Folgeanträge von Syrern – ein wichtiges politisches Statement

Vor Kurzem hat der Europäische Gerichtshof (EUGH) entschieden, dass Syrer*, die den Kriegsdienst für Assad aus politischen Gründen verweigert haben, eine Flüchtlingsanerkennung** und nicht "Subsidiären Schutz"*** bekommen sollen. Bisher ist nicht klar, wie das BAMF mit den Folgeanträgen umgehen wird. Vielleicht bearbeitet es sie. Vielleicht findet es Ausreden sich mit dem Thema zu beschäftigen.

In Syrien tobt seit 2011 ein Krieg durch das grausame Regime Bashar Al Assads gegen die eigene Bevölkerung und gegen die Demokratisierung des Landes. Ich bin weiterhin nicht bereit, für ein Regime zu kämpfen, das durch Belagerungen, Aushungern, Giftgasangriffe und tödliche Folter den Tod von hunderttausenden Menschen - Zivilist*innen und Aktivist*innen für ein freies und demokratisches Syrien - zu verantworten hat. Ich bin aus einer tiefen humanistischen Überzeugung heraus nicht bereit, mich an Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen zu beteiligen. 

Dies war und ist meine politische Überzeugung: Ich habe mich in Syrien und werde mich auch weiterhin im Exil für ein demokratisches Syrien und das Ende des Assad-Regimes einsetzen.

- aus einem aktuellen Folgeantrag

Wir rufen Syrer*innen mit Subsidiärem Schutz, die den Kriegsdienst verweigert haben, dazu auf, Folge-Anträge zu stellen!

Es ist wichtig, dass viele Menschen diese Anträge stellen, egal ob sie erfolgreich sein werden. Die Folgeanträge sind ein wichtiges und nötiges politisches Zeichen an die Bundesregierung Deutschlands.

Im Dezember 2020 hat die Bundesregierung beschlossen, dass wieder Abschiebungen nach Syrien durchgeführt werden sollen. (Zuerst sollen syrische Straftäter abgeschoben werden). Das bedeutet: Die deutsche Regierung wird mit dem Assad-Regime zusammenarbeiten, um Abschiebungen zu organisieren. Dies ist ein erster - falscher! - Schritt dahin das Assad-Regime als politischen Verhandlungspartner anzuerkennen.

BAMF und Bundesregierung propagieren in den letzten Jahren immer stärker, dass die meisten Menschen aus Syrien wegen des "Bürgerkriegs" geflohen sind. Jetzt, wo Daesh besiegt sei, könnten die Menschen nach Syrien zurückkehren. Diese Umdeutung der Realität in Syrien dürfen wir nicht akzeptieren! 
Diese Sichtweise ignoriert, dass das syrische Regime in den letzten 10 Jahren einen systematischen Krieg gegen die Demokratiebewegung im Land geführt hat. Es hat Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen begangen. Es betreibt grausame Folterknäste. 

2021 jährt sich die syrische Revolution zum 10. Mal. In diesem Jahr müssen endlich die Grausamkeiten des syrischen Regimes ins öffentliche Bewusstsein in Deutschland dringen. Sich dem Dienst für das Assad-Militär zu verweigern, bedeutet sich diesem grausamen Regime zu verweigern. 

Wir erwarten von der Bundesrergierung den gleichen Mut wie diejenigen ihn zeigen, die im Aufbegehren gegen das syrische Regime ihr Leben riskieren: Keine Zusammenarbeit mit dem Assad-Regime!

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بالعربية

Dieses Infoblatt gibts hier auf arabisch und deutsch.

Wie macht man einen Asylfolgeantrag?

"Folgeantrag" nennt man einen zweiten Asylantrag. Man stellt ihn bei der Stelle des BAMF, bei der man das erste Asylverfahren durchgeführt hat, auch wenn man inzwischen umgezogen ist. 

Man kann Folgeanträge stellen, wenn nach dem ersten Asylantrag etwas Neues passiert ist. Das können persönliche Gründe sein: zB die Familie in Syrien wurde bedroht und gefragt, wo jemand sich aufhält. Es können aber auch allgemeine Änderungen sein: Wie aktuell: Die neue Entscheidung vom Europäischen Gerichtshof. 

Nachdem etwas Neues geschehen ist, sollte man innerhalb von 3 Monaten einen Folgeantrag stellen. Wegen des Urteils vom EUGH hat man also bis 19. Februar 2021 Zeit.
PRO ASYL, die größte asylpolitische Menschenrechtsorganisation in Deutschland, stellt auf der Homepage sehr einfache übersichtliche Vorlagen für die Folgeanträge zur Verfügung. Man kann einen Folgeantrag ohne Anwält*in stellen. 

Füllen Sie die Vorlage von PRO ASYL gemeinsam mit jemandem aus, der*die gut deutsch spricht. Das können Freund*innen, Beratungsstellen, Migrant*innenorganisationen, Unterstützungsorganisationen, Anwält*innen oder Andere sein. Hierfür sollten Sie im Vorfeld das Protokoll vom ersten Interview mit dem BAMF und das Protokoll des Gerichtsverfahrens bereithalten, falls Sie auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft geklagt haben. 

Erklärung zum rechtlichen Hintergrund

In der Vorlage von PRO ASYL wird erklärt, wie man mit dem Folgeantrag gegenüber dem BAMF argumentiert: Es geht 1. darum, dass das BAMF anerkennen soll, dass die Entscheidung des EUGH ein Grund ist ein zweites Asylverfahren durchzuführen und 2. darum, dass das BAMF wegen des EUGH-Urteils die Flüchtlingseigenschaft zusprechen soll. Hierfür sollten Kriegsdienstverweigerer erklären, warum sie aus politischen (oder religiösen) Gründen den Kriegsdienst verweigern. 

Ausführlichere rechtliche Informationen zum Urteil des EUGH hat PRO ASYL hier zusammengestellt.

Die Auslegung des Asylrechts folgt in Deutschland immer politischen Interessen. So änderte das BAMF seine Entscheidungen zur Kriegstdienstverweigerung kurz nachdem für Subsidiär Schutzberechtigte der Familiennachzug eingeschränkt wurde, um den Familien die Einreise zu erschweren.

Die Frage, ob das BAMF die Folgeanträge überhaupt zulassen wird, ist insbesondere eine politische Entscheidung darüber, ob es sich Entscheidungen von Europäischer Ebene vorgeben lassen möchte. Es ist außerdem eine Entscheidung dazu, ob das BAMF und die Bundesregierung das Assad-Regime für "vernünftig" halten. Die Rechtssprechung in Deutschland durch das Bundesverwaltungsgericht geht bisher davon aus, dass das Regime nicht alle Kriegsdienstverweigerer verfolgen wird - schlichtweg weil es zu viele sind. 

Solidarität mit den Aktivist*innen der syrischen Revolution

Das Regime Assads hat in den letzten 10 Jahren immer wieder bewiesen, wozu es imstande ist. Wir gedenken all derer, die diesen Grausamkeiten zum Opfer gefallen sind. Wir erinnern all derer, deren Widerstand sie ihr Leben gekostet hat. Wir stehen an der Seite der Freund*innen, die mit ihrem aktiven Widerstand auch von Deutschland aus weiter gegen das Regime arbeiten. Wir unterstützen all jene, die bis heute mit ihrer aktiven Verweigerung des Tötens die Macht des Regimes untergraben.

Nieder mit Assad! Freiheit für Syrien!

* Wir gendern Kriegsdienstverweigerer nicht, da in Syrien die Wehrpflicht nur für Männer besteht.

** Flüchtlingsanerkennung: Anerkennung individueller Verfolgung der Betroffenen aus politischen, religiösen oder anderen bestimmten Gründen, die entweder bereits geschehen sind oder drohen, wenn jemand zurückkehrt. Die Aufenthaltserlaubnis wird für 3 Jahre ausgestellt und so lange verlängert wie die Verfolgung droht. 

*** Subsidiärer Schutz: Anerkennung eher allgemeiner Verfolgung, beispielsweise Bürger*innenkrieg. Im Falle von Syrien legt das BAMF seit 2016 die fehlende Bereitschaft sich an Kriegsverbrechen durch das syrische Regime zu beteiligen als Flucht vor einem Bürgerkrieg aus. Dass diejenigen, die sich dem Regime aktiv verweigern, später verfolgt würden, könne nicht mit Sicherheit gesagt werden.