Basiskonto für alle!

Die Bezahlkarte ist ein rassistische Kontrollinstrument. Wir fordern Gleichberechtigung für Asylsuchende! Ergo: Geld/Sozialhilfe auf Konten auszahlen. 

 

Kurz zusammengefasst, was euch im folgenden Artikel erwartet:

  1. Zukünftig sollen Asylsuchende ihr Geld nur noch über eine Bezahlkarte bekommen, mit der sie dann einkaufen müssen. Anders als bei normalen Konten sind Überweisungen und Bargeld-Abheben damit nur stark eingeschränkt möglich.
  2. Viele Politiker:innen behaupten, mit der Bezahlkarte könnte der Verwaltungsaufwand durch die monatlichen Barauszahlung der Sozialleistungenin den Sozialämtern reduziert werden.
  3. Das ist quatsch. Diesen Aufwand machen sich die Behörden freiwillig, damit sie asylsuchende Menschen besser kontrollieren können. Die Bezahlkarte ist außerdem teuer und schafft neue Bürokratie.
  4. Wenn man den Verwaltungsaufwand wirklich reduzieren wollte, könnte man das Geld einfach auf normale Konten überweisen - wie alle anderen Sozialleistungen auch. 
  5. Alle Menschen die sich rechtmäßig in der EU aufhalten einschließlich Personen ohne festen Wohnsitz, Asylsuchende und Geduldete haben ein Recht auf ein BasiskontoAber in vielen Banken werden Asylsuchenden Steine in den Weg gelegt.
  6. Dagegen kann man sich wehren.
  7. Politiker:innen sollten sich dafür einsetzen, dass das Recht auf ein Basiskonto überall durchgesetzt wird und die Diskriminierung von Asylsuchenden über die Sozialleistungen aufhört. Das heißt am Ende, das Asylbewerbleistungsgesetz muss weg.
  8. Stattdessen werden die rassistischen Bedingungen weiter verschärft. Dafür wird  zusätzlicher bürokratischer Aufwand betrieben und viel Steuergeld an einen Privatkonzern gezahlt In MV ist das das niederländische Unternehmen Yoursafe. 
  9. Wie man es also dreht und wendet: die Bezahlkarte ist ein diskriminierendes, rassistisches Projekt. "Stabil gegen Rassismus" heißt, sich strikt gegen die Bezahlkarte zu wenden. Alles andere ist quatsch.
  10. Die Wurzel des Problems ist das diskriminierende Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG). Dagegen fordern wir: AsylbLG abschaffen! Gleiche Rechte für alle! Hoch die internationale Solidarität!

 

Rassistische Diskriminierung per Gesetz

Noch in diesem Jahr wird in MV die Bezahlkarte für Flüchtlinge eingeführt, erstmal in den Erstaufnahmelagern, im neuen Jahr dann in den Kommunen. Besonders enttäuschend für uns als antirassistische Initiative ist das, weil wir 2021 vermutet hatten, dass eine rot-rote Landesregierung tendenziell progressivere Asylpolitik machen würde als ein CDU-Innenministerium. Doch auch die SPD macht diskriminierende Asylpolitik, die die Armut der Asylsuchenden verschärfen wird.* 
Die politischen Begründungen für die Bezahlkarte sind haarsträubend. Neben dem menschenfeindlichen Argument "kein Geld an Familien im Ausland schicken" (lebt sich sicher gut von Luft und Krieg in Syrien und Afghanistan) wird von den Sozialdemokrat:innen immer wieder ins Feld geführt man wolle "Verwaltungsaufwand reduzieren". Es entlarvt sich recht schnell als Pseudo-Argument, mit dem staatliche rassistische Diskriminierung legitimiert werden soll. Denn Verwaltungsaufwand reduziert man, indem man gängige einfache Wege geht. Nicht indem man kostspielige Parallelstrukturen wie die Bezahlkarte schafft.

Das Märchen vom Verwaltungsaufwand 

Werfen wir einen näheren Blick auf den Verwaltungsaufwand, um den es geht: In den meisten Landkreisen in MV bekommen Asylsuchende ihre Sozialleistungen bar ausgezahlt. Das heißt, alle Menschen, die unter das Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) fallen, müssen am Monatsanfang zu festgelegten Zeiten an festgelegten Tagen beim Sozialamt antanzen und ihr Geld abholen.* 
Die Verwaltung macht sich den Aufwand der Barauszahlung entgegen ihrer Behauptungen freiwillig. Das sieht man zB in Rostock, dort bekommen Asylsuchende das Geld auf ihr Konto bezahlt. Das macht die Hansestadt offenbar dann, wenn überdurchschnittlich viele Asylsuchende in Rostock sind, z.B. 2015/16 oder seit 2022. Zwischen diesen Phasen hat sich aber auch das Rostocker Sozialamt den Aufwand von Barauszahlung freiwillig wieder gemacht. 
Die Frage ist: Warum macht eine Verwaltung sich freiwillig mehr Arbeit als sie muss? Angesichts chronisch überlasteter Kommunen, die überall beklagt werden, und Arbeitskräftmangel in der Verwaltung? Die Antwort ist einfach: Kontrolle. Wer das Geld eimal im Monat abholen muss, muss auch einmal im Monat an der jeweiligen Geldausgabestellsein.
Die Bezahlkarte verschärft diese Kontrolle nun noch - sie digitalisiert sie. Der Zugriff der Behörden auf die Leute wird damit von monatlich auf täglich ausgeweitet. Beispielsweise sind in Thüringen und Bayern die Bezahlkarten auf Einkäufe in dem Landkreis beschränkt, wo jemand gemeldet ist. Auch die Geschäfte, in denen mit der Bezahlkarte bezahlt werden kann, könnten eingeschränkt werden.

Es könnte so einfach sein: Basiskonto

Im rot-roten Koalitionsvertrag in MV steht "stabil gegen Rassismus". Nun muss man keine studierte Rassismusforscherin sein, um zu verstehen: Ungleichbehandlung aufgrund von Herkunft und Aufenthaltsstatus sind rassistisch.
Diese Ungleichbehandlung ist politisch gewollt, also absichtlich. Denn man könnte die politische Macht, die man hat, stattdessen auch nutzen, um Gleichberechtigung voranzutreiben. In dem Fall einfach: Sozialleistungen auf Konten auszahlen (wiesonst auch) und damit Newcomern in MV ein möglichst normales Leben ermöglichen. 
Denn ja: Asylsuchende können sich Konten eröffnen. Das geht seit 2016.Da wurde in Deutschland eine EU-Richtlinie umgesetzt, demnach jeder Mensch das Recht auf ein Basiskonto hat. Vorher war es durchaus so, dass Banken Asylsuchenden Konten meistensverweigert haben. Das Basiskonto greift hier ein. Mit dem entsprechenden Gesetz zwingt man die Banken, auch armen Menschen Konten zu geben. Basiskonten sollen also denjenigen Zugang zu bargeldlosen Zahlungen verschaffen, mit denen eine Bank keinen Gewinn macht. Daran wird übrigens die Bezahlkarte auch nichts ändern, das Recht auf ein Konto besteht weiterhin.
Wenn man sich in MV umschaut, wird jedoch schnell klar, dass der Zugang zum Recht auf ein Basiskonto nicht gewährleistet ist. Hier wäreder eigentliche Punkt, wo Politik nachbessern müsste: Basiskonten müssen erschwinglich und schnell einzurichten sein. 

Beispiele aus der Praxis:

- Häufig behaupten die Banken bzw. Mitarbeitende am Schalter, eine Aufenthaltsgestattung oder Duldung wäre nicht ausreichend, um sich für eine Kontoeröffnung auszuweisen. Es ist aber schon lange klar gestellt, dass die genannten Dokumente ausreichend sind. Hier steht das zum Beispiel höchstoffiziell bei der Bundesanstalt für Finanzdienstaufsicht (https://www.bafin.de/DE/Verbraucher/Bank/Produkte/Basiskonto/basiskonto_node.html). 
- Auch wissen wir, dass einzelne Mitarbeitende in den Banken, vor allem im ländlichen Raum, mit vorgeschobenen Gründen keine Basiskonten für Asylsuchende eröffnen wollen. Andere Mitarbeitende in der gleichen Bank oder in einer anderen Filiale tun es aber. Neu angekommende Asylsuchende sind leider oft sprachlich nicht in der Position, sich durch Beschwerden bei Vorgesetzten gegen solchen Rassismus zu wehren. 
Und last but not least: Ein Basiskonto muss man sich leisten können. In Schwerin kostet es bei der Sparkasse beispielsweise 4€ Kontoführungsgebühren pro Monat, in Rostock 6€. In Neubrandenburg kostet es 12€/Monat.(https://www.spk-nbdm.de/content/dam/myif/spk-neubrandenburg-demmin/work/dokumente/spk/div/preisaushang.pdf?n=true). 12€ sind viel Geld, wenn man nur 413€ Sozialleistungen bekommt.* Asylsuchende in Neubrandenburg eröffnen deswegen häufig kein Konto, weil es zu teuer ist. Hohe Gebühren sind der Weg der Banken sich die unliebsamen Basiskontokund:innen fernzuhalten

Das Recht durchsetzen

Dass das Basiskonto in Mecklenburg-Vorpommern immer noch vielen Asylsuchenden verweigert wird, ist eine Kombination aus Diskriminierung gegen Asylsuchende (weil als Begründung der Aufenthaltstatus benutzt wird) und Diskriminierung von Armen (weil man lieber Kund:innen will, die den Bankenmit ihrem Geld Profit einbringen).

Um das zu ändern, müssen Menschen sich beschweren. 2017 kostete es beispielsweise in Rostock Refugees und Unterstützer:innen einige Mühen und unzählige Gespräche, das Recht auf ein Basiskonto der Menschen den Banken gegenüber auszudiskutieren. Es hat geklappt, bei den meisten Banken in Rostock ist die Eröffnung eines Kontos möglich. Wo es nicht klappt, liegt es (unserer Kenntnis nach) an einzelnen Mitarbeitenden.
Die Rechtslage zum Basiskonto ist eindeutigSie wird nur vielerorts nicht umgesetzt. Man könnte sagen: Viele Banken brechen so das Gesetz. 

Die Rechtslage:
  • Asylsuchende (§ 31 ZKG), Menschen mit Ankunftsnachweis und Menschen mit Duldung (§ 1 ZldPrüfV) haben ein Recht auf ein Basiskonto.
  • Die Banken haben 10 Tage Zeit mit einem Angebot zum Vertragsabschluss auf den Antrag auf ein Basiskonto zu reagieren (§ 31 ZKG). Die Banken müssen das entsprechende Formular auf ihren Webseiten anbieten,sowie auf Anfrage zur Verfügung stellen (§ 33 ZKG).
  • Falls die Bank kein solches Formular rausgibt, findet man es hier online

Man kann sich bei der Bundesanstalt für Finanzdienstaufsicht beschweren, wenn eine Bank die Eröffnung eines Basiskontos verweigert. Das sollte man auch tun. Denn ohne Druck von unten gibt es keine Veränderung. 

  • Das Beschwerdeverfahren ist kostenlos, man braucht keinen Anwalt oder Anwältin dafür.
  • Allgemeine Infos zum Beschwerdeverfahren gibt es hier
  • Das PDF-Formular für die Beschwerde gibt es hier

Asylbewerberleistungsgesetz* abschaffen!

Wollte man Verwaltungsaufwand reduzieren und hätte ein grundlegendes Verständnis vom Grundsatz der Gleichberechtigung und Diskriminierungsfreiheit, dann würde man den Banken auf die Füße treten. Basiskonten müssen tatsächlich verfügbar sein, nicht theoretisch möglich. Das Profitstreben der Banken darf genausowenig den Zugang zu einem Konto verhindern wie der Rassismus gegen Asylsuchende. 
Mit der Bezahlkarte treten Politiker:innen aber nicht nach oben, sondern nach unten. Sie schränken die Rechte der Asylsuchenden ein und verschärfen die Armut*. Das entlarvt den rassistischen Charakter des neuen Gesetzes zur Bezahlkarte. Das Gesetz steht in der Tradition zum sog. "Asylkompromiss" von 1992. Bereits damals haben die Parteien der Mitte versucht, Asylsuchende mit rassistischen Gesetzesverschärfungen zu verschrecken, statt ihre Energie darauf zu verwenden, Faschos und Rechte in die Schranken zu weisen. 1992 kam das Asylbewerberleistungsgesetz dabei raus, das auch heute die gesetzliche Grundlage für die Bezahlkarte liefert. 1992 wurde der Asylkompromiss von CDU/CSU, FDP und SPD beschlossen. Die Bezahlkarte heute liegt im Verantwortungsbereich von SPD, Grünen und FDP. 
Progressive Kräfte müssen sich laut und deutlich für die Abschaffung des Asylbewerberleistungsgesetzes und den Zugang zu regulären Sozialleistungen einsetzen.

Klar Position beziehen

In MV ist es besonders bitter, dass auch die rot-rote Koalition die Bezahlkarte nicht verhindert hat. Denn die Karte ist auch in der neuen Fassung des Gesetzes keineswegs Pflicht, sondern ein "oder" in der weiter bestehenden Reihe mit Geldauszahlung. Rechte Politik sollte man rechten Parteien überlassen. 
Die Bezahlkarte ist ein rassistisches Kontrollinstrument. Als solidarische Akteure müssen wir sie komplett ablehnen. Diese Karte "möglichst diskriminierungsfrei" oder "menschenrechtskonform" "auszugestalten" ist Blödsinn. So liest man es in den letzten Monaten immer wieder bei Pro Asyl, Flüchtlingsräten und leider auch bei der LINKEN MV. 
Etwas grundsätzlich Diskrimierendes "möglichst diskriminierungsfrei" zu machen, geht nicht. Braun bleibt Braun. Blau bleibt blau. Wo Organisationen, die eigentlich flüchtlingssolidarische Lobbyarbeit machen, solche Forderungen erheben, gehen sie selbst mit dem von rechts gesetzten Diskursfenster mit. Das stärkt rechte Forderungen, indem es ihnen keine linken und progressiven Forderungen mehr entgegenhält. Die gesellschaftliche Auseinandersetzung baut dann auf den von rechts gesetzten rassistischen Narrativen auf
Die solidarischen und progressiven Forderungen liegen seit Jahren auf dem Tisch. Wir müssen sie jetzt und immer wieder stark machen: 

Konkret zur Sache:
Basiskonto für alle Menschen zugänglich machen und Sozialleistungen auf Konten zahlen! 

Problem an der Wurzel angehen:
Asylbewerberleistungsgesetz abschaffen, weil: Gleiche Rechte für alle! 

Generell:
Hoch die internationale Solidarität! Ressourcen gerecht auf der Welt verteilen und Bewegungsfreiheit für alle! 


* Die Bezahlkarte macht Menschen ärmer, weil sie mit dem wenigen Bargeldbetrag noch schlechter wirtschaften können als ohnehin schon. Denn in kleinen Läden, in Sozialkaufhäusern und auf Kleinanzeigen-Portalen kann man meist nur bar bezahlen. Asylsuchende stehen dabei vor der Tatsache, dass sie ohnehin nur ca. 70% der regulären Sozialleistungen ausbezahlt bekommen - also 70% vom Existenzminimum (!). Diese Diskriminierung ist im Asylbewerberleistungsgesetz festgeschrieben, einem rassistischen Parallelgesetz.