tag versammeln wir uns weltweit, um unseren Ruf nach einem Leben in Freiheit und Würde auf die Straßen zu tragen. Wir stehen hier in Rostock, vor dem Rathaus - doch angesichts der fatalen Weltlagen, der Abschaffung von Rechten von Frauen und Queers in den USA und in Argentinien durch jeweils demokratisch legitimierte Präsidenten - muss uns allen gemeinsam klar sein:
Der 8. März ist kein Tag für bürgerliche Reformpolitik. Dieser Tag ist ein Tag des Aufbruchs und des Widerstands gegen patriarchale Gewalt auf der Straße und in Vorschriften und Gesetzen. Wenn wir heute an diesem kämpferischen Tag auf der Straße stehen, dann stehen wir hier gemeinsam mit Millionen Menschen auf der ganzen Welt.
In Deutschland drohen uns in den kommenden vier Jahren weitere Rückschritte unter Schwarz-Rot, was Freiheits- und Bürger:innenrechte betrifft. Die extrem-rechte AfD wird mit ordentlich Rückenwind und sehr viel mehr staatlichen Ressourcen Stimmung gegen progressive Politik und selbstbestimmte Lebensentwürfe machen. Wir müssen uns dafür wappnen und das heißt: wir müssen uns organisieren - solidarisch, vertrauensvoll und zunehmend auch subversiv.
Und - und das ist vielleicht die größte Herausforderung angesichts der erdrückenden Nachrichten: wir müssen gemeinsame Vorstellungen entwickeln von einer positiv gefassten Welt - von einer anderen Welt, die doch immer immer möglich ist.
Aber wie?
Ein Weg ist in den Austausch zu gehen mit denjenigen Menschen und Bewegungen, die bereits klare Vorstellungen von dieser anderen Welt haben und dafür starke Worte finden.
Wir können zum Beispiel in den Iran, nach Kurdistan blicken, auf die Jina-Revolution. "Jin, Jiyan, Azadî / Frau, Leben, Freiheit" vereint zwei Kämpfe, die in diesem Jahrhundert so aktuell sind wie im Letzten: Der Kampf für die umfassende Gleichberechtigung der Geschlechter. Und der Kampf gegen koloniale fremdbestimmte Grenzziehungen.
"Jin Jiyan Azadî" setzt ins Zentrum der Kämpfe das Leben, für das es sich zu kämpfen lohnt.
Aktivist:innen in Rojhilat haben 2022 auf den Straßen gegen das Regime gekämpft. Andere haben Jahrzehnte davor die Organisationsstrukturen aufgebaut, die ein so umfassender Protest benötigt. Wieder andere verankern die Ideen für ein besseres Morgen in der Gesellschaft. Einige Menschen, die all das gemacht und damit ihr Leben riskiert haben, sind heute hier. Das zeigt uns, dass die Verbundenheit unserer Kämpfe nicht nur ein abstrakter Slogan ist. Sie kann unsere tägliche politische Praxis sein, wenn wir uns darum bemühen und wenn wir uns tatsächlich miteinander verbinden.
Ich möchte mit Worten von Sepideh Qolian schließen. Sie hat diese Worte in einem offenen Brief geschrieben, den sie aus dem politischen Frauenknast in Teheran an die Weltöffentlichkeit geschickt hat. Sie protestiert darin gegen die Todesurteile an zwei weiteren Aktivist:innen, Pakhshan Azizi und Varishe Moradi. Ihre Worte passen in so viele Kontexte auf der ganzen Welt, wo wir Rechtsruck, Konservatismus, Faschismus, und Islamismus gegenüberstehen. Sepideh schreibt:
"Die Architekten und Vollstrecker des Todes führen Krieg gegen das Licht und gegen das Leben. Sie fürchten die Stimmen der Frauen, weil sie wissen, dass ihr (dass unser) Ruf, der aus einem Jahrhundert der Unterdrückung erwächst, auf den Straßen widerhallt. Sie wissen, dass „Jin, Jiyan, Azadi“ nicht nur ein Slogan ist, sondern eine Kette, die unsere Hände verbindet und unsere Stimmen vereint.
Die Stifter des Todes versuchen, ihre grotesken Gesichter hinter künstlichen Masken zu verbergen. Sie verbreiten Angst und erzwingen Schweigen, um die Kette unserer Stimmen zu durchbrechen. Aber wir wissen, dass es nicht ausreicht, uns von den Geschichten des Staates zu distanzieren. Unsere Stimmen müssen sich in ein Brüllen verwandeln, das deutlich macht, dass wir den Tod in all seinen Formen ablehnen."
Brüllen wir heute mit Sepideh, mit Varishe, mit Pakhshan und mit Millionen Menschen, die sich gegen Unterdrückung wehren und für ein Leben in Freiheit und Würde alles geben.
Jin Jiyan Azadi
Bild: Hengaw.net