Glaubt man Konservativen und Rechten wird Mecklenburg-Vorpommern bald wieder von einer sozialistischen Regierung geführt. Der geplante Koalitionsvertrag von LINKE und SPD ist seit einigen Tagen online. Es gibt einige gute Punkte, doch in Sachen Asylpolitik bleibt rot-rot hinter unseren Erwartungen zurück.
Weil wir die Hoffnung auf eine bessere Welt noch nicht ganz an den Nagel hängen wollen, haben wir fünf realpolitische Vorschläge für die kommenden fünf Jahre, gegen die eigentlich kein:e Demokrat:in etwas einzuwenden haben sollte. Wir haben euch ein paar Links für Hintergrundinfos aufgeschrieben.
Vorneweg
Vorneweg wollen wir festhalten: SPD und LINKE machen im Koalitionsvertrag einen schweren Fehler. Sie übernehmen die Zerteilung(Zuordnung) von Konservativen und Rechten in „gute Flüchtlinge“ und „böse Flüchtlinge“ (im Behörden-Sprech: „Gute/schlechte Bleibeperspektive“). In den beiden Kapiteln „Integration vorantreiben“ und „Flüchtlings- und Asylpolitik“ geht es nicht darum, institutionelle Diskriminierung zu bekämpfen, sondern es geht um Basics (das Recht auf Schutz und Asyl), Unterbringungskosten und die Verwertung von Geflüchteten auf dem Arbeitsmarkt.
Im Koalitionsvertrag wird leider nicht ersichtlich, dass die konservative Leitlinie der CDU/SPD-Asylpolitik aufgebrochen werden soll. Hierfür bräuchte es die klar formulierte Analyse und Haltung: Das Problem heißt Rassismus. Eine rot-rote Koalition ist dann „stabil gegen Rassismus“, wenn sie Rassismus aus Institutionen, Gesetzen und Behörden streicht. Deswegen:
Krankenkassekarte für alle!
Asylsuchende sind nicht ordentlich versichert. Das rassistische Asylbewerberleistungsgesetz sieht eine Behandlung nur bei „akuten Erkrankungen und Schmerzzuständen“ vor. Zudem entscheiden die Sozialämter und nicht medizinische Fachkräfte, ob eine Behandlung nötig ist. Zweiteres kann man auf Landesebene ändern: Krankenkassenkarten für alle!
Lese-Tipps:
Medinetze und Medibüros zum Thema
Schule für alle!
SPD und CDU haben 2019 Kinder in den Erstaufnahmelagern in MV von der Schulpflicht ausgeschlossen. Im Koalitionsvertrag ist die Rede davon, geflüchtete Kinder und Jugendliche „schnellstmöglich“ in die Schule zu schicken. Die Lösung ist simpel: Rassismus aus dem Schulgesetz streichen. Schule für alle!
Lese-Tipps:
Kampagne "Schule für alle!" der Flüchtlingsräte
Zur rassistischen Schulgesetzänderung in MV vom Flüchtlingsrat MV
B-UMF: Recherche zur Bildungssituation von Flüchtlingen in Deutschland
„No Lager!“ für alle!
In dieser Hinsicht wirkt die Koalition dann doch etwas realsozialistisch. Asylsuchende sollen weiterhin in Sammellagern systematisch von der Gesellschaft isoliert werden. Wir haben schon so oft gesagt, warum das falsch ist, dass wir es hier nicht wiederholen werden. No Lager für alle!
Lese-Tipps:
Unsere Artikel zum Thema No Lager
Bundesweite Vernetzung "Lager Watch"
Verständnis für alle!
Grundlage sich in einer Demokratie als mündiger Mensch bewegen zu können, ist, dass man versteht was passiert und dass man den eigenen Positionen Ausdruck verleihen kann. Für Asylsuchende ist das schwer, weil erstmal eine Sprachbarriere im Wege steht und Gesetze so kompliziert formuliert sind, dass sie schwer verständlich sind. Es braucht deswegen dringend Dolmetscher:innen, die Asylsuchende hinzuziehen können wenn sie es wollen – nicht wenn die Behörden es wollen. Gesetze, Verordnungen und Erlasse müssen transparent, zugänglich und verständlich sein.
- Lese-Tipps
Kampagne "Gläserne Gesetze" von Frag den Staat
Nett sein* für alle!
Rassismus ist bitterer Alltag in Mecklenburg-Vorpommern. In den Gesetzen, auf der Straße, auf Arbeit, in den Schulen – und in den Behörden, insbesondere Ausländerbehörden. Im Kolaitionsvertrag ist Rede von der „Interkulturellen Öffnung“ der Verwaltung. Doch was es tatsächlich braucht ist eine Verwaltung ohne Rassismus.
* Wir wollen mit der Formulierung „Nett sein für alle“ Rassismus nicht bagatellisieren. Angesichts der Verhältnisse kommen wir um eine Prise Zynismus nicht herum.
In the end...
Rot-rot hält an rassistischen Grundannahmen der Asylpolitik fest und wird rassistische Gewalthandlungen wie Abschiebungen fortsetzen. Realpolitisch gesehen muss Rot-rot hier ran: Eine liberale Auslegung von Bundesgesetzen in Form von transparenten Erlassen und Weisungen, Änderungen in der Verwaltungspraxis und rassismuskritische Gesetzesinitiativen auf Bundesebene.
Rassismus ist tief in unsere Gesetze und Institutionen eingeschrieben. Er ist nicht nur ein individuelles Problem einzelner Rassist:innen und Nazis. Er steckt genauso in rassistischer Gesetzgebung, die genauso die Gesundheit und die Leben der Betroffenen zerstören können wie körperliche Gewalt. Unsere hier genannten Forderungen sind keineswegs abschließend und vollständig.Sie sind offensichtliche realpolitische Ansatzpunkte, die das System nicht umwälzen werden, aber "ein bisschen besser" im Alltag vieler Menschen bedeuten würden.